Judith Pollmann: Catholic Identity and the Revolt of the Netherlands. 1520-1635 (= The Past & Present Book Series), Oxford: Oxford University Press 2011, XVIII + 240 S., ISBN 978-0-19-960991-8
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Wie wurde aus den südlichen Niederlanden, die zunächst eine Keimzelle der Revolte gegen Habsburg und Rom waren, ein Hort der Gegenreformation? Die in Leiden lehrende Historikerin Judith Pollmann widmet sich in der vorliegenden Monographie umfassender dieser Thematik, die sie bereits in früheren Publikationen in Grundzügen dargestellt hat.
Der Titel verweist bereits auf die zwei Fragestellungen, die die Autorin vornehmlich behandelt, nämlich das Aufkommen einer römisch-katholischen Konfessionsidentität in den Niederlanden und die Wechselwirkungen dieses Prozesses mit den Unruhen, die zur Spaltung der frühneuzeitlichen Niederlande führte. Der Untertitel nennt als dargestellten Zeitraum die Jahre 1520-1635, wobei diese Grenzziehung fließend zu verstehen ist. Das Werk beginnt mit dem Aufkommen der Theologie Luthers in den Niederlanden, terminiert durch die Verdammung durch die Universität Löwen 1519 bzw. die Ereignisse um das Antwerpener Augustinerkloster Anfang der 1520er Jahre. Das Ende des Untersuchungszeitraums wird markiert durch den Tod des Statthalterpaares Erzherzog Albrecht VII. und Isabella 1631 bzw. 1633 sowie durch die Festsetzung der Generalstaaten im nördlichen Brabant. Geographisch konzentriert sich die Autorin auf die Situation der südlichen, habsburgisch bleibenden Niederlande, womit sie auch der Forschungslage Rechnung trägt, die sich bislang vornehmlich auf Entwicklungen im Raum der nördlichen Niederlande, der sich entwickelnden Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, konzentrierte.
Dabei untersucht sie, welchen Einfluss die Reformation und die aufkommende niederländische Revolte auf die altgläubigen bzw. römisch-katholischen Einwohner und ihre Kultur hatten. Es geht der Autorin maßgeblich um die Entwicklung der religiösen, sozialen und politischen Identität. Sie stellt fest, dass es im Untersuchungszeitraum grundsätzliche Unterschiede in der Reaktion auf den sich häufig wellenartig ausbreitenden Protestantismus gab. Während auf die Aktivitäten der Geusen, wie etwa die Bilderstürme, verhältnismäßig passiv reagiert wurde und kaum Gegenmaßnahmen zu erkennen sind, wie dies etwa in Frankreich gegen die Hugenotten der Fall war, änderte sich die Reaktion nach den Eroberungen Farneses 1585. Nun setzte eine breite Revitalisierung und Neuaktivierung römisch-katholischer Frömmigkeit ein, die die südlichen Niederlande zu einem Zentrum der Gegenreformation machte. Dabei erkennt Pollmann, dass dies häufig das Anliegen von sich in Abgrenzung zum Protestantismus als katholisch bezeichnenden Laien aus der Bevölkerung war und weniger auf die Aktivitäten von politischen oder kirchlichen Obrigkeiten zurückgeführt werden kann. In der Spannung zwischen Klerikern und Laien sieht sie ein wesentliches Element zum Verständnis dieser unterschiedlichen Haltungen gegenüber dem Protestantismus. So lange die Behandlung konfessioneller Fragen primär als Angelegenheit der Kleriker angesehen wurde, hielten sich die Laien zurück. Als aber die Laien, bedingt auch durch zunehmenden Klerikermangel, gezielt darin bestärkt wurden, sich für die Belange der römisch-katholischen Kirche einzusetzen, entstand eine hochgradig erfolgreiche Verbindung zwischen konfessioneller und politischer Identität.
Als Quellengrundlage ihrer Überlegungen zieht Pollmann vornehmlich Tagebücher, Chroniken, Gedichte, Lieder, Pamphlete und Traktate in großer Zahl heran. Diese liegen teilweise als Manuskripte, in großer Zahl jedoch auch in gedruckter - frühneuzeitlicher und modern edierter - Fassung vor. Die Autoren der Manuskripte, von denen 15 in einem prosopographischen Abriss kurz vorgestellt werden, wirkten größtenteils im 16. Jahrhundert, weshalb dieser Zeitraum in Pollmanns Darstellung vielleicht am meisten austrägt.
Für ihre Darstellung wählt Pollmann einen chronologischen Zugang. Zunächst skizziert sie die in den Niederlanden weit verbreitete Volksfrömmigkeit und die kirchliche Entwicklung, bevor sie auf den Umgang der Altgläubigen, Kleriker und vor allem Laien mit der aufkommenden reformatorischen Theologie zu sprechen kommt. Die Jahre 1566-1571 stellt sie als Zeit der calvinistischen Aktion und der Reaktion der geistlichen wie weltlichen Obrigkeit dar. In den darauf folgenden Jahren des sich zuspitzenden Konflikts und vordergründigen Erfolgs der Calvinisten, eingeschlossen die Loslösung der Provinzen Holland und Seeland, aber auch der calvinistischen Stadtrepubliken in den südlichen Niederlanden, beobachtet sie zugleich eine wachsende römisch-katholische Identität unter den Laien. Der Fall Antwerpens 1585 markierte die staatliche Separation zwischen der Niederländischen Republik und den Habsburgischen Niederlanden und ein Aufblühen der römischen-katholischen Volksfrömmigkeit im Süden. In den Jahren 1598-1621 wurden die spanischen Niederlande endgültig ein "bulwark of the Counterreformation" (158). Unter den Erzherzögen wurde der Krieg mit der Republik bereits selbstverständlich unter konfessionellen Vorzeichen geführt. Einen Ausblick liefert noch der Epilog, der anhand eines Beispiels aus Tilburg im Jahr 1633 zeigt, wie tief sich in den zurückliegenden Jahrzehnten die römisch-katholische Identität in der Bevölkerung verankert hatte; es war das erfolgreiche Zusammenwirken von Klerikern und Laien, das dies möglich gemacht hatte.
Die Monographie reiht sich ein in die Forschungsarbeiten über die Entwicklung in den südlichen Niederlanden der Frühen Neuzeit - ein Thema, das in jüngerer Zeit mit den Namen Marnef und van Bruaene, aber auch Duerloo und Vermeir verbunden ist. Misslich ist allerdings, dass auf die Entwicklung im deutschsprachigen Teil des Heiligen Römischen Reiches wenig Bezug genommen wird. So findet die noch immer gegenwärtige Konfessionalisierungsdebatte bei der Autorin weniger Gehör; ohnehin ist die deutschsprachige Forschung, die sich in den vergangenen Jahren auch immer wieder den Niederlanden widmete (z.B. Schilling, Mörke, aber auch Fühner [1]), leider kaum in den Überlegungen Pollmanns vertreten. Die Gestaltung des Buches ist gefällig, der Einsatz von Karten- und Bildmaterial hilfreich und sinnvoll. Vereinfacht wird die Lektüre darüber hinaus durch ein umfassendes Sach-, Orts- und Personenregister. Insgesamt liegt eine scharfsinnige und zudem spannend zu lesende Darstellung der Ereignisse vor, die eine neue Perspektive auf die Rolle gerade der lange vernachlässigten altgläubigen, bzw. römisch-katholischen Bevölkerung der südlichen Niederlande bietet.
Anmerkung:
[1] Jochen A. Fühner: Die Kirchen- und die antireformatorische Religionspolitik Kaiser Karls V. in den siebzehn Provinzen der Niederlande. 1515 - 1555, Leiden 2004.
Carsten Brall