Dietmar Dath: Rosa Luxemburg (= Suhrkamp BasisBiographie; 35), Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 2010, 153 S., ISBN 978-3-518-18235-2, EUR 8,90
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Die in den Reihen verschiedener Verlage erscheinenden Kurzbiographien bekannter Persönlichkeiten sollen kompetent und sachlich auf knappem Raum - in der Regel zwischen 100 und 150 Seiten - informieren. Diesen Anspruch haben auch Suhrkamps sogenannte »BasisBiographien«, die alle in Leben, Werk und Wirkung gegliedert sind. Der Text wird durch farblich abgehobene Zitatkästchen und zahlreiche Abbildungen aufgelockert, Marginalien und eine Zeittafel erleichtern die Orientierung ebenso wie einige Literaturhinweise, denen ein Personen- und ein Werkregister folgen.
Diesen Grundprinzipien ist auch die Luxemburgskizze des Schriftstellers und Journalisten Dietmar Dath verpflichtet. Zunächst werden die wichtigsten Lebensstationen abgeschritten (13-65). Er berichtet von der jüdischen Herkunft und Kindheit im russischen Polen, den sozialistischen Anfängen in Warschau und später in Zürich, wo sie studierte, promovierte und gemeinsam mit Leo Jogiches und dem heute fast vergessenen Julian Balthasar Marchlewski die Sozialdemokratie des Königreichs Polen gründete. In den Blick geraten Rosa Luxemburgs Schritte nach Deutschland und in die deutsche Sozialdemokratie. Dies gilt auch für ihren nicht zuletzt in der Herkunft wurzelnden, konsequenten Internationalismus, ihre unverrückbare revolutionäre Orientierung und ihren Antimilitarismus, die alle zum Weg in die linke Opposition - USPD, Spartakusgruppe und KPD - beitrugen. Dies wird alles flott erzählt, ebenso erfährt man ein wenig von den Bedrückungen eines linkspolitischen Lebenswegs im Kaiserreich, von Haftstrafen, von Konflikten und emotionalen Wendungen. Als herausragende Führungsfigur der Linken war Luxemburgs Leben bereits früh in der Revolution 1918/19 bedroht und endete mit ihrer und Karl Liebknechts Ermordung durch Waldemar Pabsts Garde-Kavallerie Schützendivision, nach allem was die seriöse Forschung ermittelt hat, wohl zumindest stillschweigend gebilligt vom sozialdemokratischen Volksbeauftragten Gustav Noske.
Die untrennbar mit diesem politischen Leben verknüpften Hauptwerke - etwa Sozialreform oder Revolution (1898/99), Akkumulation des Kapitals (1913), Krise der Sozialdemokratie (1916) - werden danach im Kapitel »Werk« quellennah und zitatgesättigt vorgestellt und eingeordnet (66-127). Als Hauptwerkstränge benennt Dath, Antirevisionismus, Kapitalismustheorie und Revolutionsbedingungen und wendet sich gegen Missverständnisse der Rezeption, die Rosa Luxemburg zu einer unangepassten Sozialistin des Typus' moderne, linksradikale Intellektuelle verklärten. Besonders zu würdigen ist, dass Dath den Antimilitarismus deutlich herausarbeitet, der keinesfalls mit Pazifismus zu verwechseln ist. Denn der Kriegsgegnerin stand nicht erst seit der Teilhabe an der russischen Revolution 1904/05 klar vor Augen, dass ein Umsturz der sozialen und politischen Verhältnisse gewaltfrei nicht zu machen war. Ihre in der kommunistischen Theorie und Politik vielbeachteten, scharfsinnigen und teils polemischen Studien ließen sie zwar zum "Adler" unter den "Hühnern" (Lenin) werden, aber die inhaltlichen Differenzen mit Lenin und auch Stalin über die Frage der zentralistischen Organisation der Parteistruktur diskreditierten ihr Werk in der marxistischen Orthodoxie und im real existierenden Sozialismus: "Luxemburgismus" wurde in den 1930er Jahren zum abwertenden Begriff. Die im Sommer 1918 im Gefängnis formulierte, berühmte grundsätzliche Kritik am blutigen Terror der Bolschiwiki gehört gewiss in diesen Zusammenhang: "Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden". Dath stuft ihn ein als "schlichtes ethisches Postulat, ein Axiom, kein Denkergebnis" (66).
Die insgesamt anregende biographische Skizze will mehr sein als eine Einführung in Leben und Werk einer historischen Figur. Dies wird nochmals im letzten Abschnitt »Wirkung« erkennbar (128-142). Hier finden sich etwa Bemerkungen zur medialen Breitenwirkung - Theater, Musik und Film - und zur Rezeption in der innermarxistischen Debatte sowie in der Kapitalismusforschung; geschichtswissenschaftliche Kontroversen zwischen Ost und West fehlen freilich. Das aber kann nach der Lektüre nicht verwundern, denn Dath, der seine linke politische Position und Sympathie für Luxemburg keineswegs verhehlt, ist es nicht zuletzt um die Aktualität, um Gegenwartsbezüge der Hinterlassenschaften und auch um eine Renaissance von Luxemburgs Denken im linken politischen Spektrum zu tun.
Nils Freytag