Rezension über:

Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2008, xii + 303 S., ISBN 978-0-691-13019-4, GBP 29,95
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Rezension von:
Thomas Schauerte
Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums, Universität Trier
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Schauerte: Rezension von: Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 7/8 [15.07.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/07/14717.html


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Larry Silver: Marketing Maximilian

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Fülle und Vielfalt der "ars Maximilianea" machen sie zu einem ebenso faszinierenden wie komplizierten Forschungsgebiet. Allzu eng scheinen die berühmten Großprojekte von Triumphzug und Ehrenpforte, Teuerdank und Weißkunig, Grabmal oder Freydal formal und ideell miteinander verflochten, so dass deren jeweilige komplizierte Entstehungsgeschichten einander häufig berühren, sich oft auch bis zur Ununterscheidbarkeit durchdringen. Dies kommt nicht von ungefähr, denn es sind immer wieder die gleichen, ihrer Natur nach literarischen Kernthemen, die in wechselndem Gewand die edle Abkunft, die herausragenden Fähigkeiten, die Pietät und den Waffenruhm ihres kaiserlichen Urhebers in Text und Bild verkünden. Nachdem es 1923 erstmals Ludwig von Baldass mit leichter Hand unternommen hatte, eine Gesamtdarstellung dieses weiten Feldes zu geben, ist im Übrigen auf die einschlägigen Ausstellungskataloge zum Thema angewiesen, wer sich diesem Komplex nähern will. Doch erst seit 1982 haben mit den bahnbrechenden Untersuchungen Jan-Dirk Müllers die Arbeiten eines Germanisten die Grundlage auch für die weiteren kunsthistorischen Forschungen gelegt. Ihnen trug erstmalig der reich bebilderte und ausgezeichnet kommentierte Katalog zur Ausstellung in Innsbruck und Toledo 1992 Rechnung.

Mit Larry Silver hat es nun einer der international besten Kenner der Materie auf sich genommen, einen wissenschaftlich anspruchsvollen, doch zugleich gut lesbaren Überblick über die maximilianischen Kunstwerke und ihre geistigen Grundlagen zu liefern. Dabei sind es die großen Lebensthemen des Kaisers, die seinem Buch ihre sinnreiche Kapiteleinteilung geben: Nach einer Einleitung, die einen hervorragenden Überblick über die vom Kaiser herangezogenen Gelehrten, Künstler und Handwerker bietet (1-40), räumt das zweite Kapitel der Grundlage allen maximilianischen Trachtens - der Genealogie - die gebührende Aufmerksamkeit ein (41-76). Noch bis zu Hermann Wiesfleckers fünfbändiger Maximilian-Biografie, deren letzter Band 1986 erschien, war dieses Thema aufgrund seiner kuriosen Ahnenreihen bis auf Noah, Osiris oder Jupiter oftmals verkannt worden. Für Silver hingegen bildet sie jenes vielgestaltige Substrat, das aus Mythologie, christlicher Heilsgeschichte, Historie und Biografik eine geradezu beliebig formbare, an wechselnde Aktualitäten und propagandistische Erfordernisse anzupassende Materie werden ließ.

Kapitel drei ist einem der weiteren tragenden Grundmotive im argumentativen Arsenal des Kaisers gewidmet: seinem und seines Hauses Primatanspruch über die übrigen Herrscher der Welt. Er beruht auf der "translatio imperii", der Narration von der vorgeblich bruchlosen Kaiserfolge von Julius Caesar bis auf das Haus Habsburg, die zugleich den Anlass für die höchst eigenständige Antikenrezeption im Umkreis des Kaisers lieferte. Hier schließt sich das vierte Kapitel (109-145) folgerichtig an und behandelt Maximilians herausgehobenen Rang als Souverän seines Georgsordens und Vorkämpfer des Christentums, dessen visionäre Vollendung in einem gemeinsamen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems hätte liegen sollen. Wichtig ist hier vor allem Silvers Beobachtung, dass der Kaiser bis hin zu seiner Selbstdemütigung im Tode damit alle Voraussetzungen geschaffen hätte, um sich dereinst durch die eigene Kanonisation in die unübersehbare Schar der Heiligen des Hauses Habsburg einreihen zu lassen (110 f.). Bildlicher Ausdruck all dessen sind die zahlreichen Identifikations- und Kryptoportraits des Kaisers mit dem heiligen Georg. Angemerkt sei hier, dass sich die traditionelle Behandlung der Innsbrucker Zeichnung des "Arcus der dreyer swipögen" als "Andachtspforte" und Gegenstück zur "Ehrenpforte" (144 f. u.ö.) so nicht halten lässt. [1]

Kapitel fünf ist des Kaisers kreativem Interesse für Rüstung und Bewaffnung in Krieg und Frieden gewidmet (147-168), der Nachwelt zugleich ein Spiegel für Maximilians außerordentliche militärische Fähigkeiten. Damit eng verbunden ist das sechste Kapitel, das dem Kaiser als vollendetem Beherrscher der ritualhaft zelebrierten fürstlichen Fertigkeiten von der Jagd und Turnier über höfisches Zeremoniell bis hin zur Diplomatie gewidmet ist (169-214). Weit über jede enge Eingrenzung des Themas hinaus führt abschließend die Zusammenfassung (215-236): Sie behandelt die Rezeption der maximilianischen Kultur bei seinen Nachfolgern Karl V. und Ferdinand I. sowie ihre unterschiedliche, bisweilen proto-nationalistische Vereinnahmung in den Geschichtsbildern späterer Jahrhunderte.

Wenngleich die Vollständigkeit und der präzise Zugriff Silvers auf die Unmenge der einzelnen Kunstwerke Bewunderung abnötigt, vermisst man die eine oder andere wichtige Facette zur maximilianischen Kunst dennoch: so etwa Albrecht Dürers berühmten Kupferstich "Melencolia I", der zeitgleich mit Pirckheimers im kaiserlichen Auftrag erfolgter Übersetzung der "Hieroglyphica" des Horapoll entstanden war und ein vielsagendes Schlaglicht auf die intellektuelle Teilhabe der drei bedeutenden Männer am Melancholie-Diskurs jener Jahre als einer Art "Geniekult" avant la lettre wirft. Auch den jüngeren, grundlegenden Publikationen von Jan-Dirk Müller zur Kultur der gelehrten Sekretäre und zum Archiv als modernem Instrument der Herrschaftsdarstellung und -ausübung hätte man Berücksichtigung gewünscht. [2] Und noch in einer anderen Hinsicht muss das Bild der maximilianischen Memoria zukünftig noch an Schärfe gewinnen, denn die Bau- und Kunstunternehmungen seines Vaters, Kaiser Friedrichs III., haben noch längst nicht die Erforschung erfahren, die sie verdienten. Als Beispiel sei ein Kunstwerk angeführt, in dessen gewaltigem Schatten Maximilian im buchstäblichen Sinne herangewachsen ist: die Wappenwand in der Burg zu Wiener Neustadt, Ergebnis eines genealogischen Konstrukts, das Friedrich als Buch in Auftrag gegeben hatte und in dem Essentielles der maximilianischen Genealogie und Heraldik vorweggenommen werden. [3] Ähnliches ließe sich über den - gleichfalls erhaltenen - Babenberger-Stammbaum in Klosterneuburg sagen, der Geschichte, Legende, Genealogie und Heraldik in einem monumentalen Triptychon vereinigt und der im Zuge des gemeinsam betriebenen Leopold-Kultes noch unter den Augen beider Herrscher entstanden war. Wünschenswert wäre darüber hinaus noch immer ein intensiverer Vergleich mit Maximilians deutschen und europäischen Zeitgenossen, allen voran Friedrich dem Weisen von Sachsen, Maximilians Tochter Margarethe von Österreich, den italienischen Fürstentümern und den französischen Königen.

Der zweifellos zugkräftige, aber angesichts der ausgeprägten Fürstenspiegel-Qualitäten der "ars Maximilianea" eher simplifizierende Titel des Buches, der so etwas wie eine frühmoderne "Selbstvermarktung" Maximilians nahezulegen scheint, wird den Intentionen des Kaisers, seiner Gelehrten und Künstler, aber auch denen Silvers nicht gerecht; denn wer Marketingstrategien als anachronistisches Leitmotiv des Buches zu finden fürchtet, wird von der durchwegs sachlichen, durch einen tiefgründenden Anmerkungsteil (237-289) quellensicheren Darstellung auf das angenehmste enttäuscht.

Zu bedauern ist allerdings, dass der Verlag sich nicht dazu durchringen konnte, das Buch seiner Bedeutung entsprechend zu bebildern. Die oft nur blassgrauen Schwarz-Weiß-Abbildungen vermitteln keinen rechten Eindruck vom Glanz der maximilianischen Kunstproduktion. Vielleicht wäre eine Übertragung ins Deutsche der gegebene Anlass, dem Rang des Buches als Einführungs- und Überblickswerk auch in dieser Hinsicht gerecht zu werden.


Anmerkungen:

[1] Thomas Schauerte: Die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers (= Kunstwissenschaftliche Studien; 95), München / Berlin 2001, 33-41.

[2] Vgl. u.a. Jan-Dirk Müller: Archiv und Monument. Die Kultur der Sekretäre um 1500, in: Europa. Kultur der Sekretäre, hg. von Bernhard Siegert / Joseph Vogel, Zürich / Berlin 2003, 13-27.

[3] Vgl. dazu demnächst: Thomas Schauerte: Heraldische Fiktion als genealogisches Argument. Das Wappen als Bildmedium politischer Anspruchstitel bei Friedrich III. und Maximilian I., in: Genealogie im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit. Institutionelle Mechanismen der Legitimierung und Verstetigung von Macht (Publikationen des DFG-Sonderforschungsbereiches 537 "Institutionalität und Geschichtlichkeit"), hg. von Beate Kellner / Gerhart Melville, Dresden 2009.

Thomas Schauerte