Rezension über:

Anna Akasoy / Wim Raven (eds.): Islamic Thought in the Middle Ages. Studies in Text, Transmission and Translation, in Honour of Hans Daiber (= Islamic Philosophy, Theology and Science. Texts and Studies; Vol. LXXV), Leiden / Boston: Brill 2008, xxvi + 711 S., ISBN 978-90-04-16565-6, EUR 185,00
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Rezension von:
Oliver Overwien
Corpus Medicorum Graecorum / Latinorum, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Oliver Overwien: Rezension von: Anna Akasoy / Wim Raven (eds.): Islamic Thought in the Middle Ages. Studies in Text, Transmission and Translation, in Honour of Hans Daiber, Leiden / Boston: Brill 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/15798.html


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Anna Akasoy / Wim Raven (eds.): Islamic Thought in the Middle Ages

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Die vorliegende Festschrift anlässlich der Emeritierung von Hans Daiber am Orientalischen Seminar der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt enthält 33 Beiträge, die die verschiedenen Interessens- und Forschungsgebiete des Geehrten anschaulich widerspiegeln: Islamic Philosophy and Theology (3-178), History of Science (179-430), Cross-cultural Transmission of Arabic Philosophy and Science (431-519), Language and Literature (520-696). Die meisten von ihnen sind auf Englisch, nur jeweils zwei auf Französisch und Deutsch verfasst. Da es im vorgegebenen Rahmen kaum möglich ist, auf alle Artikel gleichermaßen einzugehen, wurde eine Auswahl unter denen getroffen, die im weitesten Sinne das Fortleben der antiken Wissenschaften im Orient zum Gegenstand haben. So genannte Graeco-Arabica gehörten Zeit seines Lebens zu Daibers zentralen Forschungsgebieten, stellvertretend für viele andere substantielle Beiträge seien hier nur seine Dissertation, eine Edition der arabischen Übersetzung der Plutarch zugeschriebenen Placita philosophorum, sowie der umfangreiche Aufsatz zur Metaphysik Theophrasts in der syrischen und arabischen Tradition genannt. [1]

Gleich zwei kurze Beiträge behandeln die arabische Übersetzung der aristotelischen Tierbücher. Lou Filius (267-273) bietet zunächst einen Bericht über Plan und Aufbau der in Vorbereitung befindlichen Edition der arabischen Übersetzung der Historia animalium. Im zweiten Teil seines Artikels beschäftigt er sich dann mit einem speziellen Problem dieser Edition: Besaß der Übersetzer eine syrische Vorlage? Filius beantwortet die Frage mit einem klaren Nein (272). Es muss allerdings angemerkt werden, dass nicht alle der von ihm angeführten Merkmale wie Fehlübersetzungen oder Omissionen diesen Schluss nahelegen, da diese ebenso auch auf einen syrischen Übersetzer zurückgehen können. Letztlich lässt sich diese Frage wohl erst nach Erscheinen der Edition entscheiden. Auf eine einzelne Passage aus der arabischen Übersetzung von Aristoteles' De partibus animalium konzentriert sich dagegen Aafke van Oppenray (403-411). Sie zeigt anhand des Vergleiches der arabischen Fassung mit dem griechischen Original, wie schwierig mitunter die Bewertung von abweichenden Lesarten des arabischen Übersetzers ausfällt: Hat er den auch uns überlieferten griechischen Text falsch wiedergegeben oder eine abweichende Vorlage gehabt? Derartige Fragen lassen sich oftmals, wenn überhaupt, nur unter umfassender Berücksichtigung sowohl der Eigenheiten der Übersetzer als auch der Textüberlieferung entscheiden, wie die Autorin geradezu vorbildlich vormacht. Ihrer Bewertung des vorliegenden Falles ist vorbehaltlos zuzustimmen.

Über die arabische Tradition der Philosophos Historia des Porphyrios handelt Emily Cottrell (523-55). Dieser Überlieferungszweig ist für das Werk von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da es im Griechischen nicht vollständig erhalten ist. Der Interessierte wird von dem Artikel profitieren, wenn er die Forschung der letzten 150 Jahre zum Teil sehr detailreich zusammengefasst vorgeführt bekommen möchte. Viel Neues wird er allerdings nicht erfahren.

Dimitri Gutas (557-563) zeigt anschaulich auf, welchen Nutzen der Arabist aus dem "A Greek and Arabic Lexicon", einem Lexikon zur griechisch-arabischen Übersetzungsliteratur ziehen kann. [2] Am Beispiel der dort aufgeführten Partikel iḏā und amrun macht er deutlich, dass die Standardgrammatiken zur arabischen Sprache keineswegs alle Aspekte dieser beiden Wörter wiedergeben. Seine Folgerung liegt auf der Hand: Die Wortwahl der Übersetzer muss sowohl für syntaktische als auch für semantische Belange viel stärker als bisher berücksichtigt und ausgewertet werden.

Den Aristotelessprüchen aus dem Ḥunayn ibn Isḥāq zugeschriebenen Gnomologium Ādāb al-falāsifa ist der Beitrag von Mohsen Zakeri gewidmet (649-696). Nach einer kurzen Vorrede über Autor und Werk präsentiert er die 75 arabischen Sprüche einschließlich englischer Übersetzung und gibt umfangreiches Parallelenmaterial aus anderen Sammlungen an. Der Artikel stellt wertvolle Grundlagenforschung dar, zu wenig wird nach wie vor auf dem Gebiet der Gnomologien geforscht. Ob sich jedoch, wie von Zakeri behauptet (653), tatsächlich kein Leitmotiv innerhalb dieser 75 Sprüche finden lässt, sei dahingestellt. Derartige Fragen lassen sich oftmals erst vor dem Hintergrund der benutzten Quellen entscheiden, wie es jetzt für das Hippokrateskapitel in den Ādāb al-falāsifa gezeigt wurde. [3]

Insgesamt betrachtet, bietet die Festschrift viele interessante, lesenswerte Beiträge, die die Forschung mal in Detailfragen, mal grundlegend weiterbringen werden. Letzteres, dies sei hier abschließend noch erwähnt, gilt nicht zuletzt auch für die beiden Artikel von Hidemi Takahashi (363-401) und Jens Schmitt (613-637), die einen Text über meteorologische Phänomene in der aristotelisch-avicennischen Tradition bzw. eine Beschreibung Abbasidischer Kalifen, die wohl von al-Ğāḥīẓ stammt, jeweils zum ersten Mal herausgeben. In diesem Fall hat Hans Daiber sozusagen unmittelbar fortgewirkt, da beide Editionen auf seinen eigenen Handschriftenneufunden basieren.

Zum Abschluss sei noch ein Wort zur Arbeit der Herausgeber gesagt. Fehler wurden nur sehr wenige gefunden, in dieser Hinsicht wurden die Beiträge sorgfältig redigiert. Sinnvoll wäre es jedoch gewesen, die Zitierweise benutzerfreundlicher zu gestalten. So wird in den Fußnoten ab der zweiten Nennung einer Literaturangabe nur noch ein Kurztitel angegeben. Dies erfordert jedoch ein umständliches Nachschlagen auf den Seiten zuvor, wenn man an der kompletten bibliographischen Angabe interessiert ist. Hier wäre also entweder ein artikelbezogenes Literaturverzeichnis oder jeweils ein Verweis nach dem üblichen Muster "(s. Anm. ...)" unbedingt notwendig gewesen, so wie er - vermutlich irrtümlich - auf Seite 547 Anm. 96 auch noch stehen geblieben ist. Nach dem persönlichen Geschmack des Rezensenten wäre es außerdem dem Rahmen einer Festschrift angemessener gewesen, Hans Daiber ausführlicher als auf 1,5 Seiten zu würdigen (VIII-IX). Auch wären einige Worte zu den Personen der Beitragenden oder wenigstens zum Inhalt der Beiträge für eine erste Orientierung hilfreich gewesen.


Anmerkungen:

[1] Aetius Arabus: Die Vorsokratiker in arabischer Überlieferung (Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Veröffentlichungen der Orientalischen Kommission, 33), Wiesbaden 1980; The Meteorology of Theophrastus in Syriac and Arabic translation, in: Theophrastus. His psychological, doxographical and scientific writings, ed. by W. W. Fortenbaugh / D. Gutas (Rutgers University Studies in Classical Humanities, 5), New Brunswick / London 1992, 166-293.

[2] A Greek and Arabic Lexicon: ed. by G. Endreß / D. Gutas (Handbuch der Orientalistik 1, 1. Abteilung: Der Nahe und Mittlere Osten, 11), vol. I, Leiden / Boston 2002.

[3] Oliver Overwien: Hippocrates of Cos in Arabic gnomologia, in: Arabic Compendia - Investigations into a literary genre, ed. by S. Swain/ E. Wakelnig, vorauss. 2011.

Oliver Overwien