D. T. Potts: Mesopotamia, Iran and Arabia from the Seleucids to the Sasanians (= Variorum Collected Studies Series), Aldershot: Ashgate 2010, XV + 354 S., ISBN 978-1-4094-0535-1, EUR 75,00
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Der vorliegende Band ist eine Sammlung bereits publizierter Beiträge des ausgewiesenen Orient-Kenners D.T. Potts zu den drei Regionen, mit denen der Autor sich während seiner bisherigen Forschungstätigkeit schwerpunktmäßig beschäftigt hat: Mesopotamien, Iran und Arabien in der vor-islamischen Epoche. Sie umfassen fast zwanzig Jahre Forschungstätigkeit und bieten Einsichten in ganz unterschiedliche Themenbereiche, die er selbst als "historical geography, religion and religious iconography, political and economic history, and material culture" bezeichnet (xi).
Methodisch eint die Beiträge, dass Potts sich mit bewundernswerter Akribie nicht nur durch die vorhandenen literarischen, epigraphischen, numismatischen und archäologischen Quellen, sondern insbesondere auch durch die älteren Forschungsarbeiten zum Mittleren Osten seit dem 18. Jahrhundert gearbeitet hat und dabei immer wieder lang gehegte Postulate der Forschung als voreilig zurückweisen kann.
Beispielhaft lässt sich dies an dem historisch-geographischen Beitrag "Seleucid Karmania" von 1989 aufzeigen, in welchem Potts sich u.a. mit der Frage nach der genauen Lokalisierung des Aufeinandertreffens Alexanders mit Nearchos und der Flotte auseinandersetzt. Er kommt nach ausführlicher Analyse der antiken Quellen, der arabischen Geographen und der geographischen Gegebenheiten vor Ort zu dem Schluss, das alle bisherigen Theorien fehlerhaft sind und ein Treffen in Karmania nicht sicher lokalisierbar sei. Im Gegenteil hätten die Quellen möglicherweise die Chronologie der Ereignisse verändert und das Treffen habe gar nicht erst in der Region, sondern bereits früher statt gefunden. Damit kann aber auch die bisherige Identifikation der in der Tabula Peutingeriana genannten Orte mit aktuellen Orten in der Region nicht aufrechterhalten werden. Weitere Beiträge zu historisch-geographischen Themen beschäftigen sich mit der Identifikation der Orte Madaktu und Badace, den Routen durch Arabien in der vor-islamischen Periode, der Identifikation des Eulaios-Flusses, dem Namen der Residenzstadt Gundeshapur, sowie nabatäischen Funden aus Thaj und Qatif in Saudi-Arabien.
Einen Einblick in die wirtschaftshistorische Forschung Potts' liefert der Beitrag "The Roman relationship with the Persicus sinus from the Rise of Spasinou Charax (127 BC) to the Reign of Shapur II (AD 309-379)", der zuerst 1997 im Sammelband "The early Roman Empire in the East" erschien. Hier zeichnet Potts die zunehmende ökonomische Verflechtung zwischen dem Römischen Reich und dem Persischen Golf vor allem mithilfe von archäologischem und epigraphischem Material nach. Während die Forschung allzu oft nur den Weg der orientalischen Luxuswaren ins Römische Reich im Blick hat, kann Potts die Rolle der römischen Importe in die Region des Persischen Golfes betonen: "[...]the goods concerned were mainly luxury goods, none of them necessary for life in the region in the strictly utilitarian sense. Symbolically, however, they were anything but luxuries. Rather, they were absolutely necessary, required by the elites of the Persicus sinus to display a cosmopolitan veneer which local goods simply could not impart." (XI, 17).
Der Beitrag findet sein geographisches Pendant in einem Artikel für die 'Studia Iranica' von 2008, in dem Potts "The Sasanian relationship with South Arabia: Literary, epigraphic and oral historical perspectives" analysiert. Hier zeigt sich einmal mehr die für ihn typische Kombination von umfassenden Kenntnissen sowohl der Archäologie der Region als auch der arabischen Quellen. So gelingt es ihm vor allem, die politische Einflussnahme eines Großreiches und deren Auswirkungen auf die Region aufzuzeigen. Ähnlich weist auch der Beitrag zur Geschichte der Elymais im Lichte der astronomischen Tagebücher und zur Charakene in den Bereich der politischen Geschichte.
Potts versteht es aber auch, Münzfunde gewinnbringend zu interpretieren, etwa in seinem Beitrag "Augustus, Aelius Gallus and the Periplus: A re-interpretation of the coinage of San'â Class B", der sich mit frühen südarabischen Münzen beschäftigt. Die Ikonographie dieser Münzen weist deutliche Anleihen an die Münzen des Augustus auf. Die augusteischen Vorbilder scheinen nach Potts nicht wie bisher angenommen anlässlich der Kampagnen des Aelius Gallus in die Region gelangt und dort zu Vorbildern geworden zu sein, sondern erst nach der Münzreform Neros ab 64 n.Chr. Damit markiert für ihn die flavische Zeit, die nach Aussage des Periplus durch gute Beziehungen zwischen dem Römischen Reich und den südarabischen Herrschern geprägt war, den Beginn einer südarabischen Münzprägung, die sich an der des Augustus orientierte. Ebenfalls mit der Interpretation von Münzfunden beschäftigen sich die Beiträge zu der Ikonographie post-achaemenidischer persischer Münzen und der weiteren Münzprägung von Sanaa.
Potts beschäftigt sich aber auch immer wieder mit religionshistorischen Themen. In seinem Beitrag "A re-examination of Late Period graves at Yorgan Tepe (Nuzi)", der zuerst 1996 erschien, setzt er sich nach der archäologischen Auswertung der sassanidischen Grabfunde mit der historischen Entwicklung der Siedlung Nuzi und ihres Umlands in sassanidischer Zeit auseinander. Nuzi war ein sekundäres Zentrum im Bereich der Stadt Karka, welche ein Zentrum des frühen Christentums in der Region seit dem ausgehenden 2. Jahrhundert n. Chr. bis in sassanidische Zeit war. Mit diesem frühen - nestorianischen - Christentum in der Region beschäftigt sich auch ein Beitrag zu nestorianischen Kreuzen aus dem Jabal Berri. Weitere religionsgeschichtliche Beiträge finden sich zur Rolle der Esel im Ares-Kult in Karmania, der Religion Babyloniens und des Iran im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr., Begräbnisriten im hellenistischen Uruk und möglichen frühchristlichen Gräbern aus dem Bahrain.
In die sassanidische Zeit führen Beiträge zu spät-sassanidischen Waffen aus Südarabien und einem sassanidischen Bleipferd aus Nordostarabien. Sie zeigen die thematische wie auch fachliche Bandbreite der Arbeiten des Autors und weisen ihn einmal mehr als intimen Kenner der Region in allen vor-islamischen Epochen aus.
Die Beiträge sind mit der zu ihrer ursprünglichen Publikation gehörigen Formatierung sowie den ursprünglichen Seitenzahlen abgedruckt und mit römischen Zahlen durchnummeriert. Abbildungen, Zeichnungen und Karten sind ebenfalls entsprechend den Originalpublikationen in die Beiträge eingebunden. Ein gemeinsamer Index am Ende des Bandes erleichtert eine gezieltere Nutzung. Angesichts der hohen Qualität von Papier und Einband hätte man sich aber auch bei der Gestaltung des Layouts mehr Willen zur Einheitlichkeit gewünscht, auch wenn dies nach Aussage der "Publisher's note" (ix) in der vorliegenden Reihe nicht üblich ist. Trotzdem ist der Sammelband eine lohnenswerte Lektüre zur Region, der gleichermaßen die beeindruckende Bandbreite der Forschungsinteressen des Autors wie auch die der Themen der Forschung zum Mittleren Osten überhaupt augenfällig macht.
Julia Hoffmann-Salz