Amalie Fößel (Hg.): Die Kaiserinnen des Mittelalters, Regensburg: Friedrich Pustet 2011, 327 S., 16 Abb., ISBN 978-3-7917-2360-0, EUR 34,90
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Der vorliegende Sammelband richtet sich an ein breites Publikum, zu dem Fachleute ebenso zählen wie interessierte Laien. Experten und Expertinnen stellen darin die Lebenswege der lateinischen Kaiserinnen in anschaulicher Weise und allgemein verständlicher Sprache dar. Der Band versammelt biographische Abrisse der 25 lateinischen Kaiserinnen des Westens von Irmingard, der Ehefrau Ludwigs des Frommen, bis zu Eleonore von Portugal, der Gattin Friedrichs III. Er führt so von der karolingischen Zeit bis an das Ende des Mittelalters.
Ziel des Sammelbandes ist es laut Herausgeberin, die Biographien der Kaiserinnen erstmals an einem Ort zu versammeln. Im Vorwort spannt Amalie Fößel in einem breiten Bogen den chronologischen Rahmen auf, benennt die wichtigsten Entwicklungsphasen und strukturellen Merkmale. Das Kaisertum war durch männliche Akteure bestimmt. Der Weg zum Kaisertum führte für Frauen allein über die Ehe mit (späteren) Kaisern. Einige Kaiserinnen wurden zwar auch gekrönt und gesalbt, Anlass und Umstand variierten aber. Adelheid, die Gemahlin Ottos I., begründete als 'consors regni' ein auch für spätere Kaiserinnen gültiges Modell: die Kaiserin als Teilhaberin an der Herrschaft. Die konkreten Handlungsspielräume innerhalb dieses Modells waren jedoch weder klar vorgegeben noch konstant, sondern hingen von einer Vielzahl von Faktoren wie politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, verwandtschaftlichen Netzwerken und individuellen Fähigkeiten ab.
Die einzelnen Beiträge bieten Einblick in die "Lebenswege, Lebensbedingungen und Handlungsweisen von Kaiserinnen [...] im Wandel der Zeiten" (8). Die Kurzporträts der Kaiserinnen sind chronologisch angeordnet. Zu Beginn eines jeden Beitrages findet sich eine Übersicht mit den wichtigsten Daten zum Leben der Kaiserin, zur familiären Herkunft, Eheverbindungen und zu Kindern. Bis auf diese voran gestellten Informationen wird in dem Sammelband auf einen einheitlichen Aufbau der Beiträge verzichtet. Manche Verfasser / Verfasserinnen folgen anschaulich dem Lebensweg ihrer Protagonistinnen, so etwa Brigitte Kasten zu den Kaiserinnen in karolingischer Zeit, die mit der größten Quellenarmut zu kämpfen hat, Amalie Fößel zu Adelheid, Claudia Zey zu Mathilde von England oder Stefan Pätzold zu Richenza; andere wählen einen eher strukturellen Zugang wie Ludger Körntgen zu Gisela, Andreas Rüther zu Anna von Schweidnitz-Jauer oder Uwe Ludwig zu Elisabeth von Pommern. Achim Thomas Hack eröffnet seinen Beitrag über Eleonore von Portugal mit einer hilfreichen Übersicht zu Quellen und Forschungen.
Die Experten und Expertinnen schreiben auf dem aktuellsten Stand der Forschung, die Schwerpunktsetzung unterscheidet sich jedoch von Beitrag zu Beitrag. Einige wie Heike Hawicks (Theophanu), Claudia Zey (Mathilde von England), Ludger Körntgen (Gisela) Stefanie Dick (Margarete von Hennegau) oder Achim Thomas Hack (Eleonore von Portugal) ordnen ihre Darstellung in den Forschungskontext ein oder äußern sich zu methodischen Fragen, andere wie Amalie Fößel (Adelheid), Mechthild Black-Veldtrup (Agnes von Poitou) oder Ingo Runde (Konstanze von Aragón) verzichten auf die explizite Thematisierung von Forschungsstand und -desideraten.
Es handelt sich bei dem Sammelband um eine Art Kompendium zu den Kaiserinnen des Westens. Aus den Anmerkungen zu den einzelnen Beiträgen lassen sich die wichtigsten Quellen und Literatur entnehmen, es fehlt jedoch eine gesonderte Bibliographie, wie sie beispielsweise ein Band zu den französischen Königen des Mittelalters bietet [1]. Die Stärke des Sammelbandes liegt in seinem Charakter als Überblickswerk. Der Band erlaubt einen schnellen Zugriff auf die wichtigsten Informationen zu Lebenswegen und politischen Handlungsspielräumen der Kaiserinnen auf aktuellem Forschungsstand. Die Beiträge sind qualitativ hochwertig und auch für historisch interessierte Laien verständlich geschrieben.
Zum Schluss sei jedoch noch bemerkt, dass man sich gewünscht hätte, dass im Vorwort stärker darauf eingegangen worden wäre, was denn nun typisch "kaiserlich" an den Handlungsspielräumen der Herrscherinnen gewesen ist, und in welchem Verhältnis Kaiser(innen)tum und König(innen)tum zueinander stehen. Einige Beiträger setzen sich explizit mit diesem Problem auseinander, so etwa Ludger Körntgen: "das Kaisertum wird weitgehend von dessen [gemeint ist das Königtum] Voraussetzungen her bestimmt" (100) und Brigitte Kasten: "Tatsächlich ist kein qualitativer Unterschied zwischen einer Königin und einer Kaiserin zu erkennen" (29). In vielen Beiträgen wird deutlich, dass eine Unterscheidung zwischen "Kaiserin" und "Königin" nicht möglich oder hilfreich ist. Trotz dieser Reflexionen in den Kurzporträts fehlen entsprechende Überlegungen im übergeordneten Kontext. Es wird nicht gefragt, was Kaiserinnen ausmacht, welche Lebensbedingungen und Handlungsspielräume typisch kaiserlich/imperial sind und welche auch für Königinnen gelten. Dieser Umstand mindert jedoch nicht den positiven Gesamteindruck des Sammelbandes. Zukünftige Projekte zu Kaiserinnen und eventuelle Vergleiche zwischen lateinischen und byzantinischen Kaiserinnen könnten von einem noch stärker konzeptionell ausgerichteten Blick profitieren.
Anmerkung:
[1] Joachim Ehlers (Hg.): Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498, München 2006, im Anhang 353-381.
Christine Kleinjung