Veronika Laufen: Der Verband katholischer kaufmännischer Vereinigungen 1877-1933 (= Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte; Bd. 22), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2011, 515 S., ISBN 978-3-631-62053-3, EUR 79,80
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Zu den Grundpfeilern des "katholischen Milieus", das das konfessionelle Gebäude Deutschlands von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zusammenhielt, gehörte ein ausdifferenziertes Vereinswesen. Neben religiösen Vereinen waren es die berufsständischen Organisationen, die Katholiken einen Zusammenhalt und die Möglichkeit zur Interessenvertretung ermöglichten. Am bekanntesten sind die Arbeitervereine und die interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften.
In ihrer Düsseldorfer Dissertation untersucht Veronika Laufen eine Vereinigung, die bis heute existiert, den KKV, heute "Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung". Aus Marianischen Kongregationen für Kaufleute und Katholischen Kaufmännischen Vereinen wurde 1877 in Mainz ein gemeinsamer Verband gegründet, dessen Grundprinzipien lauteten: katholisch, berufsständisch und paritätisch (gleichberechtigte Mitgliedschaft von Angestellten und Selbstständigen). Die Vereinigung gliederte sich in drei Ebenen: Verbands-, Gau- und Ortsebene. Neben den gewählten Laienverantwortlichen stand auf allen Ebenen ein geistlicher Präses. Die Expansion des Verbandes, der den Höchststand an Mitgliedern im Jahr 1930 erreichte (44.581 in 359 Ortsverbänden), erforderte eine Professionalisierung der Verwaltung. Nachdem in den ersten Jahren jeweils der die Generalversammlung ausrichtende Ortsverein die zeitweise Leitung übernommen hatte, wurde 1906 in Essen eine dauerhafte Geschäftsstelle eingerichtet.
Für die innere Entwicklung des Verbandes war ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den religiösen Zielen und der Pflege von Kultur und Geselligkeit wichtig. Die Verbandstage hatte so das typische Gepräge katholischer Inszenierungen der Milieu-Periode. Inhaltlich positionierte sich der KKV durch seine Publikationen, besonders die Verbandszeitschrift "Mercuria", aber auch in vor allem in der Weimarer Republik neu gegründeten steuer-, wirtschafts- und sozialpolitischen Verbandspublikationen. Der KKV bekannte sich zu den Prinzipien der katholischen Soziallehre, besonders zum Solidarismus und einer berufsständischen Ordnung.
Politisch hatten die meisten KKV-Mitglieder ihre Heimat im Zentrum bzw. der Bayerischen Volkspartei, wenn auch eine politische Mobilisierung seitens des Verbandes erst nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte. Der KKV meldete sich mit Stellungnahmen dann zu Wort, wenn Interessen des Handels betroffen waren. So ergriff er Maßnahmen zur Verbesserung der kaufmännischen Ausbildung, forderte zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zu gesetzlichen Regelungen von Ladenschlusszeiten und Sonntagsruhe auf. Der KKV bezog Stellung zu Angestellten-Tarifverträgen und Kartellen, zu Warenhäusern und Kolonien. Der Erwerbstätigkeit der Frau stand er kritisch gegenüber, weil dadurch wegen der geringeren Bezahlung den Männern die Arbeitsplätze weggenommen würden. Latent antisemitische Tendenzen zeigten sich im KKV im Zusammenhang mit der Debatte über die katholische Inferiorität und die durch jüdische Kaufleute entstandene Konkurrenz.
Ein wichtiger Teil der Tätigkeit des KKV war die Sorge für die Mitglieder. Zu diesem Zweck schuf der Verband Vorsorgeeinrichtungen, wie eine Kranken- und Sterbekasse, sowie mehrere Unterstützungseinrichtungen für bedürftige Mitglieder. Stellenvermittlung, Rechtsschutz und Beratung wurden gewährleistet. Drei Erholungsheime in Hammelburg, Bad Landeck und Friedrichroda standen zur Verfügung. Für Jugendliche wurden zunächst Lehrlingsabteilungen im KKV eingerichtet, die nach und nach in den Verband eingegliedert wurden.
Ein schwieriges Kapitel stellte die Suche nach dem richtigen Platz des KKV innerhalb der Angestelltenbewegung dar. Die Kontroverse um katholische oder christliche Gewerkschaften wurde auch im KKV geführt. Um nach dem Krieg eine Abwanderung in die Gewerkschaften zu verhindern, suchte der KKV den Anschluss an den Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband, geriet dadurch aber in das Fahrwasser der nationalen Rechten.
Veronika Laufen hat eine kenntnis- und detailreiche Verbandsgeschichte des KKV vorgelegt und dazu neben dem Verbandsarchiv auch die relevanten Diözesan- sowie staatlichen Archive ausgewertet. Die thematische Gliederung ihrer Ausführungen macht es bisweilen schwierig, die chronologische Entwicklung im Blick zu behalten. Auf diese Weise kommt aber die Pluralität der Aktivitäten besser in den Blick. Laufen beendet ihre Verbandsgeschichte mit dem Jahr 1933. 1934 erfolgte die Umwandlung in einen kirchlichen Verein unter der Aufsicht der Bischöfe. 1938 löste sich der KKV auf, nachdem die Selbsthilfeeinrichtungen mit anderen Organisationen fusioniert hatten. Eine Neugründung erfolgte 1947.
Joachim Schmiedl