Rezension über:

Max Schultheiss: Institutionen und Ämterorganisation der Stadt Schaffhausen 1400-1550, Zürich: Chronos Verlag 2006, 348 S., ISBN 978-3-0340-0776-4, EUR 38,80
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Rezension von:
Oliver Landolt
Staatsarchiv des Kantons Schwyz, Schweiz
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Oliver Landolt: Rezension von: Max Schultheiss: Institutionen und Ämterorganisation der Stadt Schaffhausen 1400-1550, Zürich: Chronos Verlag 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 7/8 [15.07.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/07/10255.html


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Max Schultheiss: Institutionen und Ämterorganisation der Stadt Schaffhausen 1400-1550

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In der heutigen Zeit sind verwaltungsgeschichtliche Arbeiten in der weitgehend universitär geprägten geschichtswissenschaftlichen Forschung - mit einzelnen Ausnahmen - weitgehend verpönt. Mit einem relativ hohen Arbeitsaufwand verbunden, setzen solche Arbeiten zumeist zeitaufwendige Besuche in lokalen Archiven voraus. Durch die strukturell zeitlich sehr eingeschränkten universitären respektive staatlichen Stipendien sind solche umfangreichen Archivstudien zumeist nicht finanzierbar. Zudem gelten in der modernen Forschungslandschaft, die in sehr starkem Maße Konjunkturen unterworfen ist, verwaltungsgeschichtliche Arbeiten als nur wenig attraktiv. Obwohl mit diesen Studien Grundlagen für weitere Forschungen geboten werden, ist die Rezeption solcher Untersuchungen in der Regel gering. Vielleicht ist dies so, weil diese Studien nur wenig spektakuläre Ergebnisse liefern; Ergebnisse allerdings, die nicht selten Basiswissen für weitere Forschungen bieten können.

Die zu besprechende Züricher Dissertation ist eine Arbeit, die in quellennaher Betrachtung die Verwaltungsstrukturen der spätmittelalterlichen Stadt Schaffhausen beschreibt. Der Verfasser hat nicht nur die normativ überlieferten Quellen Schaffhausens berücksichtigt, sondern auch die seit 1467 erhaltenen Rats- und Gerichtsprotokolle wie vor allem auch die schon seit 1396 überlieferten Stadtrechnungen einbezogen. Eine solche breite Quellenlage erlaubt einen tiefen Einblick in das Funktionieren einer spätmittelalterlichen Stadt, wie der Rezensent selber in einer Arbeit zu den finanziellen Verhältnissen in der spätmittelalterlichen Stadt Schaffhausen nachweisen konnte. [1] Die Stadt Schaffhausen stellt hierbei einen besonders interessanten Untersuchungsgegenstand dar: An der in mittelalterlicher Zeit bedeutenden Handelsroute am Rhein und insbesondere an dem die Schifffahrt behindernden Rheinfall gelegen, erlangte die im 11. Jahrhundert größere Dimensionen annehmende Siedlung mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im Hochmittelalter eine immer wichtigere Stellung. 1045 wurde Schaffhausen das Münzrecht verliehen; nur kurze Zeit später gründete Graf Eberhard von Nellenburg die bekannte Benediktinerabtei Allerheiligen, die im Laufe der Zeit Stadtherrin wurde. Im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert konnte die erstarkende Bürgerschaft die Vorherrschaft des Klosters Allerheiligen allmählich unterminieren und eigenständige kommunale Strukturen entwickeln. Noch im 13. Jahrhundert erlangte Schaffhausen sogar den Status einer Reichsstadt. Zwischen 1330 und 1415 war Schaffhausen an Habsburg verpfändet. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts suchten die österreichischen Machthaber den Zugriff auf die innenpolitischen Verhältnisse mit der Entmachtung der Familie von Randenburg, welche das Schultheißenamt in Erblehensweise verwaltete, durch die Einsetzung eines Stadtvogtes zu ihren Gunsten zu verändern. Nach Wiedererlangung der Reichsfreiheit 1415 musste sich Schaffhausen wiederholt gegen abermalige habsburgische Unterwerfungsversuche behaupten, wobei die Rheinstadt vor allem den Anschluss an verschiedene süddeutsche Städtebünde zur Bewahrung ihres reichsstädtischen Status suchte.

Die Verwicklung in den süddeutschen Städtekrieg in der Mitte des 15. Jahrhunderts mit einer gewaltigen städtischen Verschuldung führte schließlich zu einer Annäherung an die Eidgenossenschaft: 1454 wurde die Stadt zugewandter eidgenössischer Ort, d.h. die Stadt war zwar mit den eidgenössischen Städte- und Länderorten verbündet und nahm an deren Kriegszügen teil; an den gemeinsamen Eroberungen wurde die Kommune allerdings nicht beteiligt und hatte auch keine Stimme an den Tagsatzungen. 1501 wurde dann Schaffhausen als vollberechtigter zwölfter Stand in die Eidgenossenschaft aufgenommen. Innenpolitisch von besonderer Bedeutung war die Einführung einer Zunftverfassung im Jahre 1411. Vor allem seit der zweiten Hälfte des 15. und bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts konnte Schaffhausen - im Vergleich zu anderen eidgenössischen Stadtstaaten mit großen Territorien wie Bern, Luzern oder Zürich - ein kleines Territorium erwerben.

Innerhalb dieser Koordinaten entwickelten sich im Laufe des Spätmittelalters umfangreiche Verwaltungsstrukturen, welche Einblick in das Funktionieren einer spätmittelalterlichen Stadt mittlerer Größe geben. Vom Bürgermeisteramt über den Kleinen wie Grossen Rat, dem Gerichtswesen, der städtischen Kanzlei mit dem bedeutenden Stadtschreiberamt, der Finanzverwaltung, dem Bau- und Militärwesen, dem Schul- und Gesundheitswesen, bis hin zum Frauenwirt bzw. der Frauenwirtin und dem Totengräber- und Abdeckeramt wie auch dem Scharfrichter werden die unterschiedlichsten Ämter innerhalb des städtischen Gemeinwesens in quellennaher Genauigkeit deskriptiv behandelt. Verblüffend ist dabei die Vielzahl dieser Beamtungen, welche in einer spätmittelalterlichen Stadt mit einer Bevölkerungsgröße zwischen 3.000 und 4.000 Einwohnern zu vergeben waren. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, am Ende des Untersuchungszeitraumes, arbeiteten wohl rund 100 bis 150 voll- und teilamtlich beschäftigte Personen im Dienste der Stadt.

Zu monieren sind kleinere Ungenauigkeiten, welche vor allem aus einem Mangel des Einbezugs spätmittelalterlicher Religionsvorstellungen zu erklären sind: So wird etwa bemerkt, dass die ausführliche Gesetzgebung zur Fischerei und zum städtischen Fischverkauf vor allem im Zusammenhang mit der geographischen Lage Schaffhausens am fischreichen Rhein zu erklären sei. Tatsächlich müssen aber vor allem auch die durch die Kirche vorgegebenen Fastenvorschriften als ein für die Gesetzgebung motivierendes Moment erwähnt werden. Ebenso wird zwar das Amt eines durch die Stadt besoldeten Wetterläuters erwähnt, aber nirgends dessen Bedeutung für die spätmittelalterlichen Menschen näher erläutert. Denn in den religiös-magischen Vorstellungen der Zeit übte der Wetterläuter ein wichtiges Amt zum Schutz des kommunalen Gemeinwesens aus: Die Stadt wie die umliegende Landschaft sollten durch das Glockengeläut vor Unwettern und vor der Vernichtung der Ernte geschützt werden. Ebenso wäre eine stärkere Einbettung der Schaffhauser Verhältnisse in die allgemeine Verwaltungsgeschichte in vergleichender Weise begrüßenswert gewesen, und auch der Einbezug theoretischer Überlegungen zur Verwaltungsentwicklung in historischer Perspektive muss als Minuspunkt innerhalb der Arbeit gewertet werden. Als Stichworte sollen hier Max Weber wie vor allem aber auch neuere verwaltungstheoretische Arbeiten erwähnt werden.

Trotz dieser wenigen Einwände stellt die Untersuchung eine wichtige Studie in der stadtgeschichtlichen Forschung mit ihren vielfältigen Informationen dar. Nicht nur für den Lokal- und Regionalhistoriker bietet die Arbeit zahlreiche Einblicke in den Verwaltungsalltag einer spätmittelalterlichen Kommune, sondern ganz allgemein sind diese Forschungen über die Zustände in der spätmittelalterlichen Stadt Schaffhausen hinaus ein Gewinn für jeden Stadthistoriker, welcher sich mit städtischen Verwaltungsstrukturen beschäftigt.


Anmerkung:

[1] Oliver Landolt: Der Finanzhaushalt der Stadt Schaffhausen im Spätmittelalter (= Vorträge und Forschungen; Sonderbd. 48), Ostfildern 2004.

Oliver Landolt