Josef J. Schmid (Hg.): Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Zwischen Prager Frieden und Westfälischem Frieden (= Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe; Bd. 21), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008, XL + 236 S., ISBN 978-3-534-04824-3, EUR 79,90
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Quellensammlungen in Buchform sind nützliche Arbeitsinstrumente. Digitale Ausgaben besitzen freilich den unschätzbaren Vorteil, dass sich in ihnen wesentlich einfacher und schneller nach bestimmten Sachverhalten, Begriffen oder Wortkombinationen suchen lässt. Wo also liegen Vorteil und Sinn des teuren Buchdrucks? Ewige Verfügbarkeit, haptische Interessen, finanzieller Gewinn, Gewohnheit? Der Rezensent weiß es nicht. Nach der Lektüre des Bandes ist er allerdings auch aus inhaltlichen Gründen ein wenig ratlos, denn dieser bietet unter den 49 gedruckten Text(auszüg)en wenig, was nicht ebenso oder vollständiger in anderen modernen Drucken vorhanden ist. Dabei gehören die Jahre zwischen dem Prager und dem Westfälischen Frieden sicherlich nicht zu den besonders gut erschlossenen Zeiträumen der deutschen Geschichte.
Die 17seitige Einleitung des Herausgebers, von denen sich nur sieben Seiten mit dem hier behandelten Zeitraum beschäftigen, ist sicher nicht überdimensioniert. Sie fragt, ob der Krieg ein deutscher Religionskrieg gewesen sei, und will Aspekte "zu einem historischen Enigma" bieten. (1) Für Schmid ist der Dreißigjährige Krieg ein "Ausschnitt - mehr nicht" des umfassenden Konflikts der spätestens mit dem Aufstand der Niederlande 1568 begann und mit dem Frieden von Oliva 1660 endete. (17) Auch dies ist keine neue These, doch die Diskussionen oder nur Hinweise auf die vielen Arbeiten zur allgemeinen Krise des 17. Jahrhunderts oder auf Siegfried H. Steinberg, Josef Engel oder Ronald G. Asch sucht man selbst im 20seitigen Literaturverzeichnis vergeblich. Schmid lässt zudem offen, warum weder die Kriege Karls V. noch diejenigen Ludwigs XIV. zu dieser Epoche gehören. Statt solcher Erwägungen hätte man sich mehr Informationen zu den einzelnen Quellen und ihren Kontexten gewünscht.
Erstaunen muss auch, dass unter dem Gliederungspunkt "Überblick" als erstes ein Quellentext von Friedrich Schiller abgedruckt wird: Es handelt sich um einen 24seitigen Auszug aus seiner gewiss großartigen Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Doch diese bisher unterschätzte Darstellung ist in dem hier genannten Kontext des 17. Jahrhunderts weder im engeren noch im weiteren Sinne eine "Quelle". Hinzu kommt, dass das 5. Buch auch für Schiller ein pflichtschuldig geschriebenes, mehr oder weniger ungeliebtes Anhängsel war. Dies mag es als Überblick geeignet erscheinen lassen, doch warum muss hier eine Geschichtserzählung wiedergegeben werden, die vor fast 220 Jahren entstand und seitdem häufig nachgedruckt wurde? Der 250. Geburtstag "eines der größten deutschen Historiker" (XI) - eine selten gehörte Zuschreibung, die der Rezensent teilt - ist gewiss ein guter Anlass, doch der vorliegende Band ist der falsche Ort, zumal nicht erklärt wird, wie Schiller "uns Heutigen" helfen kann, "die Brücke von der historischen Reflexion zur zeitgenössischen Quelle zu schlagen". (XI) Der Wiederabdruck wird dadurch noch fragwürdiger, dass der zweite Text unter dieser Rubrik tatsächlich eine zeitgenössische Quelle ist: Heberles "Ulmer Zeitregister" zählt allerdings auch nicht zu den unbekannten Texten.
Die restlichen 170 Seiten bieten Quellentexte, die sich mit der "Ausgangslage", der nicht näher ausgeführten "große[n] zeitgenössische[n] Strategie", "Krieg und Kriegsalltag", dem "Militärwesen", dem "geistliche[n] Leben", "Hof und Kultur in Zeiten des Mordens" (sic!) sowie in Frageform mit dem "Ende der Welt" beschäftigen. Die großen Vertragswerke wurden bewusst ausgeklammert (IX), um "anhand einer Reihe von Impressionen 'aus deutschen Landen' ein lebendiges Bild der Zeit entstehen zu lassen" (X). Beendet wird der Quellenteil mit einem "Epilog" - einem weiteren kurzen Auszug aus Schillers 5. Buch zum Westfälischen Frieden. Die Erschließung der einzelnen Texte versucht, diese auch für Laien verständlich zu machen. Hilfreich sind die vielen Kurzbiographien. Das Register - für die Erschließung einer Quellensammlung in Buchform entscheidend - beschränkt sich auf ein Personenregister der in den Quellentexten Handelnden (233), so dass etwa Schiller hier gar nicht auftaucht. Das Quellen- und Literaturverzeichnis bietet - wie oben bereits angedeutet - eine nicht immer schlüssige Auswahl, zeigt aber, wie klein der Kreis der Quellenwerke ist, die für die vorliegende Ausgabe verwendet wurden (XVI).
Der Gesamteindruck ist zwiespältig. Einerseits werden Quellensammlungen in Buchform offensichtlich nachgefragt - warum würden sie sonst gedruckt? Andererseits sollten sie aber doch das eine oder andere Neue bieten, und sie sollten ihre Texte so anordnen und kommentieren, dass der Leser dabei nicht ins Grübeln kommt, was eine "Quelle" ist und warum er dieses und jenes wiederabgedruckt findet.
Georg Schmidt