Rezension über:

Scott McGill / Cristiana Sogno / Edward Watts (eds.): From the Tetrarchs to the Theodosians. Later Roman History and Culture, 284-450 CE (= Yale Classical Studies; 34), Cambridge: Cambridge University Press 2010, IX + 321 S., ISBN 978-0-521-89821-8, GBP 55,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Sebastian Schmidt-Hofner
Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Sebastian Schmidt-Hofner: Rezension von: Scott McGill / Cristiana Sogno / Edward Watts (eds.): From the Tetrarchs to the Theodosians. Later Roman History and Culture, 284-450 CE, Cambridge: Cambridge University Press 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 6 [15.06.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/06/18111.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Scott McGill / Cristiana Sogno / Edward Watts (eds.): From the Tetrarchs to the Theodosians

Textgröße: A A A

From the Tetrarchs to the Theodosians versammelt 13 Beiträge zu Ehren von John Matthews unter dem Thema Later Roman History and Culture, 284-450 CE, die Schüler und Weggefährten ihm zu seinem 70. Geburtstag gewidmet haben. Matthews' breites Oeuvre zur spätantiken Geschichte und Geschichtsschreibung, das die Herausgeber in der Einleitung skizzieren, ist das einigende Band dieser Festschrift, die bei aller genrebedingten thematischen Vielfalt einen guten Eindruck von Fragen und Ansätzen der gegenwärtigen Spätantike-Forschung gibt und damit zugleich deren nachhaltige Beeinflussung durch den Geehrten dokumentiert.

Einen ersten thematischen Block zu Politics, Law, and Society eröffnet David Potters The Unity of the Roman Empire mit einem Beitrag zum Kardinalproblem der Epoche, der Frage nach den Gründen für den schnellen Untergang des römischen Reiches im Westen nach einer exzeptionell langen Phase stabiler Herrschaft. Er blickt dazu auf die Gründe für diese Stabilität und findet sie in der Wandlungsfähigkeit der Konzeption und Praxis römischer Herrschaft seit der italischen Expansion, für die er drei Phasen unterscheidet. Die letzte Wandlung in der Herrschaftspraxis ab dem 3. Jahrhundert n.Chr. sei durch eine Verselbständigung der Verwaltung gekennzeichnet gewesen, die wiederum durch die Einbindung der provinzialen Eliten befördert worden sei. Diese letzte Entwicklung habe Gruppierungen an die Macht gebracht, deren Partikularinteressen, so Potter in Anknüpfung an ältere Erklärungsmodelle, eine erfolgreiche erneute Anpassung an die Herausforderungen der 'barbarischen' Invasionen verhindert und zugleich die Regionalisierung der Herrschaftsräume vorbereitet und mitgetragen hätten. Zwei weitere Beiträge der Sektion beschäftigen sich mit dem Patronagewesen. Peter Guarnsey (Roman patronage) setzt sich kritisch mit neueren Ansätzen auseinander, die den Patronat als Spezifikum und Institution von zentraler Bedeutung für die römische Gesellschaft relativieren, und evaluiert dazu einschlägige Phänomene bis in die Spätantike; Cristiana Sogno, Roman Matchmaking, zeichnet anhand einschlägiger Briefe des Plinius, des Symmachus und des Augustinus ein anschauliches Bild der Strategien und der Rolle von Patronen bei Eheanbahnungen in der römischen Gesellschaft. John Matthews Interesse an der spätrömischen Rechtsgeschichte und dem Codex Theodosianus im Besonderen sind ebenfalls zwei Beiträge gewidmet. Serena Conolly legt in Constantine answers the lawgivers eine detaillierte Interpretation von CTh 7.20.2 = CJ 12.46.1 vor, dem Protokoll einer Audienz von Veteranen bei Konstantin. Jill Harries demonstriert die Schwierigkeiten, Constantine the lawgiver zu würdigen, am Beispiel seiner Gesetze über die Gültigkeit von Testamenten: Anders als das durch Euseb konstruierte Bild einer christlich inspirierten Gesetzgebung des Kaisers insinuiert, stehe Konstantins Gesetzgebung in diesem Bereich in einer langen Tradition, sei also weder innovativ noch christlich inspiriert gewesen.

Der zweite Abschnitt des Bandes, Biography and Panegyrics, versammelt vier Beiträge zur Rezeption und Transformation klassischer Bildungsinhalte in der Spätantike. Ed Watts, Three Generations of Christian Philosophical Biography, zeigt, dass und wie die Gattung der philosophischen Biographie, die in der Spätantike eine erneute Blüte erlebte, von christlichen Autoren aufgegriffen und adaptiert wurde. Die starken Varianten dieser Adaption führt er exemplarisch an drei Texten vor, Eusebius' Lebensbeschreibung des Origines im sechsten Buch seiner Kirchengeschichte, Athanasius' Leben des Antonius und Augustins Confessiones; Ergebnis ist, dass christliche und traditionelle Bildungsmilieus sich auch hier näherstehen als häufig angenommen. Als Quelle für die Bedeutung und Wahrnehmung klassischer Bildung durch die Zeitgenossen untersucht Josiah Osgood The education of Paulinus of Pella anhand von dessen autobiographischen "Eucharisticos". Die in dieser Schrift erkennbare Distanz gegenüber der eigenen Bildungskarriere mag mit dem Einfluss der Confessiones Augustins zu erklären sein, vielleicht aber auch mit dem Legitimationsdefizit einer Ausbildung, die ganz auf die Karriere im Staatsdienst zielte, nach dem Zusammenbruch römischer Staatlichkeit. Die Wundererzählungen in der Vita Virgilii des Phocas sind das Thema von Scott McGills Another man's miracles. McGill schlägt vor, darin weniger Naivität als vielmehr eine - häufig auf intertextuellen Verweisen aufbauende - literarische Strategie zu sehen, die auf ein gebildetes Publikum zielte, das solche fiktionalen Elemente entziffern konnte. Zwei Motive in den julianischen Reden Gregors von Nazianz schließlich behandelt Susanna Elms Beitrag über The Art of Governance Revisited: Mit der Darstellung Julians als 'schlechtem Schauspieler' appellierte Gregor erstens an ein traditionelles soziales Vorurteil, um Julian die für das Kaiseramt nötige gravitas abzusprechen. Zweitens wurde der Kaiser durch die Bezeichnung der Schrift als "stelographia" gleichsam wie auf einer öffentlich errichteten Schandstelle verfemt. Dabei sei es Gregor darum gegangen, der neuen, christlichen Dienstaristokratie des Ostens Rollenmodelle für und Maßstäbe an einen christlichen Herrscher vorzugeben.

Eine dritte und letzte Gruppe von Beiträgen behandelt Faces of Theodosius I. Den Auftakt macht Peter Heathers Beitrag Liar in Winter: Themistius and Theodosius, in dem er Themistius' 15. Rede in Anlehnung an Malcolm Erington als Teil einer Strategie des Kaisers deutet, neue Legitimationsgrundlagen für seine Herrschaft nach dem militärischen Misserfolg gegen die Goten zu erschließen und die neue Politik gegenüber den Goten zu rechtfertigen, die zu deren Ansiedelung in der neuartigen Form eines geschlossenen, teilautonomen Verbandes führte. Dies gibt Heather zudem Gelegenheit, zu der durch die Debatte um die Ethnizität der Goten provozierten Frage Stellung zu nehmen, ob und in welcher Weise von dieser Ansiedlung eine Linie zum Aufstand des Alarich und damit langfristig zum Untergang römischer Herrschaft im Westen führte. Brian Croke (Reinventing Constantinople) zeigt in einem materialreichen Überblick, wie die Stadt Konstantinopel unter Theodosius (und erst dann) durch kaiserliche Rituale und ihre bauliche Rahmung nach und nach zur alternativlosen imperialen Residenz des Ostens geformt wurde. In einem thesenstarken und zweifellos kontroverse Diskussionen anregenden Beitrag, Moments of Truth: Gregory of Nazianzus and Theodosius I, gibt Neil McLynn eine auf den Schriften Gregors von Nazianz beruhende radikale Reinterpretation der vieldiskutierten Religionspolitik des frühen Theodosius in Konstantinopel. So habe Theodosius anfänglich keineswegs gegen den homöischen Bischof der Stadt und Vertreter der Bevölkerungsmehrheit agiert, sondern diesem sogar zunächst Kooperation angeboten und sich erst später Gregor und dem nizänischen Bekenntnis zugewandt. Eine Predigt Gregors (or. 33) spreche weiterhin dafür, dass die Konstitution "Cunctos populos" von 380 so verstanden werden muss wie sie zunächst wohl wirkte, nämlich als eine ausschließlich auf Konstantinopel bezogene Willenserklärung, der keine Maßnahmen folgten. Und auch CTh 16.5.6 (381) dürfte, so schließt McLynn aus Gregors or. 37, einen Anwendungsbereich gehabt haben, der so begrenzt war wie das Interesse des Kaisers an weitergehenden antihäretischen Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt. Mark Vessey schließlich (Reinventing History: Jerome's Chronicle and the Writing of the post-Roman West) stellt Überlegungen an, ob die zeitliche Koinzidenz des Endes klassizistischer lateinischer Historiographie (das er mit Ammian faktisch gegeben sieht) mit dem Beginn der rasanten Verbreitung christlicher historiographischer Literatur mehr als Zufall ist. Er beschließt damit eine Festschrift, deren Beiträge fast alle Themen von weiterreichender Relevanz behandeln und teilweise mit Sicherheit Diskussion anregen werden. Sie ist so ein schönes Zeugnis der Bedeutung des Geehrten für die Historiographie der Spätantike.

Sebastian Schmidt-Hofner