Felicia H. Sternfeld: Georg Scholz (1890-1945). Monographie und Werkverzeichnis (= Europäische Hochschulschriften. Reihe XXVIII: Kunstgeschichte; Bd. 405), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2004, 587 S., ISBN 978-3-631-52967-6, EUR 86,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Birgit Dalbajewa (Hg.): Neue Sachlichkeit in Dresden. Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Galerie Neue Meister, Dresden: Sandstein Verlag 2011
Anna-Carola Krausse: Lotte Laserstein (1898-1993). Leben und Werk, Berlin: Dietrich Reimer Verlag 2006
Paul B. Jaskot: The Nazi Perpetrator. Postwar German Art and the Politics of the Right, USA: University of Minnesota Press 2012
Georg Scholz war aus Sicht seiner Zeitgenossen ein Protagonist der Neuen Sachlichkeit, die in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre den Expressionismus ablöste und zur wichtigsten Kunstströmung der Weimarer Republik avancierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Erfahrung der wenig überzeugenden naturalistisch-ideologischen Kunstbemühungen der Nationalsozialisten brauchte es einige Zeit, um sich der realistischen Kunst der 1920er-Jahre wieder zu erinnern. Doch schon relativ früh wurde Scholz in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund zeitgenössischer realistischer Bestrebungen als ein politischer Künstler wieder entdeckt [1], was vor allem mit seinen Kontakten zum Dadaismus Berliner Provenienz um George Grosz und seiner Zugehörigkeit zum so genannten "linken Flügel" der Neuen Sachlichkeit, zum zeitkritischen Verismus zusammenhing. Als dann in den 1990er-Jahren zahlreiche monografische Ausstellungen die Werke der neusachlichen Generation der nach 1890 Geborenen - so im Fall von Dix, Dischinger, Grosz, Hubbuch, Mense, Radziwill, Räderscheidt oder Schlichter - einer breiteren Öffentlichkeit vorstellten, war Georg Scholz einer der wenigen, dem diese Aufmerksamkeit nicht zuteil wurde. Differenzen bei den Verantwortlichen führten nur zu zwei kleineren Ausstellungen bzw. Publikationen, die nichts dazu beitragen konnten, Scholz dem Vergessen zu entreißen. [2] Dies wird auch nicht der jüngsten, zumal für ihre Ausstattung ausgesprochen teuren Monografie von Felicia Sternfeld gelingen, dennoch füllt dieses Buch eine empfindliche Lücke.
Sternfelds Arbeit entstand als Dissertation bei Hans Ost in Köln und ist die bislang ausführlichste Darstellung von Leben und Werk Georg Scholz'. Die Arbeit ist für die Publikation allem Anschein nach nicht überarbeitet worden und bietet den klassischen Aufbau einer Dissertation, wenn eine kurze Einleitung und Darstellung des Forschungsstandes vorangestellt werden. Freilich berücksichtigt die Autorin hier nur die schmale Literatur zu Scholz selbst, sodass die sehr viel umfassendere Literatur zu Neuen Sachlichkeit, in der der Künstler immer eine Rolle spielte, ausgeblendet wird. Eine mehr als 60 Seiten umfassende Biografie und chronologische Werkanalysen machen die beiden Hauptteile des Buches aus, gefolgt von einem gründlich recherchierten Werkverzeichnis. Der Aufbau des Buches stellt selbst schon ein Problem dar, denn die Autorin verzichtet von vorneherein auf den Versuch, Biografie und Werkentwicklung miteinander zu verzahnen und damit nicht zuletzt eine etwas lebendigere Darstellung zu erzielen, der überdies einige Wiederholungen erspart worden wären, wenn Sternfeld bei ihren Werkbetrachtungen auf persönliche Lebensumstände zurückkommen muss.
In ihrer anschaulichen biografischen Skizze, in die die Autorin immer wieder längere Zitate aus den Erinnerungen mit Scholz zeitweilig befreundeter Künstler (Rudolf Schlichter) oder der Korrespondenz mit Sammlern (Dr. Theodor Kiefer) einstreut, schildert Sternfeld alle wesentlichen Etappen des Lebens und der künstlerischen Sozialisation des Malers und Grafikers, der in Karlsruhe ausgebildet und schließlich Meisterschüler Wilhelm Trübners wurde. Nach der prägenden Erfahrung als Soldat im Ersten Weltkrieg, auf die Scholz auch künstlerisch bis in die 1930er-Jahre hinein zeitweilig zurückkam, adaptierte der Maler zunächst den Futurismus, um dann Kontakte zu den Expressionisten und Dadaisten in der Region um Rudolf Schlichter fruchtbar zu machen. Scholz war 1920 mit wichtigen Bildern (u.a. mit dem berühmten Bild Bauernfamilie/Industriebauern) an der Ersten Internationalen DaDa-Messe in Berlin beteiligt und wandelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem der wichtigsten Künstler der Neuen Sachlichkeit, der mit sieben Bildern 1925 in Gustav Hartlaubs Mannheimer Ausstellung gleichen Titels vertreten war.
Allerdings, so arbeitet Sternfeld überzeugend heraus, hielt die künstlerische, anfänglich überaus qualitätvolle Produktion mit den zahlreichen Ausstellungsmöglichkeiten und weiteren Verpflichtungen - etwa als Akademieprofessor - innerhalb kürzester Zeit nicht mehr mit. Neben die relativ geringe Produktion, die zum Verzicht auf wichtige Ausstellungsbeteiligungen führte, und zahlreiche Verpflichtungen trat in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre eine künstlerische Orientierungskrise, die in Kombination mit den sich wandelnden politischen Verhältnissen und der Entlassung 1933 zu einem regelrechten Versiegen der künstlerischen Kraft des Malers führte. Auch wenn man zweifeln kann, ob Scholz überhaupt ein weiter reichendes künstlerisches Potenzial besaß - schließlich verliert sich die Stoßkraft seines Werkes spätestens 1929 - bedeutet sein Fall eine exemplarische Biografie angesichts der zerstörerischen Kraft des Nationalsozialismus, insofern dem talentierten Maler zusätzlich die Bürde existenzieller Unsicherheit aufgetragen wurde, unter der er letztlich zusammenbrach.
Felicia Sternfeld hat mit ihrer Studie eine der wichtigeren Figuren der deutschen Kunst der Weimarer Republik umfassend dargestellt. Die akademische Ausbildung, das Rebellieren unter den Bannern der Avantgarde, die gemäßigte politische und soziale Kritik im Stilidiom der Neuen Sachlichkeit sowie die künstlerische Krise in den späten 1920er-Jahren und die Bekehrung zum katholischen Glauben vor dem Hintergrund der zugespitzten politischen Auseinandersetzungen der 1930er-Jahre machen Georg Scholz in vielerlei Hinsicht zu einem paradigmatischen Künstler der Generation um 1890. Auch wenn die aufzählenden Werkbetrachtungen und -vergleiche sowie das letztlich artig wirkende Referieren von Forschungspositionen kaum etwas zum weiteren künstlerischen Verständnis beitragen und Sternfeld jede weitergehende Thesenbildung vermeidet: Mit ihrem Buch liefert sie einen wichtigen und nützlichen Baustein zur überfälligen Gesamtdarstellung der Neuen Sachlichkeit als einer spezifischen Synthese von Tradition und Moderne.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Ausst.-Kat. Georg Scholz. Ein Beitrag zur Diskussion realistischer Kunst, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 1975.
[2] Vgl. Siegmar Holsten: Georg Scholz. Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik (= Bildhefte der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Nr. 13), Karlsruhe 1990 und Ausst.-Kat. Georg Scholz 1890-1945. Malerei, Zeichnung, Druckgraphik, hrsg. von Hans-Dieter Mück, Georg Scholz-Haus, Waldkirch 1990.
Olaf Peters