Wolfram Hübner: Schloss und Park Freudenhain in Passau (1786-1795) und die Vorgängerbauten in Hacklberg (= Grüne Reihe. Quellen und Forschungen zur Gartenkunst; Bd. 26), Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2007, 358 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-88462-252-0, EUR 89,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Berthold Heinecke / Hole Rößler / Flemming Schock (Hgg.): Residenz der Musen. Das barocke Schloss als Wissensraum, Berlin: Lukas Verlag 2013
Barbara Marx (Hg.): Kunst und Repräsentation am Dresdner Hof, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2005
Guido Hinterkeuser: Das Berliner Schloss. Der Umbau durch Andreas Schlüter, Berlin: Siedler 2003
Die vorliegende, 2001 an der Universität Regensburg angenommene Dissertation widmet sich einer heute weitgehend verlorenen Parklandschaft. Sie arbeitet somit exemplarisch die weitgefächerten Möglichkeiten der Gartenkunst um 1790 auf.
Kaiser Josef II. (1741-1790) verfolgt während seiner Regentschaft das Ziel, die kirchlichen Grenzen mit den politischen zur Deckung zu bringen und nutzt die Vakanz des Passauer Bischofstuhls, um Oberösterreich und die Gebiete in Niederösterreich von der Diözese Passau für abgetrennt zu erklären. Josef Franz von Auersperg (1734-1795) gehört zu den wichtigen Unterstützern jener Reformen, die der Kaiser in der gesamten Monarchie durchführt, wird aber kurze Zeit später selbst ein Opfer dieser Politik. Als neu gewählter Fürstbischof von Passau schlägt er 1783 noch eine Einigung vor, muss aber 1785 die Abtrennungsurkunde für das Bistum Linz ratifizieren. Das (Rest-)Fürstbistum Passau stürzt in die Bedeutungslosigkeit, wobei die 1789 erlangte Kardinalswürde lediglich eine kleine Kompensation darstellt. In der Folgezeit distanziert sich der Fürstbischof partiell von der kaiserlichen Reformpolitik.
Folglich scheint vor dem Hintergrund der politischen Niederlage die Regentschaft Auersperg in Passau von zwei Motiven geleitet zu sein: einerseits ein vernunftmäßiges Handeln auf der realen, politischen Ebene und andererseits eine Wunschvorstellung von Politik, wie sie im Regierungsprogramm formuliert wurde. So kommt der Autor auch zu dem Schluss, dass die Anlage von Freudenhain als Rückzugsgebiet des Fürstbischofs aus der Realität seines politischen und geistlichen Amtes in eine ideale Sphäre interpretiert werden kann.
Die politischen Gegebenheiten beeinflussen die baulichen Aktivitäten des Kardinals und das zeigt sich zum Beispiel bereits in der Wahl des Architekten. Zu den beiden bedeutendsten Bauwerken des Architekten Johann Georg Hagenauer (1746-1835) gehören Schloss Pöckstein und die Sommerresidenz Freudenhain - beide erbaut im Auftrag des Joseph Franz Graf von Auersperg. Der Grundriss des Schlosses Freudenstein folgt dem französischen Vorbild der Maison de plaisance mit der üblichen Situierung entre cour et jardin (98-107). Der Autor bescheinigt dem Architekten, dass dieser ein Vollender des Spätbarock ist und sich vorrangig an den österreichischen Schlossbauten des 17. und 18. Jahrhunderts orientiert.
1787 erlangt der Fürstbischof auf eigenes Betreiben die Kardinalswürde und im gleichen Jahr wird erstmals das Schloss statt Freudenhain Freundenhain genannt. Wenig später benutzt der Kardinal die Begrifflichkeit Schloss Freundenhain im Repräsentationsmedium Stichfolge. Diese Stichfolge wird aufgrund der ehemals engen Beziehungen zum Kaiserhaus selbstverständlich auch nach Wien gelangt sein. Die Namensgebung Freundenhain signalisiert dem Betrachter der Stichfolge sowie den zeitgenössischen Besuchern, dass diese Sommerresidenz der Zusammenkunft guter Freunde vorbehalten ist. So ist es nicht verwunderlich, dass die Archivalien belegen, dass neben der Familie des Kardinals nur engste Freunde sich in Freudenhain aufhielten.
Da sich der Name Freudenhain auf das Schloss und nicht auf den Park bezieht - was naheliegend wäre, da dieser bewusst öffentlich ist und damit wie in Österreich der Wiener Prater der Volksbildung dient [1] - wird diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet (52-57). Unstrittig ist, dass eigentlich der Park den Namen Freudenhain verdient hätte. Leider wird nicht hinterfragt, ob es für die Namenlosigkeit des Landschaftsgartens eventuell einen guten Grund gibt. Auch wenn es an dieser Stelle spekulativ bleiben muss, so gibt es doch Indizien, dass Kardinal Auersperg bewusst den Namen Freudenhain/Freundenhain ausschließlich auf das Schloss bezogen hat und sich mit der unspektakulären Namensgebung für das Schloss eines "Kunstgriffes" bedient, um so vom Park abzulenken, der problematische Hinweise auf das Freimaurertum enthält.
In der vorliegenden Arbeit wird sehr gut herausgearbeitet, dass sich im Landschaftspark mindestens mit Billigung, wenn nicht sogar mit Zustimmung des Kardinals Hinweise auf die in Passau ansässige Freimaurer Loge finden (156-160). So sind zwei enge Freunde und Berater des Kardinals Freimauerer: der Bruder des Kardinals Johann Baptist Graf von Auersperg (1745-1816) und Hofrat Philipp von Melchior (1741-1805). Beide nehmen Einfluss auf die Gestaltung des Parks (33). Als Mann der Kirche weiß allerdings Kardinal Josef Franz Graf von Auersperg, dass die katholische Kirche dem Gedankengut der Freimaurer ablehnend gegenübersteht und die Freimaurer in päpstlichen Stellungnahmen nicht nur verurteilt, sondern in praxi katholische Freimaurer exkommuniziert werden. [2]
Wäre in der Dissertation die Verknüpfung zur katholischen Lehre hergestellt worden, hätte die Besonderheit von Schloss und Park Freudenhain noch deutlicher herausgearbeitet werden können. Da die katholische Kirche das Freimaurertum verurteilt, hätte in dem Zusammenhang der Frage nachgegangen werden können, ob und in welchem Umfang freimaurisches Gedankengut in Gärten protestantischer Fürstenhäuser leichter Eingang gefunden hat. Zu den heute bekanntesten Landschaftsgärten protestantischer Herrscher mit (erhaltenen) Hinweisen auf die Freimaurer zählen der für König Friedrich Wilhelm II. ab 1787 angelegte neue Garten in Potsdam sowie der für Fürst Franz von Anhalt-Dessau gestaltete Landschaftspark in Wörlitz. Gehörte König Friedrich Wilhelm II. der Loge der Freimaurer und dem Geheimbund der Rosenkreuzer an, so stand Fürst Franz dem Freimaurertum zumindest kritisch gegenüber. [3]
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die außerordentlich umfangreich illustrierte Arbeit sich am klassischen Aufbau einer kunsthistorischen Dissertation orientiert und damit wichtige Impulse für die Gartenforschung gibt. In der Einleitung wird die Stärke und zugleich eine kleine Schwäche der Arbeit benannt: "Die Vielzahl der Einzelaspekte bestimmte das Prinzip der Arbeit: Die Entstehung jedes einzelnen Baus und jedes Teilbereichs der Parkanlage wurde erforscht, die erhaltenen Denkmäler dokumentiert und inhaltliche Aussagen aufgedeckt. Die Ergebnisse wurden in einen kunst- und kulturhistorischen Zusammenhang gestellt, um das allgemein Übliche und die Besonderheiten erkennen zu können." (11)
Anmerkungen:
[1] Der Wiener Prater wird 1766 für die Bevölkerung geöffnet. Vgl. Géza Hajós: Romantische Gärten der Aufklärung, Wien / Köln 1989, 29f.
[2] In der Zeit von 1738 bis 1918 werden in 12 päpstlichen Stellungnahmen die Freimaurer verurteilt. Die 1972 erfolgte Aufhebung der Exkommunikation der katholischen Freimaurer wird 1981 durch eine Erklärung der päpstlichen Kongregation für die Glaubenslehre wieder zurückgenommen. Vgl. Bruno Moser (Hg.): Das Papstum - Epochen und Gestalten. München 1983.
[3] Vgl. Gert Streit / Klaus Frahm: Potsdam. Die Schlösser und Gärten der Hohenzollern, Köln 1996.
Edith Ulferts