Bert Hoppe: In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928-1933 (= Studien zur Zeitgeschichte; Bd. 74), München: Oldenbourg 2007, 395 S., ISBN 978-3-486-58255-0, EUR 54,80
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In seiner Dissertation rollt Bert Hoppe grundlegende Fragen des kommunistischen Netzwerkes und der internationalen Beziehungen anhand deutscher und russischer Archivquellen neu auf. Das Thema bleibt aktuell durch die seit nunmehr 20 Jahren mögliche Grundlagenforschung in vormals geschlossenen osteuropäischen Archiven, die eine genauere Einschätzung der Beziehungen zwischen Moskau und Ost-Berlin erlaubt. [1]
Hoppe fragt vor allem nach der Qualität, den Funktionsweisen und Auswirkungen des Machtgeflechts zwischen VKP(b), Komintern und KPD. Er spürt der Reichweite der Moskauer Einwirkungsmöglichkeiten sowie den Mechanismen nach, mit welchen Moskau Einfluss auf die deutschen Genossen ausübte. Dazu nimmt er insbesondere den "politischen Alltag" der deutschen und sowjetischen Akteure in der Komintern in den Blick, ihre Wahrnehmungen und Handlungsstrategien.
Ausgehend von der These, dass die Protagonisten der KPD weder völlig eigenständig handelten noch "willenlose Marionetten Moskaus" waren (14), beleuchtet er in chronologischer Reihenfolge wesentliche Ereignisse in der halben Dekade zwischen der "Wittorf-Affäre" 1928, in der die Veruntreuung sowjetischer Finanzierungshilfe an die KPD die Parteiführung um Thälmann in eine prekäre Lage brachte, und dem Herrschaftsbeginn der Nationalsozialisten.
Die ersten beiden seiner neun Kapitel widmet Hoppe der Komintern als Scharnier zwischen KPD und VKP(b) sowie Stalins Personalpolitik. Das transnationale Gremium wertet Hoppe als verlängerten Arm Moskaus, auch wenn grundlegende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit wie Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse gerade bei den sowjetischen Mitarbeitern häufig fehlten. Zudem sahen die deutschen Mitglieder des Komintern-Exekutivkomitees (EKKI) in Moskau bei allem Enthusiasmus sehr wohl die sowjetischen Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung des Sozialismus. Hier machte sich die Funktion der Komintern nicht nur als Medium der Bolschewisierung der weltweiten kommunistischen Parteien bemerkbar, sondern auch als Informationsbörse.
Anschließend untersucht Hoppe die Abstimmungen zwischen den Parteien vor dem Hintergrund der deutschen innenpolitischen Ereignisse. Dass eine Moskauhörigkeit der KPD keineswegs zwangsläufig hingenommen oder von allen deutschen Genossen erstrebt wurde, zeigt Hoppe anhand der Wahrnehmung seitens deutscher Mitglieder des Rotfront-Kämpfer-Bundes, die aufgrund einer vermuteten "höheren deutschen Intelligenz und Kultur" eine eher umgekehrte Dominanz erwarteten (29). Den universellen Moskauer Deutungsanspruch nahm man indes trotzdem wahr.
Aus der Selbstverpflichtung auf das bolschewistische Modell resultierte eine Abhängigkeit von Moskau, die durch persönliche Loyalitäten noch verstärkt wurde. Die immer wieder auftretenden Differenzen im Verhältnis zwischen KPD, Komintern und VKP(b) führt Hoppe auf die verschiedenen politischen Kulturen zurück. Negativ auf die Autorität der Kominternführung wirkte sich dabei die privilegierte Beziehung deutscher Funktionäre zu Stalin aus.
Eine solche Konstellation wirft zwangsläufig die Frage auf, inwieweit stalinistische Herrschaftspraktiken auf die KPD angewandt wurden. Gerade Stalins starkes, wenn auch sich häufig veränderndes Netzwerk bietet dafür wichtige Anhaltspunkte. Hoppe bewertet diese von ihm als Politik der "personalen Netze" beschriebene Zusammenarbeit als effektiv, soweit sie eine persönliche Abhängigkeit und Loyalität der KPD-Funktionäre von Moskau bzw. Stalin selbst bedeutete. Hoppe spricht hier von einer freiwilligen Abhängigkeit, die mehr noch als auf pragmatischen Überlegungen auf einer "affektiven Bindung" an die starke Persönlichkeit Stalins beruhte. Dabei zieht Hoppe Vergleiche zur nationalsozialistischen Herrschaftspraxis, in der neben expliziten Anweisungen eine Kommunikation über Signale griff, die eine weitgehende Disziplinierung des Apparates voraussetzte (359).
Hoppes Arbeit greift wichtige Fragen auf, lässt aber ebenso wichtige unbehandelt. Dazu gehört vor allem die Frage nach der Wirkung der deutsch-sowjetischen Sonderparteibeziehungen in der longue durée: Bereitete die enge Bindung bis Mitte der 1930er Jahre, mithin der Prozess der Selbststalinisierung, die Nachkriegsbeziehungen zwischen Moskau und den osteuropäischen Kommunisten vor, insbesondere zur SED? Auch angesichts des äußerst knappen Untersuchungszeitraums von fünf Jahren, der sich auf immerhin fast 400 Seiten erstreckt, wäre ein solcher Ausblick lohnend gewesen. Ebenfalls etwas zu kurz kommt der synchrone Vergleich; die Moskauer Beziehungen zu anderen kommunistischen Parteien wie zur KP Frankreichs werden nur gestreift. Hoppes Verdienst ist es jedoch, die Beziehungsgeschichte der Parteien auf der Basis vor allem von Kominterndokumenten minutiös für einen überschaubaren Zeitraum aufgearbeitet und damit einen wichtigen Beitrag zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen auf der Ebene des kommunistischen Netzwerks geleistet zu haben.
Anmerkung:
[1] Vgl. exemplarisch den Band von Hermann Weber / Bernhard H. Bayerlein (Hgg.): Der Thälmann-Skandal. Geheime Korrespondenzen mit Stalin. Berlin 2003, der ebenfalls aus dem SAPMO und dem RGASPI schöpft.
Ragna Boden