Daniel Bühler: Macht und Treue. Publius Ventidius: Eine römische Karriere zwischen Republik und Monarchie (= Beiträge zur Geschichtswissenschaft), München: Allitera 2009, 258 S., ISBN 978-3-86906-044-6, EUR 29,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Werner Eck: Monument und Inschrift. Gesammelte Aufsätze zur senatorischen Repräsentation in der Kaiserzeit. Herausgegeben von Walter Ameling und Johannes Heinrichs, Berlin: De Gruyter 2010
Gesine Manuwald (ed.): Cicero, Philippics 3-9. Edited with Introduction, Translation and Commentary, Berlin: De Gruyter 2007
Barbara Dimde: Gladiatur und Militär im römischen Germanien, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2019
Biographien historischer Persönlichkeiten der Antike liegen derzeit im Trend. Erfreulicherweise betrifft dies nicht nur die vielfach behandelten Figuren des Altertums, sondern zunehmend auch Randgestalten wie Publius Ventidius, dessen Leben die hier anzuzeigende Berliner Dissertation Daniel Bühlers untersucht.
Dass Ventidius bisher noch keine Monographie gewidmet wurde, liegt nicht zuletzt daran, dass in seinem Falle allein für die Zeit zwischen 44 und 38 v.Chr. Einzelheiten in ausreichender Menge überliefert sind, die Quellen für die vorangehende und folgende Zeit dagegen entweder gänzlich schweigen oder Details vermelden, die Misstrauen erwecken.
So besteht schon das erste Kapitel "Herkunft - Mitführung im Triumph?" (14-44) aus einer umfassenden Detailanalyse der fleißig tradierten Einzelheit (Iuv. 7,199-201; Vell. 2,65,3; Plin. nat. 7,135; Gell. 15,4,3; Val. Max. 6,9,9; Cass. Dio 43,51,4-5), wonach Ventidius im Triumphzug des Pompeius Strabo 89 v.Chr. als Gefangener mitgeführt worden sei, was die Quellen zu seinem eigenen, späteren Triumph in Kontrast setzen. Diese Information erscheint Bühler zum einen verdächtig, da "zu perfekt und zu konstruiert" (21), zum anderen, weil die Zeitgenossen des Ventidius hierzu schweigen und die Mitführung zudem noch im Widerspruch zu den vielfach im selben Atemzug von den Quellen behaupteten einfachen Verhältnissen des Ventidius steht. Letztere bezweifelt Bühler ebenfalls, und zwar aufgrund der späteren Tätigkeit des Mannes als publicanus. Seiner Ansicht nach entstammte Ventidius am ehesten einer "Unternehmerfamilie", deren Mitglieder jedoch noch nicht dem ordo equester angehörten (44).
Bezüglich der Mitführung im Triumphzug des Strabo ist noch hinzuzufügen, dass die Quellen sich hinsichtlich des Alters des Ventidius im Jahre 89 v.Chr. widersprechen: Während Valerius Maximus, Plinius und Gellius Ventidius als Knaben bezeichnen, behauptet Cassius Dio, dieser habe gegen die Römer gekämpft und sei in Ketten im Zug marschiert, folglich also erwachsen gewesen.
Im folgenden Kapitel "Der Gefolgsmann Caesars" (45-65) behandelt Bühler den Beginn der Karriere des Ventidius. Wiederum ist die Quellenlage dürftig. Immerhin ist aufgrund einer Anspielung des Plancus im Jahre 43 v.Chr. (Cic. fam. 10,18,3) belegt, dass die bei Gellius (15,4,3) berichtete Tätigkeit des Ventidius im Transportwesen historisch ist. Seine Erfahrungen in diesem Bereich hat Ventidius in Gallien Caesar zur Verfügung gestellt. Bühler kann darüber hinaus wahrscheinlich machen, dass Ventidius vor der Ermordung Caesars militärische Erfahrung gesammelt hat; ob noch in Gallien oder erst in dem folgenden Bürgerkrieg gegen Pompeius und seine Anhänger, bleibt unsicher.
Der nächste Abschnitt "Im Lager des Antonius" (66-116) untersucht die Handlungen des Ventidius zwischen den Iden des März und der Abkommandierung in den Osten am Ende des Jahres 40 v.Chr., eine Zeit, für welche die Quellenlage äußerst günstig ist. Auch hier gelingen Bühler wichtige Beobachtungen. So war Ventidius als designierter Praetor nach der Ermordung Caesars schon allein deshalb an Antonius gebunden, weil dieser als Garant der acta Caesaris auch dessen zukünftige Magistratur sicherte (66). Trotzdem könnte er nach der Reaktivierung dreier Legionen im Auftrag des Antonius auf diesen Druck ausgeübt haben. Jedenfalls ist dies angesichts des späten Eingreifens zugunsten des Antonius und der unerhörten Beförderung des Ventidius vom Praetor zum Consul in ein und demselben Jahr (43 v.Chr.) und der gleichzeitigen Weihung zum Pontifex zu vermuten (80-87).
Die Deutung der verwirrenden Situation unter den Gefolgsleuten des Antonius im bellum Perusinum ist ebenfalls durchweg als gelungen zu betrachten (99-109), selbst wenn sich die genauen Gründe für die Zurückhaltung des Antonius wohl nie vollständig aufklären lassen werden. Jedenfalls scheint Ventidius die Zurückhaltung im perusinischen Krieg nicht geschadet zu haben, wie die Entsendung durch Antonius gegen die in Kleinasien einfallenden Parther beweist (109-116).
Das Kapitel "Der militärische Einsatz im Orient: ein missgönnter Erfolg?" (117-196) befasst sich nicht nur mit dem von den antiken Autoren diagnostizierten Neid des Antonius auf die Siege des Ventidius, sondern untersucht akribisch alle Details der Auseinandersetzung mit den Parthern und versucht ferner, die umstrittene Frage nach der Vorlage der uns erhaltenen Berichte zu beantworten. Als mögliche Ursprungsquelle möchte Bühler am ehesten Q. Dellius ansehen (139).
Dass Antonius seinem Feldherrn den Erfolg gegen die Parther missgönnte, wie Plutarch (Ant. 34,3-4) und Cassius Dio (49,21,1) berichten, wird mit guten Gründen bezweifelt (161), auch wenn Antonius nach Ansicht von Bühler den Sieg "für sich selbst vorgesehen hatte" (194) und ein Eroberungskrieg gegen das Partherreich möglicherweise erst durch die Erfolge des Ventidius notwendig wurde. Hiergegen ist freilich einzuwenden, dass die Bedeutung des Partherproblems seit der Niederlage bei Carrhae 53 v.Chr. in der Forschung kontrovers diskutiert wird. Gerade wenn Antonius von vornherein vorhatte, im Osten einen offensiven Krieg zu führen, was meines Erachtens sehr wahrscheinlich ist, brauchte er Ventidius dessen Erfolge nicht zu neiden. Dass Antonius letztlich weniger erfolgreich sein würde, konnte 38 v.Chr. noch niemand ahnen.
Im folgenden Abschnitt "Ventidius Imperator und seine Münzemission" (197-224) wird ein unter Ventidius geprägter Denar (RRC 531) untersucht. Bühler schließt sich Buttrey an, der die Prägung ins Jahr 39 v.Chr. setzt. Ferner wird die Art des Kommandos diskutiert, mit dem Ventidius im Osten gegen die Parther agierte. War er lediglich Legat unter den Auspizien des Antonius oder führte er ein eigenes imperium? Bühlers beeindruckend detaillierte Analyse beweist letzteres.
Fragwürdig ist dagegen die von Bühler im Anschluss an Bleicken vertretene Annahme, dass das imperium eines Consuls automatisch allen Promagistraten, auch denjenigen, die pro consule agierten, übergeordnet gewesen sei (221).
Das letzte Kapitel "Triumph und Lebensende" (225-239) ist den Ehrungen des Ventidius gewidmet. Den Grund für das Ventidius gewährte funus publicum erkennt Bühler im Anschluss an Gellius (15,4,4) im Sieg gegen die Parther (233). Freilich wissen wir nicht, wann Ventidius gestorben ist, so dass dieser Zusammenhang nicht zu beweisen ist. Offen bleibt ferner, warum in den Quellen über Ventidius nach seinem Triumph von 38 v.Chr. nichts mehr berichtet wird.
Den Abschluss des Buches bilden ein Resümee (240-246) sowie ein Verzeichnis der benutzten Quellen und mehrfach zitierten Forschung (247-258). Bedauerlicherweise fehlen alle Arten von Indices.
Daniel Bühler hat eine Biographie vorgelegt, die schon allein deswegen als gelungen zu bezeichnen ist, weil jede überlieferte Einzelheit aus dem Leben des Ventidius auf Grundlage der Quellen und Forschung kritisch untersucht wird, wobei der Autor durchgängig Stellung bezieht, und zwar auch dort, wo eine Evidenz stricto sensu nicht zu gewinnen ist. Der besondere Wert der Untersuchung liegt aber in dem Blick, der immer wieder über Ventidius hinaus auf die weiteren offenen Fragen dieser Umbruchzeit zwischen Republik und Principat gerichtet wird.
Kreimir Matijević