Rezension über:

Lotte Kurras / Werner Taegert: Axel Oxenstiernas Album amicorum und seine eigenen Stammbucheinträge. Reproduktion mit Transkription und Kommentar, Stockholm: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien 2004, VIII + 179 S., ISBN 978-91-7402-341-1, SKR 120,00
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Rezension von:
Heiko Droste
Södertörn Högskola, Stockholm
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Heiko Droste: Rezension von: Lotte Kurras / Werner Taegert: Axel Oxenstiernas Album amicorum und seine eigenen Stammbucheinträge. Reproduktion mit Transkription und Kommentar, Stockholm: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien 2004, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/11164.html


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Lotte Kurras / Werner Taegert: Axel Oxenstiernas Album amicorum und seine eigenen Stammbucheinträge

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Das Album Amicorum Axel Oxenstiernas ist eine bisher wenig bekannte Quelle zur Biographie des zweifellos größten schwedischen Politikers seiner Zeit. Oxenstierna (1583-1654) war von 1612 bis zu seinem Tod mehr als 40 Jahre lang Reichskanzler Schwedens. In dieser Zeit gestaltete er maßgeblich den Aufstieg Schwedens zur Großmacht, zunächst in enger Abstimmung mit Gustav II. Adolf (1611-1632), dann als Leiter der Vormundschaftsregierung für Königin Christina (1632/44-1654). Unter ihrer Regierung nahm sein Einfluss allerdings allmählich ab; er starb wenige Monate nach ihrer Abdankung.

Oxenstiernas Gestaltungswille lässt sich in praktisch allen administrativen und gesellschaftlichen Feldern nachweisen. Viele Institutionen der schwedischen Großmachtzeit gehen auf seine Entwürfe zurück, die er zum Teil mehrfach überarbeitete, wenn ihnen kein unmittelbarer Erfolg beschieden war. Er befand sich zudem im Zentrum der höfischen Elite und nutzte seine starke Stellung als Reichskanzler aus, um sich und seiner weit verzweigten Familie Einfluss zu verschaffen.

Grundlage dieses humanistisch gebildeten Politikers war unter anderem eine mehrjährige Studienreise durch das Heilige Römische Reich. Im Jahr 1599 schrieb er sich als 15-jähriger an der Universität Rostock ein, im Folgejahr an der Universität Wittenberg. Auf den Wechsel nach Jena im Jahr 1602 folgte noch eine Reise durch Süddeutschland und die Schweiz, bevor er im Herbst 1603 nach Schweden zurückkehrte.

Diese akademische Peregrinatio ist in ihren Verlauf typisch für den schwedischen Adel seiner Zeit, auch wenn um 1600 erst wenige Vertreter des ohnehin kleinen schwedischen Adels die große Tour unternahmen. [1] Sie war typisch in Bezug auf die Wahl der Studienorte, ihre Dauer sowie die abschließende Reise durch Teile Europas. Beeinflusst von den Gebräuchen in Schweden wie im Heiligen Römischen Reich [2] legte Oxenstierna ein Stammbuch an, das er nur in den Jahren 1600 bis 1603 führte. Es enthält 67 Einträge, die in der vorliegenden Ausgabe chronologisch geordnet ediert und faksimiliert werden.

Von den 67 Einträgen stammen 31 von Professoren, Pfarrern und Lehrern, weitere 31 von Studenten, die restlichen fünf fallen außerhalb des akademischen Feldes. 20 der 67 Einträge sind von Schweden verfasst, die restlichen 47 von Schreibern deutscher Herkunft. Wie in anderen Stammbüchern der Zeit sind die meisten Einträge in lateinischer Sprache verfasst. Hinzu kommen zwölf griechische und vier hebräische, je ein syrischer, finnischer und schwedischer Eintrag. Fast alle Einträge sind Zitate antiker Autoren (27) oder der Kirchenväter (16). Hinzu kommen biblische (16) wie juristische Texte und Zitate zeitgenössischer Humanisten. Nur wenige Einträge sind für das Stammbuch entworfen. Vor allem die Einträge aus der Rostocker Studienzeit belegen das intensive theologische Interesse Oxenstiernas.

Die Edition weist die Schreiber, Autoren sowie die zitierten Texte nach und gibt sie im Original sowie in einer deutschen Übersetzung wieder. Das geschieht mit großer Sorgfalt, wobei zusätzlich noch einige Einträge Oxenstiernas in den Stammbüchern anderer Studenten ediert werden. Die Edition bietet somit Material für eingehendere Studien. Die Einleitung zum Genre Stammbuch, zur Reise Oxenstiernas sowie zur Bewertung des Stammbuchs (1-5) leitet diese Analyse freilich nur an.

Oxenstierna behielt das Stammbuch in den 50 Jahren nach der Studienzeit offenbar in seiner Nähe. Es wurde über 100 Jahre nach seinem Tod in seinem Grabgewölbe in der Kirche von Jäder (bei Eskilstuna) gefunden. Die aufwändig gestaltete Edition bietet einen Zugang zu den Wanderjahren eines umfassend gebildeten Politikers, der sich für Fragen der Theologie ebenso interessierte wie für das Recht, die Politik und die Geschichte.


Anmerkungen:

[1] Simone Giese: Peregrinatio academica oder Kavalierstour - Bildungsreisen des schwedischen Adels zu Beginn der Frühen Neuzeit, in: Gemeinsame Bekannte. Schweden und Deutschland in der frühen Neuzeit, hg. von Ivo Asmus / u.a., Münster 2003, 81-104.

[2] Werner Wilhelm Schnabel: Das Stammbuch. Konstitution und Geschichte einer textsortenbezogenen Sammelform bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts, Tübingen 2003.

Heiko Droste