Wolfgang Schmale / Martin Gasteiner / Jakob Krameritsch u.a.: E-Learning Geschichte, Wien: Böhlau 2007, 219 S., ISBN 978-3-205-77496-9, EUR 19,90
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Bei der Feststellung, dass der Computer auch in der traditionell buchorientierten Geschichtswissenschaft Einzug gehalten hat und unverzichtbar geworden ist, handelt es sich um eine Binsenweisheit. Wie dies das Studium verändert und die akademische Lehre beeinflusst bzw. beeinflussen könnte und sollte, untersucht das (gedruckte) Buch "E-learning Geschichte" von Autoren, die sich der "elektronischen Wiener Schule" (9) zurechnen. Zunächst wird "E-Learning im Fach Geschichte" in Beziehung gesetzt zu den "Herausforderungen des 21. Jahrhunderts", womit zum einen die europaweite Studienreform (Stichwort "Bologna"), zum anderen der oben erwähnte Siegeszug des Internets gemeint sind (Kapitel 1). Nach einer näheren Auseinandersetzung mit dem Begriff des "E-Learning" (Kapitel 2) und Ausführungen zu aktuellen "strategischen Optionen" einzelner Hochschulen in diesem Bereich (Kapitel 3) werden einzelne "Webbasierte Lernobjekte im Fach Geschichte" vorgestellt (Kapitel 4) sowie das "Bauen hypertextueller Gebilde" dem Leser als "hohe Kunst des E-Learning" empfohlen (Kapitel 5).
Die besondere Stärke des Buches liegt in der Präsentation geeigneter "webbasierter Lernobjekte"(115ff.). Die Zusammenstellung einschlägiger Lernangebote ist außerordentlich anregend, da sie mit Vorschlägen für den Einsatz in der akademischen Lehre kombiniert, das dabei angezeigte Vorgehen hinlänglich konkret darstellt wird und auch mögliche Schwierigkeiten nicht verschwiegen werden. Zudem erörtern die Autoren - vor allem im Kapitel "Strategische Optionen" - technische Fragen.
Diese verschiedenen Angebote werden mit Hilfe einer einfachen Einteilung kategorisiert (46-52): Primäre webbasierte Lernobjekte sind durch eine "a priori festgelegte didaktische Struktur" (50) gekennzeichnet, bieten also in sich geschlossene, nicht veränderbare Lernangebote. Demgegenüber eröffnen sekundäre webbasierte Lernobjekte den Nutzern einen größeren Gestaltungsspielraum, indem die - etwa im Kontext einer Lehrveranstaltung zur Verfügung gestellten - Materialien zwar für den Lernprozess aufbereitet, jedoch frei auswählbar und kombinierbar sind. Den tertiären Lernobjekten fehlen hingegen "mediendidaktische Vorschläge für den bildungsinstitutionellen Einsatz" (51). Den Autoren erscheint dabei die Erstellung von Hypertexten und die "Entwicklung von Hypermedianetzwerken" (185) als zukunftsweisende Perspektive (169ff.).
Erweist sich diese Einteilung als hilfreiches heuristisches Schema, spiegelt sich in den Passagen des Buches, die sich den grundsätzlichen Fragen des "E-Learning" widmen, die Uneinheitlichkeit der Terminologie wider, die in diesem Bereich herrscht. So sichten die Autoren die verwendeten Begriffe und widmen sich immer wieder ihrer Abgrenzung und Präzisierung. Die Definition des Begriffes "E-Learning" - "Was ist E-Learning?" (35ff.) - führt dabei allerdings zu der wenig befriedigenden Feststellung, dass es sich um einen "Oberbegriff für alle Varianten von internetbasierten Lehr- bzw. Lernangeboten" (39) handelt. Es stellt sich dabei nicht nur die Frage, ob der Ausschluss anderer Angebote auf festen Datenträgern nicht eine unnötige Einschränkung ist, sondern es ergibt sich daraus das grundsätzliche Problem, was "E-Learning" von "Nicht-E-Learning" unterscheidet, d. h. welche Qualifikationen in diesem Bereich - und nur in diesem Bereich - erworben werden können. Die Autoren postulieren in diesem Zusammenhang die Existenz einer "E-Medienkompetenz" (54ff.), deren fachspezifische Ausprägung mitunter als "historische Online-Kompetenz" (Jan Hodel) (61f.) begegnet. Diese setzt sich jedoch aus disparaten Elementen zusammen. So zählen die "Kontextualisierung und Historisierung von Netz-Praxen" ebenso dazu wie das "Bewusstsein über die strukturellen Änderungen, die die Geschichtswissenschaft erfährt" (62). Ist Letzteres aber ein spezifisches Ergebnis des E-Learning?
Gerade weil es sich, wie die Autoren hervorheben, beim Vordringen elektronischer Medien nicht nur um eine "Systemmodifikation", sondern sogar um eine "Systemtransformation" handelt (17-27), wäre eine genauere Bestimmung wünschenswert. Diese ist aber vielleicht gerade deshalb nicht leistbar, weil sie aus einem laufenden Prozess heraus geschehen müsste. Ob sich allerdings die "Vision" bewahrheitet, dass ein "neues Beziehungssystem" entsteht, "das aus den Komponenten Netzwerkzivilisation, Konzeptualisierung der Geschichtswissenschaft als Wissenschaft geschichtlicher Kohärenzen im Netzwerk und ihrer Zeitschichten, Web als Netzwerkmedium und dem hypertextuellen, fluiden, volatilen Individuum besteht" (27), bleibt abzuwarten. Die so formulierten "kulturellen Implikationen" des E-Learning Geschichte sind anscheinend der selbst auferlegten "Stildiät" (31) der Autoren entgangen, hätten es aber verdient, ausführlicher expliziert zu werden.
Gleichwohl haben die Autoren das selbst gesteckte Ziel, "bezogen auf das Fach Geschichte die Grundlagen von E-Learning" (31) darzustellen, durchaus erreicht und bieten viele Anregungen für Innovationen des Studiums und der gängigen akademischen Lehre.
Ulrich Baumgärtner