Thorsten Loch: Das Gesicht der Bundeswehr. Kommunikationsstrategien in der Freiwilligenwerbung der Bundeswehr 1956-1989 (= Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland; Bd. 8), München: Oldenbourg 2008, XIV + 380 S., ISBN 978-3-486-58396-0, EUR 29,80
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Die Geschichte der Werbung und des Militärs werden selten zusammengedacht. Umso begrüßenswerter ist die hier besprochene Studie zu den Bemühungen der Bundeswehr um die Rekrutierung von Freiwilligen für die neuen, damals noch heftig umstrittenen Streitkräfte der jungen Bonner Republik. Thorsten Loch, zeitweilig wissenschaftlicher Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam, geht es in seiner Dissertation vor allem um die Darstellung des Zeit- und Berufssoldaten in Werbeplakaten und -anzeigen. Die so verbreiteten Soldatenbilder sollen Aufschluss geben über das nach wie vor nur unzureichend erforschte Verhältnis von Armee, Staat und Gesellschaft der "alten" Bundesrepublik. Loch versteht Werbung zu Recht als komplexen Kommunikations- und Interaktionsprozess zwischen Anbieter und Zielgruppe: Erfolgreiche Werbung propagiert nicht nur starr ein bestimmtes Image, sondern richtet dieses an den Erwartungen und Bedürfnissen der Konsumenten aus, wobei der Marktbeobachtung eine zentrale Bedeutung bei der Erfolgskontrolle zukommt. Über diesen Weg lassen sich somit neue Aussagen sowohl über die Einstellung von größeren Teilen der deutschen Gesellschaft zur Institution Bundeswehr als auch zur Wahrnehmung und Beurteilung sozialer und kultureller Entwicklungen in der Nachkriegsgesellschaft durch die Entscheidungsträger der Streitkräfte treffen.
Welches Gesicht gab nun die Bundeswehrführung ihrem idealen Soldatenbild und welche politischen und gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen standen dahinter? Loch macht drei Phasen aus: In den Anfangsjahren bis 1960 versuchte sie zunächst aus dem langen Schatten der Wehrmacht zu treten und präsentierte die Bundeswehr als völlige Neugründung. Dem entsprach ein neues Soldatenbild: Weiche, offensichtlich zivile Gesichtszüge des "Bürgers in Uniform" ersetzten auf den Werbeplakaten den martialischen Blick des früheren Wehrmachtskämpfers. Das entsprach in etwa Vorstellungen, die Meinungsumfragen zufolge nach dem Zweiten Weltkrieg in der westdeutschen Bevölkerung gerade noch Akzeptanz fanden. Tatsächlich gelang es der Bundeswehr in diesen Jahren, zumindest einen guten Teil ihres Bedarfs an Freiwilligen zu decken.
In der zweiten Phase bis 1969 trat dann ein deutlicher Imagewandel ein. Die Bundeswehr sprach bei der potenziellen Klientel nun in ganz starkem Maß ethische Motive an: Der Soldatenberuf wurde vorrangig als Dienst am Vaterland präsentiert. Schmerzhaft musste die Bundeswehrführung jedoch über die eingeschalteten Werbeagenturen und deren Marktbeobachtung lernen, dass das diametral den Motiven potenzieller Freiwilliger widersprach. Die allermeisten Interessenten versprachen sich vom Dienst in der Bundeswehr finanzielle und berufliche Vorteile; ideelle Gründe spielten bei den allerwenigsten eine Rolle.
Loch deutet die Diskrepanz zwischen Werbeideal und gesellschaftlicher Realität überzeugend als wachsende Orientierungslosigkeit in den Reihen der Bundeswehr angesichts des dramatischen sozialen wie kulturellen Wandels jener Jahre. Vollbeschäftigung und stetig wachsende Löhne ließen nämlich die Zahl der Bewerber dramatisch zurückgehen. Das nahm die Bundeswehrführung umgehend als sinkende gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der Streitkräfte wahr. Hinzu kam die sogenannte Krise der Bundeswehr, die ihre Ursachen in waffentechnischen und strategischen Problemen im Zeichen der Entspannungspolitik hatte, aber ebenso in Zusammenhang mit der Kritik der "68er"-Protestbewegung an der vermeintlich herrschaftssichernden Sozialisationsinstanz Bundeswehr gebracht wurde. Das führte bei etlichen hohen Offizieren zu unverhohlen reaktionären Tendenzen. In dieser wohl mehr imaginierten Krise wurden schließlich Stimmen von Generalen laut, die den Beruf des Soldaten als Stand sui generis verstanden und sogar - wie etwa Albert Schnez - die Ausrichtung der Zivilgesellschaft nach militärischen Erfordernissen forderten.
Erst nach dem sozialliberalen Machtwechsel von 1969 gelang der Bundeswehr in ihrer Freiwilligenwerbung wieder der Brückenschlag zur Gesellschaft. Der Dienst in der Armee wurde nun von einer weitaus stärker professionalisierten Werbung als gute Möglichkeit präsentiert, sich für den eigentlichen Zivilberuf weiterzuqualifizieren; es erfolgte damit zumindest auf der ideellen Ebene eine weitgehende Normalisierung des Soldatenberufs. Angesichts der 1974 einsetzenden Wirtschaftskrise und dank vermehrter materieller Anreize wurde die Bundeswehr dann tatsächlich zu einem interessanten Arbeitgeber: Die Zahl der Freiwilligen stieg wieder an, wie Loch überzeugend herausarbeitet.
Die Studie hat aber auch einige Schwachstellen. Bedauerlich ist etwa, dass Loch den forcierten Einsatz sozialwissenschaftlicher Expertise seit Ende der 1960er Jahre nur ganz am Rande streift. So erwähnt er lediglich, dass nicht zuletzt das Institut für Jugendforschung im Auftrag der Bundeswehr sozialpsychologische Untersuchungen durchführte, um die Werbemaßnahmen effizienter zu gestalten. Hier hätte der Autor einen wichtigen neuen Beitrag zur Verwissenschaftlichung von Politik in den langen 1960er Jahren liefern können. Das gilt umso mehr, als die Beobachtung der Beobachtung einen ganz wesentlichen Teil des vom Autor beschriebenen Kommunikationsprozesses in der Werbung darstellt. So hätte Loch vor allem exemplarisch ausloten können, wo die Grenzen dieser Politikberatung lagen: Er deutet nämlich an einer Stelle an (284), dass die Bundeswehrführung wissenschaftliche Ergebnisse, die in eine ihr nicht genehme Richtung wiesen, schlicht ignorierte. Möglicherweise sollte wissenschaftliche Beratung in einigen Fällen lediglich die eigenen Vorstellungen und Vorurteile bestätigen und legitimieren.
Aber auch die gesellschaftliche Perzeption der Bundeswehrwerbung hätte der Autor stärker in den Blick nehmen müssen. Eindeutig zu kurz kommen bei Loch, der sich allein auf Akten des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr stützt, die Schulen. Diese stellten das wohl wichtigste Terrain der Nachwuchswerbung dar und hier entzündeten sich Ende der 1960er Jahre auch die heftigsten Auseinandersetzungen um die verstärkte Präsenz von Jugendoffizieren insbesondere in westdeutschen Gymnasien. "Boykottiert die Trommler der Bundeswehr!", war etwa der Schlachtruf der DKP, die zusammen mit der Internationale der Kriegsdienstgegner der vermeintlichen Militarisierung der westdeutschen Gesellschaft den Kampf ansagte. Schließlich hätte auch die Wehrdienstverweigerung in diesem Zusammenhang Beachtung verdient. Ab dem magischen Jahr 1968 stieg die Zahl derjenigen, die der Bundeswehr einfach den Rücken kehrten, stark an. Hier zeigt sich jener viel zitierte Wertewandel, der die westlichen Gesellschaften ab Mitte der 1960er Jahre erfasste, mit aller Macht: Als militärisch geltende Werte wie Disziplin und Gehorsam verloren in dem Maß an Bedeutung, wie zivile Werte wie Selbstentfaltung an Einfluss gewannen. Sinkende Freiwilligen- und steigende Verweigererzahlen gehörten damit letztlich zusammen. Loch hätte hier ein größeres Tableau entfalten müssen, um zu umfassenderen Antworten auf die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Zivilgesellschaft und Militär nach 1945 zu kommen.
Patrick Bernhard