Rezension über:

Peter Klammer: Coitus cum diabolo. Der Mooshamer Hexenprozess von 1688/89 (= Historia Lungauiensis; Bd. 1), Mariapfarr: Peter Klammer 2006, 160 S., ISBN 978-3-9502084-0-5, EUR 24,90
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Rezension von:
Walter Rummel
Landesarchiv Speyer, Speyer
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Walter Rummel: Rezension von: Peter Klammer: Coitus cum diabolo. Der Mooshamer Hexenprozess von 1688/89, Mariapfarr: Peter Klammer 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 1 [15.01.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/01/10927.html


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Peter Klammer: Coitus cum diabolo

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Die von Peter Klammer in seinem Buch geschilderten Ereignisse spielten sich im späten 17. Jahrhundert im salzburgischen Moosham ab, dem Amtsort des zuständigen Beamten, genauer: auf dem noch heute erhaltenen Schloss Moosham, wo die Angeklagten inhaftiert, verhört und auch gefoltert wurden. Die 11 Angeklagten (sieben Frauen, vier Männer) stammten allesamt aus dem Bergbauort Ramingstein im Salzburger Land (Lungau), sie waren zwischen 16 und fast 60 Jahre alt, sie waren fast alle aufgrund ihrer Armut auf das Betteln angewiesen und mehrheitlich durch körperliche Gebrechen stigmatisiert. Nur zwei von ihnen blieben trotz Folterung ungeständig und mussten daher freigelassen werden; die übrigen fanden den Tod durch ein eigens von Salzburg nach Moosham geschafftes "Fallbeil", ihre Körper wurden anschließend verbrannt.

Den 11 Angeklagten gegenüber gestanden hatte als örtlicher Vertreter der Herrschaft der "Pfleger" Johann Franz Schafmann, ein Amtsträger, der in seiner gesamten Dienstzeit von 1682 bis 1710 35 Personen wegen Hexerei auf den Scheiterhaufen brachte, und ein nicht weniger hart auftretender Landrichter. Mit von der Partie war jedoch im hier beschriebenen Prozess bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine Abordnung von zwei Kommissaren des Salzburger Hofrates.

In Klammers Darstellung lassen sich einige zentrale Diskussionspunkte der neueren Hexenforschung wiedererkennen: Wie gestaltete sich das Verhältnis von lokalen Eliten und zentraler Herrschaft, welche Rolle hatten herrschaftliche Motive, welche Bedeutung kam den auf herrschaftlicher Seite handelnden Personen zu? Schließlich noch die Frage nach dem gesellschaftlichen Hintergrund: Waren Hexenprozesse eine Antwort der Obrigkeit auf das zunehmende Bettelwesen? Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die lokale Ebene in der Person des Pflegers Schafmann die treibende Kraft hinter der Aktion war, und wenn es allein nach ihm gegangen wäre, dann hätte man auch die beiden ungeständigen Frauen noch zum Geständnis gebracht. Allein das 'Nein' des Hofrates hatte dies verhindert, obwohl der Umstand, dass er sich schon sehr früh direkt vor Ort eingeschaltet und zwei Kommissare entsendet hatte, ansonsten nicht im Sinne einer Intervention verstanden werden kann, welche sich gegen die örtlich Verantwortlichen gerichtet hätte; denn dafür teilten die Hofräte offenbar zu sehr die gleichen Anschauungen hinsichtlich Hexerei wie die Verantwortlichen vor Ort.

Hier liegen wohl die Motive für das Vorgehen der Obrigkeit, indem der Pfleger nur durch ein einziges Gerücht aus einer Diebstahlsuntersuchung einen Hexenprozess gemacht und durch die unvermeidliche Frage nach den Komplizen am Ende 11 Personen in Haft gebracht hatte. Dies und der Umstand, dass die Personen aus dem ohnehin unter argwöhnischer Beobachtung stehenden Bettelmilieu kamen, lässt vermuten, dass sich lokale und zentrale Obrigkeit darin einig waren, ein Exempel statuieren zu müssen. Dem entspricht, dass es nach den Hinrichtungen von 1689 zu keinen direkten Nachfolgeprozessen kam, obwohl die Geständnisse genügend Beschuldigungen, die sich entsprechend hätten nutzen lassen, enthielten. Es waren Akte "demonstrativer Herrschaftsübung" (Rita Voltmer) in sozialdisziplinierender Absicht. Die Folter war von zentraler Bedeutung, nur eines der neun Geständnisse wurde außerhalb der direkten Folter gemacht (zum ebenfalls erfolterten Geständnis der Maria Trattnerin vgl. 52 mit 28).

Schwieriger ist die Rolle der Gesellschaft einzuschätzen, die sich bis auf die Diebstahlsanzeige hier wohl deutlich zurückgehalten hat. Ob die Angeklagten über das gemeinsame Schicksal des Bettelns auch direkt in näheren Beziehungen standen, ist ebenfalls nicht klar. "Nur gelegentlich" hätten sie sich getroffen (11), wofür der Autor aber nur die Geständnisse bzw. die darin enthaltenen Erzählungen über die Teilnahme an den fiktiven Hexentänzen anführen kann, ein methodisch problematischer Schluss, vor dem der Autor an anderer Stelle (15) zu Recht warnt. Denn es ist tatsächlich bisweilen fast unmöglich, aus den überlieferten Dokumenten "Realität von Fiktion zu trennen" (15), insbesondere dann, wenn die Aussagen unter der Androhung oder dem reellen Einsatz der Folter erzwungen wurden.

Die von Peter Klammer beschriebenen Ereignisse sind bereits, wie der Autor in seinem wissenschaftlichen Apparat anführt, 1939 von Fritz Byloff und zuletzt 1994 von Norbert Schindler untersucht und dargestellt worden. Klammers Büchlein, mit allen Quellennachweisen und einem nützlichen Glossar versehen, hat trotzdem seine Berechtigung, weil es in anschaulicher und plausibler Weise den Verlauf der Ereignisse von Anfang bis zum bitteren Ende erzählt und damit gerade den nichtwissenschaftlich orientierten, gleichwohl interessierten Leserkreis auf seriöse Weise anspricht. Lediglich zur ideologischen Seite der ganzen Geschichte, auf die ja gerade der Titel des Buches anspielt, also die spezifische Vorstellung von der Hexensekte, deren Mitglieder mit dem Teufel auch sexuell verbunden gewesen sein sollen, würde man sich als unbedarfter Leser doch noch einige Erklärungen wünschen.

Walter Rummel