Bernhard Glasauer: Herzog Heinrich XVI. (1393 - 1450) der Reiche von Bayern-Landshut. Territorialpolitik zwischen Dynastie und Reich (= Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft; Bd. 5), München: Utz Verlag 2009, IV + 393 S., ISBN 978-3-8316-0899-7, EUR 49,00
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Die Zeit der bayerischen Teilherzogtümer stand lange Zeit nicht gerade im Mittelpunkt der landesgeschichtlichen Forschung, doch hat sich dies seit der letzten großen Synthese von Theodor Straub in Max Spindlers Handbuch der bayerischen Geschichte (Band 2, München 2. Aufl. 1988) allmählich geändert, wie an etlichen neueren Dissertationen ablesbar ist. Impulse kamen wohl von der Erforschung der Reichsgeschichte des 15. Jahrhunderts und auch von der Residenzenforschung, die sich in den letzten Jahrzehnten intensiv des Spätmittelalters angenommen hat. Die "reichen" Herzöge der Landshuter Linie haben in der bayerischen Landesgeschichte freilich schon immer ein gewisses Interesse gefunden, auch wenn erst die Forschungen von Walter Ziegler zum Staatshaushalt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts belastbare Daten geliefert haben. Von den reichen Herzögen der Landshuter Linie haben Ludwig IX. und Georg bislang jedoch wesentlich mehr Aufmerksamkeit erfahren als ihr Vater bzw. Großvater Heinrich, dem sich die vorliegende Arbeit zuwendet, die auf eine von Alois Schmid an der LMU München betreute Dissertation zurückgeht.
Wer sich mit der Geschichte der bayerischen Teilherzogtümer seit 1392 befasst, sieht sich mit einer umfangreichen Quellenüberlieferung konfrontiert, die größtenteils noch ungedruckt ist. Dabei stützt sich Bernhard Glasauer, wie am Quellenverzeichnis der vorliegenden Arbeit ablesbar ist, vornehmlich auf eine Vielzahl von Urkundenbeständen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Gegenstand der Arbeit ist - so der Untertitel - die Territorialpolitik Heinrichs XVI. von Bayern-Landshut "zwischen Dynastie und Reich", wobei natürlich vornehmlich an das Verhältnis zu den Nachbarherzogtümern Bayern-München, Bayern-Straubing-Holland (1425 ausgestorben) und Bayern-Ingolstadt (bis 1445/47) gedacht ist, aber auch die Politik gegenüber den zollerischen Burggrafen von Nürnberg und Markgrafen von Brandenburg und den bayerischen Hochstiften berücksichtigt wird. Der Verfasser wendet sich damit notgedrungen nur einem Teilaspekt der über ein halbes Jahrhundert währenden Regierungszeit des ersten Landshuter Herzogs zu, denn er möchte weder dessen Biographie schreiben (dessen gängiges Bild als "ruchloser Gewaltherrscher" er S. 16 f. bestreitet), noch eine Darstellung der Strukturen und Zustände bieten (wobei natürlich Probleme der Wirtschafts-, Verwaltungs- oder Ständegeschichte immer wieder aufscheinen). Vielmehr konzentriert sich Glasauer ganz auf die Territorialpolitik, um den Aufstieg von Bayern-Landshut zum um die Mitte des 15. Jahrhunderts bedeutendsten bayerischen Teilherzogtum darzustellen. Der Verfasser geht dabei von der (zugegeben wenig ambitionierten) These einer "dezidierten Territorialpolitik" des Herzogs aus, möchte nach "politischen Konzeptionen" und "dynastischen Plänen" fragen, konzentriert sich im Untersuchungsgang aber auch auf die "konkreten Maßnahmen", zielt dabei auch auf die Mittel und Möglichkeiten dynastischer Politik sowie ihre Flexibilität angesichts sich verändernder politischer Konstellationen (18). Dass sich diese Fragen nicht alle gleichermaßen werden beantworten lassen, legt schon der Überblick zur Quellenlage nahe (20ff.), der deutlich macht, dass sich die Untersuchung vor allem auf Verträge, Bündnisse, Briefwechsel und Urkunden stützt, während die erzählenden Quellen aus dem spätmittelalterlichen Bayern eben nicht am Hof des Herzogs und zumeist auch erst mit einigem zeitlichen Abstand entstanden sind. Dass ihre Aussagekraft begrenzt ist, räumt auch der Verfasser ein. Anstelle pointierter Aussagen spätmittelalterlicher Hofgeschichtsschreiber wird somit die notgedrungen eher kleinteilige Analyse territorialpolitischer Vorgänge anhand zumeist nichtintentionaler Quellen geboten.
Der Verfasser liefert somit eine dem Verlauf der Ereignisse folgende Darstellung der Territorialpolitik in sieben Kapiteln, die zugleich wesentliche Etappen und Ereigniskomplexe in der Regierungszeit des reichen Herzogs bezeichnen. Landesteilung und Vormundschaftsregierung (bis 1403) bilden den Ausgangspunkt, um die Schritte zur eigenständigen Politik zu schildern, die sich zunächst in Ausgleichsverhandlungen mit Bayern-Ingolstadt und in der Anlehnung an das Haus Habsburg (Heirat mit Margarethe, der Tochter Herzog Albrechts IV. von Österreich) niederschlagen. Dann werden die Anfänge der Bündnispolitik Herzog Heinrichs behandelt, die von der Konfrontation mit Herzog Ludwig VII. von Ingolstadt nach dem gescheiterten Ausgleich von 1410 bestimmt blieb und in die Konstanzer Liga von 1415 mündete. Die Folge war der sogenannte Bayerische Krieg 1420-1422, den der Landshuter durch den Zugewinn einiger Ingolstädter Gebietsteile für sich entscheiden konnte. Weitaus größeren Gewinn sollte der im Anschluss näher behandelte, durch das Aussterben der Linie Straubing-Holland 1425 ausgelöste Erbfall bringen, der schließlich nach langwierigen Verhandlungen zwischen den herzoglichen Teillinien 1429 in die Vierteilung von Bayern-Straubing mündete. Das Verhältnis zu den anderen wittelsbachischen Herzogslinien, aber auch zu den benachbarten Hochstiften Passau und Regensburg und dem Erzstift Salzburg bestimmte die zwischen Konsolidierung und Konfrontation changierende Politik in den 1430er Jahren. Das Ende der Ingolstädter Linie hat Herzog Heinrich von Bayern-Landshut weniger herbeigeführt als erfolgreich abgewartet, um zum richtigen Zeitpunkt zuzugreifen. Diese Vorgänge, die schließlich in der Gefangenschaft des geächteten Herzogs Ludwig des Bärtigen (gest. 1447) in Burghausen gipfeln sollten, sind dann Gegenstand des letzten Kapitels. König Friedrich III. hat Heinrich XVI. gegen erhebliche Geldzahlungen 1448 mit dem Ingolstädter Herzogtum belehnt, das er bereits in Besitz genommen hatte. Der Widerstand Herzog Albrechts III. von Bayern-München wurde in den folgenden Jahren überwunden und mündete in den Erdinger Vertrag, den aber erst Ludwig der Reiche nach dem Tod seines Vaters mit Herzog Albrecht abschließen konnte. Die erfolgreiche Politik Heinrichs XVI. hat dazu geführt, dass das Territorium im Laufe der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf das Doppelte vergrößert wurde.
Wie Bernhard Glasauer in seiner nicht immer aufregenden, aber klar geschriebenen und strukturierten, aus den Archivalien gut belegten Studie zeigt, prägten sich die leitenden politischen Zielsetzungen Herzog Heinrichs des Reichen schon frühzeitig aus, nämlich Erhalt der eigenen Dynastie, politische Absicherung nach Außen und territoriale Expansion (341). Als wichtigstes, wenn auch nicht immer erfolgreiches Instrument erwies sich dabei die nach allen Richtungen ausgreifende Bündnispolitik des Herzogs. Die Reichspolitik spielte dabei keine zentrale Rolle. Soweit in sehr geraffter Form die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit, bei deren Lektüre man sich allerdings wünschen würde, dass die regionalen Ergebnisse noch stärker reflektiert, problematisiert und in einen überregionalen, landesgeschichtlich vergleichend angelegten Horizont eingebettet würden. Hier liegen wohl die Grenzen dieser Arbeit, was sich auch in manchen Fußnoten niederschlägt, in denen zwar reichlich Literatur bibliographisch nachgewiesen, aber nicht immer in ihrem Ertrag diskutiert wird. Gelegentlich wird hier auch des Guten zu viel getan, beispielsweise wenn in Fußnote 10 Literatur über den Habsburger Friedrich III. aufgelistet wird, darunter Franz Herre, Kaiser Friedrich III. Deutschlands liberale Hoffnung (1987), ein Buch über den Hohenzollernkaiser (1888)!
Dynastie- und territorialgeschichtliche Untersuchungen sind lange Zeit kaum auf Interesse gestoßen und bewegen sich auch heute eher auf Seitenpfaden neben den Hauptströmen der Geschichtsforschung, aber man wird nicht davon absehen können, dass die großen fürstlichen Territorialherrschaften des späten Mittelalters, zu denen die Teilherzogtümer der Wittelsbacher gehörten, eine historische Realität waren, die es nach den der Epoche angemessenen Kategorien zu erforschen gilt. Das hat der Verfasser getan, und es bleibt zu hoffen, dass nicht nur für Bayern weitere Arbeiten auf diesem Feld folgen werden.
Enno Bünz