Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15 (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin; Bd. 85), München: K. G. Saur 2009, 2 Bde., XIX + V + 1180 S., ISBN 978-3-598-23229-9, EUR 199,95
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Dass der Gesamtkörper der Beamtenschaft eine entscheidende Größe in den frühmodernen Staatswesen am Ende der Frühen Neuzeit war, zeigt sich namentlich in den beiden infolge der Auseinandersetzungen um Schlesien immer unerbittlicher miteinander konkurrierenden deutschen Großmächten Brandenburg-Preußen und Österreich. Die Kollektivkörperschaften der Bürokratie stellten sowohl in Österreich als auch in Brandenburg-Preußen ein Element der Kontinuität auch über manche geschichtliche Zäsur hinweg dar: Während die Beamtenschaft in Österreich auch über den Tod Kaiser Josephs II. (1741-1790), des radikalen Revolutionärs auf dem Throne, hinaus den (theresianisch-) josephinischen Reformgeist im Sinne der katholischen Aufklärung weiter bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts verkörperte, blieb sie in Brandenburg-Preußen auch noch viele Jahre nach dem Tod des großen Preußenkönigs im Jahre 1786, der einen regelrechten Systemwechsel bedeutete, vom aufgeklärt-absolutistischen friderizianischen Selbstverständnis geprägt.
Wer sich jedoch im Einzelnen hinter den anonymen Kollektivkörpern der Beamtenschaft verbirgt, war bisher in beiden Fällen nur in Umrissen erkennbar. Durch aufwendige personen- und sozialgeschichtliche Untersuchungen ist bereits versucht worden, die Strukturen und Spezifika einzelner Beamtengruppen herauszuarbeiten oder die personelle Zusammensetzung von Behörden zu analysieren, um damit gleichsam 'Kollektivbiographien' dieser Institutionen zu entwerfen. Für Brandenburg-Preußen liegt nun mit dem hier zu besprechenden "Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten" ein wertvolles Hilfsmittel vor, das über 3.500 Biogramme und Kurzbiographien des leitenden Verwaltungspersonals in der Zeit vom Regierungsantritt des großen Preußenkönigs, Friedrichs II. (1712-1786), im Jahr 1740 bis zum Zusammenbruch des Alten Preußen (1806/15) enthält - zusammengetragen nicht von einer Arbeits- und Forschungsgruppe, sondern in Fortsetzung zahlreicher anderer einschlägiger Studien und in arbeitsintensiver Fleißarbeit im Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren von einem einzigen Autor allein.
Aufgenommen wurden in dieses biographische Sammelwerk vor allem, wie der Autor in seiner Einleitung erklärt, "die mittleren und höheren Verwaltungs- und Justizbeamten in der Zeit von 1740 bis 1806, wobei das Spektrum vom Land- und Steuer-, vom Kriegs- und Domänen- sowie vom Regierungsrat über den Kammer- und Regierungsdirektor, die Präsidenten der Landeskollegien bis hin zum Minister reicht" (XIIIf.), ohne dass die angestrebte Vollständigkeit für alle Landesteile, alle Zeitabschnitte und alle Amtsbereiche (Verzicht bzw. große Lücken bei der französischen Regie, den Baubeamten in den Kammern und im Ober-Bau-Departement sowie den oftmals aus dem Militär kommenden Oberforstmeistern) immer erreicht werden konnte. Berücksichtigt werden abgesehen von den königlichen Kabinettsräten und -sekretären also alle diejenigen, die tatsächlich als Mitglied in einem Finanz- oder Justizkollegium tätig waren - und zwar auf zentraler (Generaldirektorium, Oberrechenkammer und Justizdepartement), auf provinzialer (Regierungen und Kriegs- und Domänenkammern) und auf lokaler Ebene (die Land- und für die Städte zuständigen Steuerräte), wobei die "Hierarchie der friderizianischen Finanz- und Justizbehörden und ihres Personals" (XVIIIf.) an anderer Stelle noch einmal präzise und anschaulich zusammengefasst wird. Grundlage für die biographischen Artikel des Handbuches waren, was die Justizverwaltung anlangt, die Prüfungs- und Bestallungsakten von Kammergericht, Altmärkischem Obergericht und den Landesregierungen und für die Finanzverwaltung namentlich zeitgenössische Adresskalender, die in der Reihe Behördenorganisation der Acta Borussica abgedruckten Personalverzeichnisse, die Akten der Ober-Examinations-Kommission sowie die Konduitenlisten. Im Anhang findet sich ein "Verzeichnis derjenigen Beamten, die in Biographien genannt werden, aber keinen eigenen Artikel erhalten haben" (1153-1156).
Der Aufbau der in Bezug auf Quellen- und Literaturlage, Umfang und wissenschaftliche Schärfe im Einzelnen sehr unterschiedlichen und mittels Querverweisen miteinander vernetzten biographischen Darstellungen erfolgte - in Anlehnung an die 'Altpreußische Biographie' - nach einem einheitlichen Schema. Die einzelnen Artikel enthalten, soweit möglich, genaue Angaben der Lebensdaten, Informationen über die Familie, die nähere und weitere Verwandtschaft, erfolgte Nobilitierungen, die soziale und regionale Herkunft im Allgemeinen, die Schul- und Universitätsausbildung, die Etappen der beruflichen Karriere, wobei versucht wurde, auch die jeweiligen Vor- bzw. Nachfolger im Amt zu erfassen, ferner Hinweise auf Mitgliedschaften in Freimaurerlogen und Veröffentlichungen aus der Feder der Beamten und schließlich Beurteilungen durch die Vorgesetzten sowie eine Beschreibung der jeweiligen amtlichen Tätigkeiten.
Dieses biographische Handbuch aus der Feder von Rolf Straubel, das sich nach Aussage des Autors "weniger als eine genealogische (Arbeit), sondern vornehmlich als eine beamtengeschichtliche versteht" (XVI), wird sich - ungeachtet aller überlieferungsbedingten Lücken - als überaus wertvolles Nachschlagewerk für die Landes- und Verwaltungsgeschichte Brandenburg-Preußens in der Zeit von 1740 bis 1806/15 erweisen, indem es nicht nur die in der Historiographie bekannten Minister und Spitzenbeamten erfasst, sondern auch die vielen unbekannten Offizianten, aus denen sich der Kollektivkörper der brandenburg-preußischen Bürokratie zusammensetzte. Über die rein biographischen Daten hinaus bietet das vorliegende Werk auch zahlreiche sozialgeschichtliche Informationen über das Profil des idealtypischen preußischen Verwaltungs- und Justizbeamtens der friderizianischen und nachfriderizianischen Zeit. Eine entweder auf CD-ROM oder online verfügbare digitale Fassung wäre in Zeiten, in denen die Bedeutung elektronischer Medien zunimmt, sicherlich wünschenswert gewesen - auch im Hinblick auf quantifizierende Fragestellungen zum Sozial- und Bildungsprofil der preußischen Beamtenschaft.
Peter Mainka