Rezension über:

Elizabeth Carney: Olympias. Mother of Alexander the Great (= Women of the Ancient World), London / New York: Routledge 2006, xvi + 221 S., ISBN 978-0-415-33316-0, GBP 60,00
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Rezension von:
Ann-Cathrin Harders
Seminar für Alte Geschichte, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Ann-Cathrin Harders: Rezension von: Elizabeth Carney: Olympias. Mother of Alexander the Great, London / New York: Routledge 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 9 [15.09.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/09/10124.html


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Elizabeth Carney: Olympias

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Mit der Biografie von Elizabeth Carney über Olympias eröffnen Ronnie Ancona und Sarah Pomeroy ihre Reihe 'Women of the Ancient World'. 'Olympias' fungiert dabei als Paukenschlag, kündigen die Herausgeberinnen doch nichts geringeres als 'the definitive guide to the first woman to play a major role in Greek political history' an. Die 'Heldin' ist ein gut gewähltes Thema für ein Buch, das nicht allein die Fachöffentlichkeit, sondern auch ein interessiertes breiteres Publikum ansprechen soll. Zuletzt verkörpert von Angelina Jolie in Oliver Stones Epos, in dem sie als ehrgeizige Frau mit einem Hang zum Sohne und zu Schlangen sehr eigen dargestellt wurde, ist die Mutter des Eroberers in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Die Monografie trägt dementsprechend den Untertitel 'Mother of Alexander', so dass Olympias schon von Beginn an in Beziehung zu dem ungleich berühmteren Sohn gesetzt wird.

Elizabeth Carney ist ausgewiesene Kennerin der makedonischen Dynastie und ihrer Königinnen, weshalb die Studie über Olympias kaum mehr als eine Fingerübung zu sein scheint. Anders als im Untertitel angedeutet, versucht Carney Olympias jedoch nicht allein als Mutter eines berühmten Mannes zu werten, sondern als mehr oder minder eigenständig agierende Politikerin zu fassen. In ihrer Einleitung deutet Carney auf die Problematik eines solchen Unterfangens hin; neben der grundsätzlichen Dürftigkeit an Quellenmaterial über Frauen erschweren im Fall der Olympias auch Genderstereotypen in den Quellen - wie in der modernen Forschung - den Zugriff auf die Epirotin. Carney beschreibt dies als den 'Niceness-Factor' (1), die Vorstellung, dass eine Frau hätte 'netter' handeln sollen, als Olympias es vor allem nach Alexanders Tod getan hat. Ihre Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit würden dabei entweder der molossischen Herkunft bzw. einer weiblichen Natur zugerechnet werden. Carneys Ziel ist es dagegen, nach rationalen Gründen für Olympias' Handeln zu suchen und sie in ihren historischen und kulturellen Kontext zu setzen.

Die Biografie ist in ihrem Hauptteil chronologisch angelegt und beginnt mit Olympias' Herkunft: 'Olympias, the Molossian' (5-18). Carney schreibt dabei der mythischen Abstammung von Aiakos, Achill, Neoptolemos und Andromache große Bedeutung zu und überlegt, inwiefern gerade die mythischen Figuren als role model für Olympias gedient haben (6). Auf der Folie genereller Überlegungen zur Rolle der Frau im Griechenland des 4. Jahrhunderts betont Carney den größeren Spielraum von Frauen in Makedonien und Epirus und wirft Parallelen eher zur homerischen als zur klassisch athenischen Welt auf. Die Ehe mit Philipp wird gegen die Berichte einer Art Liebesheirat als politische Allianz zwischen Epirus und dem mächtigen Makedonien besprochen; im Zuge der Heirat diskutiert Carney auch die Namenswechsel der Olympias, die diesen Namen wohl erst dort zugewiesen bekam (15-17).

Das zweite Kapitel behandelt 'Olympias, wife of Philip II' (19-41) und beginnt mit der Analyse der problematischen Hierarchie innerhalb der insgesamt sieben Ehefrauen Philipps. Carney kategorisiert alle Ehen als politisch, die zur inneren oder äußeren Stabilisierung beitrugen - die Ehe mit Olympias ist letzterem zuzuordnen. Für den Status der jeweiligen Ehefrau war zum einen ihre Herkunft, mehr aber noch die Geburt eines gesunden Sohnes und präsumtiven Nachfolgers von Bedeutung. Die Mutterschaft zum Thronfolger Alexander sicherte dementsprechend Olympias' Rang, bedeutete aber dementsprechend auch eine von vornherein enge Beziehung zwischen Mutter und Sohn, wobei Olympias als 'succession advocate' (23) für den Sohn agierte. Die Ehe Philipps mit der jungen Eurydike wie auch der Eklat mit deren Onkel Attalos bedrohten somit den Status von Alexander als auch Olympias am makedonischen Hof (31-36); Carney sieht darin weniger einen 'ethnic slant', die Zurückweisung als Epirotin, als vielmehr einen grundsätzlichen Rangkonflikt um die Ehre der Olympias und ihrer Familie, der Philipp zu einer öffentlichen Stellungnahme zwingt. Dass Olympias und Alexander in die Ermordung Philipps während der versöhnenden Hochzeitsfeier der gemeinsamen Tochter Kleopatra mit ihrem Onkel Alexander von Epirus involviert waren, schließt Carney aus, da es beider Stellung schwächen würde, wenn sie letztendlich auch davon profitierten (38-40).

Der Witwe Olympias schreibt Carney im Folgenden als 'mother of the king' (42-59) eine ungleich größere politische Bedeutung zu denn als Frau des Königs - eben auch, da Alexander zunächst nicht heiratete. Inwieweit der König seiner Mutter eine bestimmte Vollmacht übertragen hatte, lässt sich nicht feststellen, weshalb Carney als Grundlage für Olympias' Autorität ihre Abstammung von den Aiakiden, die Zugehörigkeit qua Ehe zu den Argeaden und vor allem ihre Mutterschaft ausmacht (50), was sie schon zu Lebzeiten Alexanders in Konflikt mit Antipatros brachte (58-59). Carney verweist auf Inschriften etwa in Kyrene, die Hinweis auf eine diplomatische Tätigkeit Olympias' geben (50). Die überlieferten Briefe an Alexander verwirft sie als nicht-authentische Quelle, als genderstereotypische Darstellung einer ehrgeizigen Frau durch antimonarchisch gestimmte griechische Autoren (53-54). Dem gegenüber zeichnet Carney das Bild einer Mutter, die gerade deshalb misstrauisch mögliche Usurpationen seitens der Hetairoi Alexanders wie auch Antipatros' vermutete, da von der Stellung des Sohnes auch die eigene abhing (57).

Der Tod Alexanders zwang Olympias demnach in eine Politik, in der vor allem das Wohl des Enkels, Alexanders IV., und damit die eigene Stellung im Vordergrund stand: 'Olympias on her own, 323-316' (60-87). Olympias griff auf ihre verwitwete Tochter Kleopatra zurück, um über Heirat männliche Unterstützung zu fordern. Pläne um Ehen mit Leonnatos und Perdikkas standen in Konkurrenz zu Plänen des Antipatros und scheiterten letztendlich; Olympias gewinnt erst unter Antipatros' Nachfolger Polyperchon an Einfluss, der, so Carney, Olympias brauchte, um einem Legitimationsdefizit zu begegnen (69). Als Witwe Philipps und Mutter Alexanders stand sie Roxane gegenüber, 'a hapless Bactrian mother', und kommt nach Carney eventuell auch als epimeletes für den Enkel in Frage (70). Neben den Konflikten mit Kassander fokussiert Carney vor allem nun den Konflikt mit einer anderen Königin: Adea Eurydike, der Frau des Arrhidaios. Im 'first war between women' (74) führten die Königinnen die Truppen an, wobei Olympias größere Autorität bei den Makedonen genoss und nicht zuletzt deshalb siegte. Die folgenden Aktionen, mit denen der dynastische Konflikt beseitigt wurde und die den Tod des Königspaares sowie Kassanders Anhängern und seines Bruders zur Folge hatten, werden in den Quellen als Beispiel der grausamen Maßlosigkeit Olympias' geschildert. Carney vergleicht Olympias' Befehle mit ähnlichen der Diadochen, schreibt ihr eine politische Rationalität zu und vermutet, dass weniger eine Gendertransgression als das klare politische Statement Olympias' Gegner stärker zusammenbrachte, was letztendlich zu ihrem Tod führte. Carney fasst zusammen, dass das Leben ihrer 'Heldin' sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen weiblichen politischen Agierens aufzeigt in einer Zeit, in der Politik vor allem durch Militär durchgesetzt wird.

Dem chronologisch erzählten biographischen Teil fügen sich zwei Kapitel an, in denen zuerst Olympias' Verhältnis zur Religion (88-103) und ihre Rezeption in der Antike (104-124) besprochen werden. Religiösen Aktivitäten von Frauen schreibt Carney 'political dynamic' (88) zu, da Frauen gerade bei überregionalen Festen diplomatische Aufgaben für ihre patris übernahmen. Angeführt wird ein Streit zwischen Olympias und Athen um Spenden im Dione-Heiligtum in Dodona, aus denen Carney ein Patronatsverhältnis der Epirotin für das Heiligtum herausliest (91). Olympias' berühmte Schlangen werden als übliche Kulttiere genannt, die Anekdoten über sexuellen Verkehr mit den Tieren bzw. einer Gottheit als spätere Propaganda gegen Olympias verworfen. Ähnlich geht Carney Plutarchs Beschreibung der Königin als wilde Bacchantin an und verweist auf die allgemeine Akzeptanz des Kultes (96-100). Das Kapitel über die Rezeption der Olympias parallelisiert diese mit der Rezeption Alexanders, so dass Olympias vor allem als Mutter des Königs, nicht aber als eigenständige Persönlichkeit erinnert wird - letztendlich zeugt auch der Untertitel des vorliegenden Werkes noch von diesem Umstand.

In einem Appendix 'Olympias and the sources' (125-137) diskutiert Carney das Olympias-Bild bei den antiken Autoren, wobei ein Schwerpunkt auf Plutarch liegt, der nach der Autorin 'uncomfortable with aggressive and politically active women' (134) war und dementsprechend die Königin negativ zeichnete. Es schließen sich ausführliche Anmerkungen (140-196), eine Bibliographie und ein Index an.

Carney ist eine solide und gut lesbare Biografie gelungen, die vor allem in den Passagen nach Alexanders Tod überzeugt. Differenziert werden die Quellen auf Genderstereotype abgeklopft, wodurch zum Teil jedoch ein eher apologetisches Bild der makedonischen Königin entsteht, deren Handlungen in jedem Fall rational erklärt werden sollen. Besondere Aufmerksamkeit gebührt den Kapiteln, die Olympias gerade nicht in Bezug auf Alexander zeigen, sondern nach dessen Tod die Möglichkeiten analysieren, die sich auch für eine Frau ergaben, in die Sukzessionswirren einzugreifen, obwohl - oder vielleicht auch gerade weil sie keine Militärmacht eigenständig führen konnte. Die Monographie bleibt in weiten Teilen der klassischen Frauenforschung verhaftet, Frauen überhaupt erst sichtbar zu machen; hier wäre es vielleicht reizvoller gewesen, im Sinne neuer biographischer Forschungen anhand eines (hier weiblichen) Protagonisten die Spezifika einer bestimmten Gesellschaft und Kultur erklären zu können - so bleibt die Studie eher konventionell mit Blick auf eine Heldin gerichtet.

Ann-Cathrin Harders