Rezension über:

Tessa Rajak / Sarah Pearce / James Aitken / Jennifer Dines (eds.): Jewish Perspectives on Hellenistic Rulers (= Hellenistic culture and society; Vol. 50), Oakland: University of California Press 2007, xiv + 363 S., ISBN 978-0-520-25084-0, GBP 29,95
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Rezension von:
Federicomaria Muccioli
Dipartimento di Storia Antica, Università di Bologna
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Federicomaria Muccioli: Rezension von: Tessa Rajak / Sarah Pearce / James Aitken / Jennifer Dines (eds.): Jewish Perspectives on Hellenistic Rulers, Oakland: University of California Press 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 2 [15.02.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/02/14318.html


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Tessa Rajak / Sarah Pearce / James Aitken / Jennifer Dines (eds.): Jewish Perspectives on Hellenistic Rulers

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Der anzuzeigende Band ist der fünfzigste in der Reihe Hellenistic Culture and Society. Er enthält nahezu alle Beiträge, die beim Kolloquium Representations of Hellenistic Kingship im Frühjahr 2003 vorgetragen worden sind (im Rahmen des research project The Greek Bible in the Graeco-Roman World; vgl. IX-X). Einer Einleitung von Tessa Rajak (1-9) folgen vier Themenbereiche (Theories and Practices of Hellenistic Rulers; Rulers in Greek-Jewish Texts; Light from the Septuagint Translators?; Ideologies of Jewish Rule) mit insgesamt 16 Aufsätzen. Den Schluss bilden Bibliografie, Autorenliste und drei Stichwortverzeichnisse.

Die Sammlung ist sorgfältig aufbereitet, die Stichwortverzeichnisse sind hinreichend detailliert. Wenngleich die Aufsätze hochspezielle Fragestellungen zum Gegenstand haben, sind sie gut verständlich und von hoher Qualität, der auch einige wenige Versehen und Druckfehler keinen Abbruch tun. [1]

Das Thema des Bandes ist zweifelsfrei faszinierend, wurde aber bislang nur ansatzweise in seiner gesamten Komplexität erforscht. In der Tat finden sich Untersuchungen zur Darstellung der hellenistischen Herrscher in der Literatur jüdischer Herkunft meistens nur begrenzt auf bestimmte Texte (wie das Buch Daniel, 1. und 2. Makkabäerbuch sowie den Aristeasbrief) und bestimmte Zeiträume oder Herrscher (insbesondere Antiochos IV.). Zwar sind diese Untersuchungen fraglos von grundlegender Bedeutung, gehen aber oftmals der besonderen Problematik und den interpretativen Schattierungen, die eine solche Fragestellung mit sich bringt, nicht im vollen Umfange nach. Das Verhältnis zwischen jüdischer Gedankenwelt in ihren zahlreichen Erscheinungsformen und der Ideologie des Königtums des Hellenismus ist weit differenzierter als Forscher gemeinhin anzuerkennen bereit sind. Sie neigen mitunter im Hinblick auf die politische, soziale und auch kulturelle Dynamik der diversen jüdischen Gemeinschaften zur Banalisierung oder Verallgemeinerung.

In jüngster Zeit ist jedoch die begrüßenswerte Tendenz festzustellen, das Hellenismus-Konzept sachlich zu hinterfragen. Denn die zu beleuchtende Periode zeichnet sich durch (im umfassenden Sinne) kulturelle und politische transferts aus, welche auch die jüdisch-hellenistischen Dynastien betroffen haben. [2] In diesen Kontext reiht sich der hier besprochene Band ein. Die einzelnen Aufsätze erschließen dem Hellenismus-Forscher aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Dynamik dieses kulturellen Austauschs zwischen jüdischer Gedankenwelt sowie jüdischer Literatur und dem Königtum der Nachfolger Alexanders des Grossen (werden doch auch die persischen Herrscher und die Parther in die Untersuchung einbezogen: Erich Gruen: Persia through the Jewish Looking-Glass, 53-75; Richard Fowler: Kingship and Banditry. The Parthian Empire and Its Western Subjects, 147-162; vgl. Tessa Rajak in der Einleitung, 3).

Da es leider nicht möglich ist, eingehend über alle Beiträge zu referieren, muss ich mich darauf beschränken, einige Anmerkungen allgemeiner Natur zu machen und Hinweise auf Aspekte zu geben, die mir von besonderer Relevanz für die Diskussion zu sein scheinen.

Dem ersten Abschnitt kommt im Hinblick auf die in dem Band enthaltenen Studien vorbereitender Charakter zu. Hier findet sich der Beitrag von Oswyn Murray (Philosophy and Monarchy in the Hellenistic World, 13-28), der das Problem des Schrifttums über das Königtum (welches bekanntlich nicht nur die hellenistische Epoche betrifft) [3] einer neuerlichen Untersuchung unterzieht und nützliche Reflexionen zu der Frage enthält, inwieweit den Schriften und dem Werk der Philosophen tatsächlicher Einfluss auf die hellenistischen Herrscher zukam. Der Autor hält dabei einen solchen tatsächlichen Einfluss im Ergebnis jedenfalls für möglich; Murray zeigt sich im Übrigen im Wesentlichen agnostisch im Hinblick auf die hellenistische Datierung des sogenannten pseudopitagorischen Schrifttums von Diotogenes, Ekphantos und Sthenidas. [4] Es folgt sodann ein Beitrag von Jane Rowlandson zur ptolemäischen Verwaltungsstruktur (The Character of Ptolemaic Aristocracy. Problems of Definition and Evidence, 29-49). Zu unterstreichen ist, dass es angezeigt gewesen wäre, diese gut dokumentierte Arbeit (welche die stets wachsende Bedeutung der ägyptischen Elite in der ptolemäischen Gesellschaft hervorhebt) um einen weiteren, zusammenfassenden Text über die historisch-institutionellen Aspekte der Seleukiden und deren Beziehungen - auf allen Ebenen - zu den Monarchien jüdischer Herkunft (allen voran die Dynastie der Hasmonäer) zu ergänzen. [5]

In den nachfolgenden Teilen des Bandes wird der Ansatz deutlich, in erster Linie literarische Texte unter linguistischen Aspekten zu analysieren. Dabei werden jedoch auch spezifisch historische und historiografische Gesichtspunkte berücksichtigt. Der dritte Teil des Bandes zeigt interessante Forschungsthemen zur Rolle und Funktion der Übersetzer auf und diskutiert die Folgen (auch politisch-propagandistischer Natur) der Übersetzung der heiligen Schriften in die griechische Sprache (insbesondere im Hinblick auf die Übersetzung der Fachbegriffe im politischen Alltag). In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Beitrag von Lester Grabbe (The Terminology of Government in the Septuagint - in Comparison with Hebrew, Aramaic, and Other Languages, 225-237), der für die Forscher der politischen Institutionen im Hellenismus, vor allem im Ptolemäerreich and im Königreich Syrien, von Nutzen ist. Sarah Pearce hingegen stellt die These von Elias J. Bickerman [6] über die 'politische' Valenz der Übersetzung in die griechische Sprache des Pentateuch und die daraus resultierende Absicht, den Ptolemäern zu huldigen, auf den Prüfstand; im Ergebnis neigt die Autorin dazu, diese zu relativieren (Translating for Ptolemy. Patriotism and Politics in the Greek Pentateuch?, 165-189).

Eines der größten Verdienste dieses Buches ist es, die Aufmerksamkeit der Nicht-Spezialisten auf eine Reihe von Werken verschiedener Herkunft zu lenken, von denen einige häufig nicht angemessen gewürdigt werden: Das gilt z.B. für das Buch Ecclesiasticus (Benjamin Wright: Ben Sira on Kings and Kingship, 76-91). Andere Dokumente werden nur kursorisch abgehandelt, wenngleich auch diese für das Forschungsthema von Interesse sind (wie die Sybillischen Orakel, sie werden von Gruen und Rajak besprochen). [7]

Wichtig ist auch die Problematik des Grades der historischen Glaubhaftigkeit bestimmter Texte. In der Forschung ist oft die Tendenz zu Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Umstände festzustellen, wie sie z.B. in 2. Makkabäer ausgeführt werden [8]; dieses Werk enthält zweifelsfrei zahlreiche Überarbeitungen und Fälschungen, die auch mit der kompositorischen Entstehungsgeschichte des Werks zusammenhängen. Es sollte daher einer erneuten, aufmerksameren Würdigung unterzogen werden, insbesondere im Bezug auf die Beziehungen zwischen Ptolemäern und Seleukiden und den diesbezüglichen Kulturaustausch. Das 2., aber auch das 1. Makkabäerbuch eignen sich für einen Vergleich mit den offiziellen Dekreten der Ptolemäer zur Darstellung der Königsideologie. Dies hat Jan Willem van Henten unterstrichen, der sich unter anderem mit der monatlichen Feier des Geburtstags von Antiochos IV. auseinandersetzt, wie sie dort beschrieben wird (2 Makk., 6, 7: Royal Ideology. 1 and 2 Maccabees and Egypt, 265-282, speziell 273-274). Eine solche Praxis wäre für die Seleukiden ungewöhnlich gewesen. Sie ist daher als 'problematic' anzusehen und wird von van Henten angezweifelt; im Hinblick auf die Persönlichkeit dieses Herrschers ist aber gut möglich, dass wir es hier mit einem von den Lagiden übernommenen Ritual zu tun haben.

Wenngleich die den literarischen Texten gewidmete Aufmerksamkeit bei weitem überwiegt, bietet der Band auch einen Vergleich mit den literarischen Quellen griechisch-römischen Ursprungs und der papyrologischen und epigrafischen Dokumentation. [9] Eine Übersicht über die archäologische Dokumentation bietet der Artikel von Douglas Edwards (Constructing Kings - from the Ptolemies to the Herodians. The Archaeological Evidence, 283-293).

Im Ergebnis enthält Jewish Perspectives on Hellenistic Rulers viele neue und anregende Analysen. Wer die Beschäftigung mit dem hellenistischen Königtum sowie der mit diesem verbundenen Propaganda beabsichtigt und dabei nicht kurzsichtig oder einseitig verfahren will, wird nicht umhin können, die Darstellungen der jüdischen Quellen sowie die Ansätze und Arbeitshypothesen in diesem Band zu berücksichtigen.


Anmerkungen:

[1] Z.B. 138 (Demetrios Poliorketes, nicht Demetrios Monophthalmos); 285, 303, 358 (Fischer, nicht Fisher); 286-287 (der Großvater von Antiochos V. ist Antiochos III., nicht Antiochos IV.).

[2] Vgl. Transferts culturels et politique dans le monde hellénistique, sous la direction de Jean-Christophe Couvenhes et Bernard Legras, Paris 2006.

[3] Vgl. Matthias Haake: Warum und zu welchem Ende schreibt man Peri basileias? Überlegungen zum historischen Kontext einer literarischen Gattung im Hellenismus, in: Philosophie und Lebenswelt in der Antike, hg. von Karen Piepenbrink, Darmstadt 2003, 83-138; Ders.: Der Philosoph in der Stadt. Untersuchungen zur öffentlichen Rede über Philosophen und Philosophie in den hellenistischen Poleis, München 2007.

[4] Vgl. jedoch Isabella Andorlini / Raffaele Luiselli: Una ripresa di Diotogene Pitagorico, Sulla Regalità, in PBingen 3 (encomio per Augusto?), in: ZPE 136 (2001), 155-166 (betreffend die mögliche Datierung des Diotogenes im 1. Jahrhundert v.Chr.).

[5] Über die Seleukiden vgl. Tessa Rajak, 2-3 (mit Hinweis auf Per Bilde u.a. (Hg.): Aspects of Hellenistic Kingship, Aarhus 1996).

[6] The Jews in the Greek Age, Cambridge, Mass. / London 1988, speziell 106-108.

[7] Erich Gruen: Persia through the Jewish Looking-Glass, speziell 53, 71, 75 Anm. 35; Tessa Rajak: The Angry Tyrant, 110-127, speziell 114, 126 Anm. 23.

[8] Vgl. zuletzt, Peter Franz Mittag: Antiochos IV. Epiphanes. Eine politische Biographie, Berlin 2006, 61.

[9] Zu unterstreichen ist, dass in der Bibliografie die von Laura Boffo bearbeitete Sammlung (Iscrizioni greche e latine per lo studio della Bibbia, Brescia 1994) fehlt. Grundsätzlich fehlen viele Arbeiten, die in italienischer Sprache verfasst sind (wie z.B. die Arbeiten von Anna Passoni Dell'Acqua zum 3. Makkabäerbuch und dem hellenistischen Herrscher theomachos in der jüdisch-hellenistischen Literatur).

Federicomaria Muccioli