Rezension über:

Ronald E. Heine: Origen. Scholarship in the Service of the Church (= Christian Theology in Context), Oxford: Oxford University Press 2010, XII + 275 S., ISBN 978-0-19-920908-8, GBP 16,99
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Rezension von:
Volker Lorenz Menze
Medieval Studies Department, Central European University, Budapest
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Volker Lorenz Menze: Rezension von: Ronald E. Heine: Origen. Scholarship in the Service of the Church, Oxford: Oxford University Press 2010, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 10 [15.10.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/10/19309.html


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Ronald E. Heine: Origen

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Ronald Heine ist ein ausgewiesener Fachmann für das frühe Christentum und insbesondere Origines, zu dessen Werken und Denken Heine seit Jahrzehnten publiziert. Sein hier zu besprechendes Buch Origen. Scholarship in the Service of the Church erlaubt es dem Autor, seine in langjähriger wissenschaftlicher Arbeit gewonnenen Erkenntnisse in knapper Form für Studierende wie Lehrende verständlich darzulegen. Die Reihe, in der das Werk erscheint - 'Christian Theology in Context' von Oxford University Press - gibt dabei den Rahmen vor: bedeutende christliche Theologen bzw. deren Werke sollen nicht allein als Texte gelesen, sondern kulturell verortet und als philosophische und theologische Beiträge ihrer Zeit und innerhalb ihres historischen Kontextes verstanden werden. Heine macht gleich zu Anfang deutlich, dass er trotz des allgemeinen Charakters des Buches durchaus gedenkt, eine These zu verfolgen: 'The argument in this book is that new situations brought new problems for Origen, and these new problems caused him to turn his attention in new directions, and sometimes, even to rethink old positions' (viii). Den Anspruch löst Heine in seinem klar strukturierten Werk ein, wenn auch ein eigentliches Fazit, in dem er seine These gebündelt verteidigt, fehlt.

Die beiden Einführungskapitel zu Alexandria und dessen kulturellem Leben (1-25) und zum Alexandrinischen Christentum (26-64) bieten dem Nichtfachmann Orientierungshilfen. Herkunft und Struktur des Christentums bzw. die verschiedenen christlichen Gruppen in Alexandria im 2. Jahrhundert werden kurz zusammengefasst, die geringe Bedeutung des Paulus in Alexandria herausgestellt, aber vor allem geht Heine auf die verschiedenen christlichen Schulen Alexandrias ein. Hier liegen auch die Grundlagen für Origenes' Karriere in der Kirche, der früh, nach dem Martyrium seines Vaters, Lehrer wurde und eine eigene Schule mit Curriculum aufbaute. Das Curriculum hat sich nicht erhalten, kann vielleicht aber mit Hilfe unseres Wissens über Origenes' Unterricht in Cäsarea rekonstruiert werden (63). Ziel war das Studium der Bibel, und nicht zuletzt zur Studienhilfe schrieb Origenes im Laufe seines Lebens zahlreiche Kommentare für eine "korrekte" Interpretation der biblischen Bücher. Vorrausetzung dafür war natürlich eine verlässliche Textgrundlage der biblischen Bücher und ihre Übersetzung ins Griechische. Heine argumentiert plausibel, dass Origenes ursprünglich seine Hexapla - ein nicht erhaltenes, monumentales Werk, das sechs Text- bzw. Übersetzungsversionen des Alten Testamentes miteinander vergleicht - anlegte, weil er auf die verschiedenen kursierenden Versionen der Septuaginta aufmerksam wurde. Sie war in erster Linie für den Unterricht verfasst, aber nicht für eine Veröffentlichung (74).

Kapitel vier bis sechs (64-144) setzten sich mit den biblischen Kommentaren des Origenes aus seiner alexandrinischen Zeit auseinander. Heine benennt Einflüsse auf Origenes (Philo, Clemens von Alexandria (106)), vor allem aber zeigt er auf, warum Origenes bestimmte Themen aufgriff bzw. warum er welche Bücher kommentierte. Origenes sorgte sich wegen disparater Glaubensvorstellungen und hielt Abweichungen von zentralen Dogmen für inakzeptabel (86). So stellte er vor allem gnostischen Auslegungen der Bibel seine eigenen entgegen: zu nennen sind hier in erster Linie Origenes' Kommentar zu Genesis (ein bei den Gnostikern sehr beliebtes Buch) und sein Kommentar zu Johannes (86-115). Die Chronologie der Schriften des Origenes sind nicht überliefert, aber Heine versucht, einzelne Kommentare - die sich leider auch nicht vollständig erhalten haben - zeitlich möglichst präzise einzuordnen. Als letztes in Alexandria entstandene Werk sieht Heine De principiis an, einem der systematischen Hauptwerke des Origenes, in dem er - fast ausschließlich auf biblischer Grundlage argumentierend - Hauptlinien des christlichen Glaubens zu Gott, Christus, Heiligem Geist und Entstehung der Welt darlegt und gegen Andersdenkende verteidigt (130-144).

Origenes' Aufenthalt in Cäsarea ab 232 leitet Heine mit einigen allgemeinen Bemerkungen zur jüdischen und christlichen Gemeinde ein (145-154). Ein paar Jahre nach Origenes' Umzug kam es zu einer weiteren Christenverfolgung unter Maximinus Thrax, die Origenes zu einem Traktat über das Märtyrertum inspirierte (167-70). Allerdings stellte die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem aktiven Judentum in der Metropole Palästinas die beherrschende Herausforderung für Origenes in den kommenden Jahren dar. In diesem Kontext entstanden auch Origenes' Homilien, die sich an ein geschultes und mit dem Judentum vertrautes Publikum wandten (172-183). Heine geht aber davon aus, dass ein Großteil von Origenes' Werken sich zunächst an seine Studenten gerichtet hat, bevor Mitschriften später von Origenes auch in der Kirche genutzt und für die Veröffentlichung überarbeitet wurden (190). Recht ausführlich widmet sich Heine im neunten Kapitel "Scholarship and Teaching in Caesarea" Origenes' Verhältnis zum Judentum und der Bedeutung Israels für die Kirche (188-218). Das letzte Kapitel ist den Werken und Themen des "Senior Scholar" vorbehalten (219-256), in dem Heine hervorhebt, dass das Verständnis von Kirche, ihre Lehre und die christliche Soteriologie und Eschatologie für Origenes von herausragender Bedeutung wurden.

Das Buch ist für den Nichtfachmann informativ und gut lesbar geschrieben, und auch für den Spezialisten dürfte Heines fundierte Analyse Erkenntnisgewinne generieren. Heine verweist auf Forschungsdiskussionen, gibt aber verschiedentlich deutlich seine eigene Meinung zu erkennen. Besonders stark ist Heine in seinen Ausführungen zu Origines' intellektueller Auseinandersetzung mit dem Judentum in Cäsarea. Auch der kulturhistorische Horizont Alexandrias ist in den ersten beiden Kapiteln kurz und bündig dargestellt. Der allgemein-historische Kontext des römischen Reiches wird allerdings gar nicht oder nur kursorisch unter Einbeziehung älterer Forschungsliteratur aufbereitet: so nutzt der Autor in der kurzen Darstellung der Christenverfolgung von Maximus Thrax kaum die neueste Forschung [1] und verliert später den allgemein-historischen Kontext gänzlich aus dem Blick. Diese Ausblendung des zeithistorischen Kontexts - und auch der Person des Origines, dessen Lebensdaten lediglich auf dem Klappentext erscheinen und dessen Tod und Todesumstände im Buch keine Erwähnung finden - ist bedauerlich; andererseits, da das Buch vor allem die Werke des Origines in den historischen Kontext stellen soll, gerechtfertigt. Trotzdem bleibt auf der letzten Seite das Gefühl zurück, dass ein Schlusskapitel zu Tod und Nachwirken des Origenes fehlt.

Aufgrund seiner starken Textbasierung und -analyse ist Heines Buch als Einführung zu den Werken des Origines sehr geeignet, zu "life and thought of Origen" wie der Klappentext suggeriert, nur bedingt. Hier fehlt es der Darstellung einerseits an biographischen Eckpunkten und deren historischen Einbettung, andererseits wird aufgrund von Heines durchaus plausibler Vorgehensweise, Origenes' Werke chronologisch zu analysieren, auf eine Systematisierung von Origenes' Christologie, Eschatologie etc. bewusst verzichtet. Auch hier vermisst der Leser ein abschließendes Fazit zum eingeschlagenen Weg, das (selbst)kritisch sowohl Stärken als auch Schwächen dieses Ansatzes benennen würde.


Anmerkung:

[1] Es ist nicht einsichtig, warum zum Verhältnis der Familie des Severus Alexander zum Christentum und der Datierung des Marsches von Maximus Thrax nach Pannonien auf einen (deutschen) Aufsatz von F. Görres aus dem Jahr 1876 und ein (deutsches) Buch von K. J. Neumann aus dem Jahr 1890 verwiesen wird (167f). P. Keresztes: "The Emperor Maximinus' Decree of 235 AD", Latomus 28 (1969), 601-618 verarbeitet beide genannten Werke und würde dem englischsprachigen Publikum ein Nachschlagen sicherlich erleichtern. Auch können weder Grant: A Social History of Greece and Rome (1992) und noch Frend: The Rise of Christianity (1984) als Standardwerke zu den Severern gelten (166).

Volker Lorenz Menze