Frank Fehrenbach: Compendia Mundi. Gianlorenzo Berninis Fontana dei Quattro Fiumi (1648-51) und Nicola Salvis Fontana di Trevi (1732-62) (= Italienische Forschungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz. I Mandorli; Bd. 7), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2008, 379 S., ISBN 978-3-422-06759-2, EUR 48,00
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Die künstliche Zufuhr von Wasser war bereits für das antike Rom mehr als bloß eine Erfüllung praktischer Bedürfnisse. Wasser über große Distanzen an eine alles andere als wasserarme Stadt heranzuführen, um es dann in großen Schauarchitekturen wieder zu verschwenden, war eine symbolische Handlung, die den Fortbestand Roms zu garantieren schien. Die urbs der frühen Neuzeit besann sich bekanntlich auf diese Rolle des Wassers als kulturelles Lebenselixier zurück. Unter Verzicht auf öffentliche Badeanlagen, die kirchlicherseits in keinem guten Ruf standen, errichteten die Päpste an mehreren strategischen Punkten monumentale Schaubrunnen, die ihr Wasser aus instand gesetzten oder gänzlich neu errichteten Zuleitungen bezogen. Die beiden künstlerisch anspruchsvollsten, aber auch massentouristisch erfolgreichsten Exemplare dieser Gattung im römischen Stadtraum sind der Gegenstand der hier zu besprechenden opulenten Monografie, die aus der Basler Habilitationsschrift des Autors hervorgegangen ist.
Die Programmatik des Unternehmens wird im Vorspann lediglich kurz angerissen. Erst im Dialog mit den Gegenständen schälen sich die zentralen Leitlinien genauer heraus. Sie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Entscheidend für das Verständnis der Brunnen ist deren Einbettung in urbane Bewegungsräume, die der Wahrnehmung der Betrachter eine kinetische Verlaufsform aufprägen. Diese Grundgegebenheit kann der Autor fruchtbar mit dem zusammenbringen, was er Ortsgeschichte oder Ortsmythologie der Brunnen nennt: Ganz konkret geht es dabei um die kulturelle Überformung des städtischen Raums durch Topoi wie den Circus oder das von Nymphen bewohnte Trivium, die ein Möglichkeitsfeld von semantischen Sinnhorizonten eröffnen. Die tatsächliche "Ortsbindung" (Birindelli) der Brunnen kann durch Bekräftigung oder Negierung dieser Sinnangebote individuell gestaltet werden. Gerade in dieser Hinsicht, so die These zum historischen Verhältnis der beiden Fallbeispiele, liegt zwischen der Fontana dei Quattro Fiumi und der Fontana di Trevi eine epochale "Zäsur, die sich als Übergang von der ortsspezifischen Narration zum übersprachlichen Sublimen beschreiben lässt" (9).
Fehrenbachs Analyse des Vierströmebrunnens startet mit einer narrativen Lektüre der Figuren, die Bernini zwischen Wasserfläche und Obelisk vor der unregelmäßigen Folie des scoglio angeordnet hat. Die Grundidee ist bereits aus mehreren Aufsätzen des Autors bekannt. Sie besagt, dass die monumentale Brunnenanlage für eine Betrachtung in Bewegung entworfen wurde, die im Umschreiten der Figuren Momente einer kohärenten und dramatisch gegliederten Geschichte erschließt. Angesprochen durch die nach außen gekehrte "Einführungsfigur" (22) des Ganges, wird der Betrachter verstrickt in ein szenisches Gewebe von Schutz- und Abwehrbestrebungen der Flussgötter Nil und Rio della Plata, die auf eine von der Höhe des Brunnens ausgehende Gefahr hindeuten. Eng an diese figürlich vorgetragene Erzählung ist die Formensprache des Gesteins gekoppelt, dessen Oberfläche durchsetzt ist von Richtungsachsen und vektoriellen Bezügen, die den Eindruck einer von gegenläufigen Kräften durchströmten Masse erwecken. Diese Dramatisierung der Trägerstruktur des Brunnens kulminiert in einem scheinbaren Bruch des scoglio, der "nur noch von einem nach unten gerutschten Quader zusammengehalten wird" (32). Die Stabilität des gesamten Monuments erscheint vorübergehend infrage gestellt, bevor sich die Szenerie mit der vierten Figur des Danubius entscheidend beruhigt.
Mit dem Dispositiv des bewegten Betrachters ist ein Zugang gewonnen, der in den bisherigen Annäherungen an Berninis Werk keine Rolle gespielt hat. Gegen eine rein kunsttheoretische Bewertung dieses Befunds unter der Rubrik Mehransichtigkeit insistiert Fehrenbach auf einer ortsgeschichtlichen Perspektive, die die vorgeschlagene Lektüre einerseits historisch absichern, andererseits aber auch semantisch anreichern soll. Im Zentrum steht dabei die bereits im Itinerarium Einsidlense belegte Auffassung, dass der eigentlich auf das Stadium des Domitian zurückgehende Platz "einen der bedeutendsten antiken Circusräume Roms überlieferte" (20). Konzentrierte sich die ältere Forschung in diesem Zusammenhang vorwiegend auf den Obelisken als symbolische Markierung, dehnt Fehrenbach den Modellcharakter des antiken Circus auch auf die Aktivitäten aus, die in ihm veranstaltet wurden. Die kreisende Bewegung der Betrachter verläuft gewissermaßen auf den (imaginären) Spuren der hier entlang jagenden Wagengespanne, das prekäre Gleichgewicht des Obelisken auf seinem Unterbau ruft die Unwägbarkeit von Sieg und Niederlage in Erinnerung. Wie der Autor überzeugend ausführen kann, legt diese Strukturverwandtschaft eine Fährte zu einer besonders sinnträchtigen narrativen Referenz des gesamten Brunnens: Phaetons unheilvolle Reise mit dem Sonnenwagen bietet eine mythologische Folie, welche dem seltsamen Gebaren der Flussgötter und Tiere erst eine eigene Kohärenz verleiht.
Fehrenbachs Interesse an der Phaeton-Mythe gilt weniger den nicht unerheblichen Friktionen zeichen- und erzähltheoretischer Art, die aus der Montage dynamischer Akteure und statischer Symbole resultieren. Der Sohn des Sonnengotts wird vielmehr gebraucht, weil seine fatale Fahrt die entscheidenden Brückenschläge Richtung Naturphilosophie und Herrschaftstheorie ermöglicht, die das Hauptthema der nächsten rund hundert Seiten sind. Es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, die zahlreichen Sinnbezüge zu benennen, denen der Autor in einer seltenen Kombination von schier unerschöpflicher Belesenheit und Blick für großräumige Zusammenhänge nachspürt. Mit dem jesuitischen Universalgelehrten Athanasius Kircher hat dabei ein alter Bekannter der Forschung einen großen Auftritt. Wenn der Autor des "Obeliscus Pamphilius" hier erneut zum wichtigsten Gewährsmann ideengeschichtlicher Hintergründe des Brunnenprojekts erklärt wird, dann kommt neben dem Hieroglyphenkundler nun auch der Hydrologe und Herrschaftstheoretiker Kircher zum Zuge. Der Jesuit erklärt das Wirkungsverhältnis von Sonne und Wasserkreislauf auf eine Weise, die sich gut auf die Relation von Obelisk und Flussgötterwelt übertragen lässt, und betrachtet solche physikalischen Gesetzmäßigkeiten ferner als vorbildhaft für politisches Handeln.
Auch die Analyse der Fontana di Trevi beginnt mit den anschaulichen Strukturen, die bei einer bewegten Betrachtung des Brunnens wirksam werden. Fehrenbach macht sie zunächst an den "zeitgenössischen Irritationen" (203) von Autoren wie Bottari fest, die Salvis Konzept öffentlich kunsttheoretische Regelverstöße vorwarfen: Der gesamte Brunnen sei im Verhältnis zur schmalen Piazza viel zu groß, die Kombination von nobler korinthischer Ordnung und formlos sich ausbreitenden Felsmassen dekorumstechnisch fehlerhaft. Positiv gewendet lassen sich diese Faktoren als Elemente einer Ästhetik der Überwältigung beschreiben, die die Erwartungshaltung des Betrachters aushebelt. In Verbindung mit den Hauptfiguren des Brunnens ergeben sich dann alternative Möglichkeiten, das dargestellte Geschehen wechselweise als Szenerie des Wachstums oder des Verfalls zu lesen und der befehlenden Geste des zentral platzierten Okeanos einen gegensätzlichen Sinn zuzuschreiben.
In ihren exorbitanten Ausmaßen fährt Salvis mostra ein ikonografisch stark reduziertes Programm. Umso komplexer sind die vielschichtigen ortsgeschichtlichen Hintergründe des Brunnens, denen Fehrenbach einen der spannendsten Abschnitte des Buches widmet. Hinter dem Toponym Trevi tritt nacheinander ein ganzer Katalog von Etymologien hervor, der vom Trivium einer antiken Weggabelung an dieser Stelle bis zu den Nymphen Juturna und Diana Trivia reicht, die eben an solchen Kreuzungspunkten verehrt wurden und "für die Reinheit der fließenden Gewässer zuständig" (268) waren.
Für den Leser fällt in diesem Zusammenhang auch ein lehrreicher brunnenkundlicher Rückblick auf die wechselvolle Geschichte der Aqua Virgo ab, die bekanntermaßen als einziges der römischen Aquädukte den Zusammenbruch des Imperiums überdauerte. Genau aus diesem Grund konnte das für seine Reinheit berühmte Wasser der Aqua Virgo zum Vehikel römischer Geschichtsideologie werden: "Geschichtliche Kontinuität fand im physikalischen Kontinuum, für welches das Wasser seit jeher stand, sein Spiegelbild. Im ununterbrochenen Strömen des Lebensstiftenden Elements wurde die lebendige Gegenwart des Vergangenen beschworen" (231).
Eben dieses jahrhundertelang gültige und gepflegte Prinzip wird nun in Salvis Brunnenkonstruktion entschieden außer Kraft gesetzt. An seine Stelle tritt ein Programm, welches das Kontinuum des Wassers nicht auf Rom bezieht, sondern als Ursprung der gesamten physikalischen Welt deutet. Diese Preisgabe der Ortsmythologie lässt sich für Fehrenbach insbesondere festmachen an der zentralen Gestalt des Okeanos, Personifizierung einer alles durchdringenden, universalen Macht, die vor dem Mythos und seinen Erzählungen steht.
Es fällt schwer, einem über weite Strecken mit so großem Atem geschriebenen Buch Mängel zu bescheinigen. Erwähnt sei aber doch, dass die Architektur der Studie an den ihren großen Gelenkstellen etwas Fragmentarisches hat. Durch den Verzicht auf ein eigenständiges Einleitungskapitel gibt es keinen Ort für eine Einführung des Lesers in die Gattung Figurenbrunnen. Ebenso unvermittelt, wie er einsetzt, bricht der Text auf Seite 307 ab. Angesichts der Fülle an Einsichten, die Fehrenbach im Laufe seiner ausgedehnten Erkundungen zusammenträgt, hätte man sich eine Konklusion gewünscht, die das Verhältnis der beiden Werke konkreter und ausführlicher würdigt.
Methodische Skepsis erscheint dort geboten, wo das Verhältnis zwischen anschaulicher Struktur und ideengeschichtlichen Kontexten allzu harmonistisch als Relation der Resonanz oder Amplifikation angesprochen wird. Man fragt sich, ob dieses Wechselverhältnis nicht immer auch von Dissonanzen, konfligierenden Interessen oder schlicht von Missverständnissen bestimmt ist. Das vor einiger Zeit von Ingo Herklotz benannte Problem der Lesbarkeit ikonologischer Sinnschichten für die Öffentlichkeit und der Heterogenität der Betrachterkompetenzen ist jedenfalls so leicht nicht auszuräumen. Wenn die zahlreichen zeitgenössischen Würdigungen des Vierströmebrunnens entscheidende Momente der Lektüre Fehrenbachs verkennen, dann ist dies kein Argument gegen deren Plausibilität, aber ein gewichtiger Anhaltspunkt für die irreduzible Vielstimmigkeit der Kunstrezeption des 17. und 18. Jahrhunderts.
All dies tangiert aber nicht den hohen Erkenntnisgewinn dieser Studie, deren Lektüre allen Rom- und Barockinteressierten nur wärmstens empfohlen werden kann. Mit seiner doppelten Ausrichtung auf eine Anschauung in Bewegung und die bildhafte Konvergenz theoretischer Diskurse der Zeit setzt Fehrenbachs Buch Maßstäbe. Die vom Autor erschlossenen ortsgeschichtlichen, naturphilosophischen und herrschaftstheoretischen Kontexte bieten ein wichtiges Korrektiv gegenüber exklusiv kunsttheoretischen oder propagandistischen Lesarten römischer Barockkunst.
David Ganz