Veronika Bunk: Karlsruhe - Friedenstein. Family, cosmopolitanism and political culture at the courts of Baden and Sachsen-Gotha-Altenburg (1750-1790) (= Friedenstein-Forschungen; Bd. 7), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2011, 259 S., ISBN 978-3-515-09654-6, EUR 50,00
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Markgraf Carl Friedrich von Baden-Durlach wird immer wieder genannt, wenn es darum geht, die wenigen Fürsten aufzuzählen, deren Herrschaftshandeln tatsächlich als "aufgeklärt-absolutistisch" gelten kann - falls man denn überhaupt an dieser Begrifflichkeit festhalten will. In ihrer Oxforder Dissertation weist Veronika Bunk eingangs auf den dennoch unbefriedigenden Forschungsstand zu Carl Friedrich hin. Dies gälte insbesondere für den Hof in Karlsruhe. Als Ziel ihrer Arbeit definiert Bunk deshalb, analysieren zu wollen, in welchem Ausmaß "the institution of the court transformed from 'corporate' to 'functionally specialised' in Baden, [...] retained/gained cultural or political functions, and how it contributed to the formation of a 'modern state' in the long term" (20).
Im ersten Kapitel zeichnet die Verfasserin die Entwicklung Karlsruhes zur Residenz und der Beziehungen zwischen Hof und Stadt in großen Linien nach. Allerdings fällt dann doch auf, dass dieser Abschnitt fast ausschließlich auf der Sekundärliteratur und einigen gedruckten Quellen beruht wie etwa den "Briefen über Karlsruhe" (1791) des späteren Berliner Gymnasiallehrers Friedrich Leopold Brunn, der in den 1780er Jahren für zwei Jahre in Karlsruhe als Hauslehrer beschäftigt war. Dies lässt das Kapitel zwischen einer möglichst viele Aspekte der Residenzbildung ansprechenden Übersichtsdarstellung und illustrativen Erörterungen einzelner Punkte oszillieren und häufig eine tiefere Erörterung angesprochener Themen vermissen. So behauptet Bunk etwa, dass es dem Markgrafen gelungen wäre, eine "rather unique relationship" zwischen Herrscher und Untertanen bzw. - auf Karlsruhe bezogen - zwischen Hof und Stadt zu etablieren (55). Belege aber gibt es nur für die fürstliche Seite, also die Intentionen des Herrschers und seine Selbstdarstellung gegenüber den Untertanen.
Wesentlich quellennäher fällt das folgende Kapitel zur Hofordnung aus, die Carl Friedrich 1750 erließ. Bunk bettet deren Entstehung in die Entwicklung europäischer Hofordnungen ein. Zu Recht versteht Bunk die im Anhang vollständig abgedruckte Hofordnung als eine Quelle, die weit mehr als traditionelle Aspekte der höfischen Kultur - wie etwa das Zeremoniell - aufzeigen kann. Deshalb ordnet sie den Text in thematische Felder des markgräflichen Herrschaftsverständnisses ein: Religion, Sittlichkeit, Erziehung, Disziplinierung. Sie betont, dass der Hofordnung nicht bloße "symbolische" Bedeutung bei der Behauptung "absolutistischer Macht" zukam. Vielmehr waren tatsächliche und über den Hof hinausreichende Gestaltungsansprüche mit ihr verbunden, weil Carl Friedrich zum einen seinen Hof als eine Art gesellschaftlichen "Mikrokosmos" (64) verstand, der als "Modellhaushalt" vorbildhaft prägend in das Land hineinwirken sollte, zum anderen, weil der Text selbst als "didaktisches Dokument" bestimmte religiöse und sozialdisziplinierende Normen und Werte vermitteln sollte. Überzeugend begründet Bunk damit den ungewöhnlichen Umstand, dass der Fürst diese Ordnung drucken und veröffentlichen ließ. Dennoch hätte man sich hier weitergehende Überlegungen zur möglichen Wirksamkeit dieses normativen Textes gewünscht. Der nachweisbare Wunsch des Fürsten nach "Implementation" seiner Vorstellungen reicht dafür nicht aus, ebenso wenig die Tatsache der Verlesung dieser frühen Ordnung auch noch in den späteren Jahren seiner Herrschaft (76). Diese wiederholte "Veröffentlichung" der Ordnung könnte zunächst auch nur zum Bereich einer symbolischen Behauptung des markgräflichen Regulierungswillens gehört haben, wie die Forschungen zur Wirksamkeit normativ-disziplinierender Verordnungen in der Frühen Neuzeit immer wieder herausstellen.
Nach der Hofordnung von 1750 nimmt Bunk die vom Hoffourier geführten Hoftagebücher von 1779 bis 1790 in den Blick. Das methodische Vorgehen, anhand der Hoftagebücher einer späteren Dekade die tatsächliche Wirksamkeit der Hofordnung für die "täglichen Routinen" des fürstlichen Haushalts und der Regierung zu prüfen, überzeugt leider nicht vollständig. Bunk kann zwar zeigen, dass im Laufe der Herrschaft Carl Friedrichs der Hof wuchs und auch das Zeremoniell ausgebaut wurde, wie es die politischen Umstände verlangten. Die Grundregeln der Hofordnung - so daher ihre Behauptung - seien damit aber nicht obsolet geworden. Die interessante These, dass trotz dieser Veränderungen die Hofordnung dem Markgrafen und seinem Hof "in case of conflict or uncertainty of any kind" eine Richtschnur und Rückfallposition geboten habe (124), wird allerdings leider nicht belegt. Insgesamt bietet Bunk eine Fülle von Details zum Karlsruher Hof, wobei sehr viel an die Strukturen und Abläufe des Hoflebens ähnlich großer Höfe im Reich erinnert. Dies liegt vielleicht auch daran, dass Bunk über die normative Quelle der Hofordnung und die weitgehend auf die Wiedergabe der äußeren Formen des "Tafelzeremoniells" abgestellten Hoftagebücher hinaus so gut wie niemals ungedruckte Quellen befragt.
Das fünfte Kapitel zeigt die von Reisen, Exulanten und Korrespondenzen getragenen besonderen Beziehungen des badischen Hofes unter Carl Friedrich zu England, die vom Markgrafen zunächst in kultureller Hinsicht gefördert wurden, sehr wahrscheinlich aber auch als Teil seines aufklärerisch inspirierten Modernisierungsprogramms für Hof und Land gedacht waren. Das abschließende Kapitel erklärt den Titel der Studie, denn hier stellt Bunk die Höfe in Karlsruhe und in Gotha vergleichend gegenüber. Sie zeigt, dass das pragmatische und instrumentelle Hofverständnis des badischen Markgrafen dem seines fürstlichen Gothaer "Kollegen" Ernst II. insofern überlegen war, als er trotz recht ähnlicher aufklärerischer Ansätze niemals darauf verzichtete, die Institution Hof ernst zu nehmen und sich selbst als Zentralfigur zu verstehen. Ernst II. dagegen distanzierte sich vom Hofleben, verlor deshalb auch einen Gutteil der Kontrolle darüber und konnte den Hof weniger wirksam als politisches Steuerungsinstrument einsetzen.
Kritisch anzumerken ist der (unter)titelgebende Gebrauch des "cosmopolitanism". Gerade in der Zeit der späten Aufklärung verband sich mit "Kosmopolitismus" ein großer politisch-geschichtsphilosophischer und auch moralischer Diskurs mit einer Vielzahl von elaborierten Ideen zur möglichen weltbürgerlichen Zukunft der Menschheit. Die ohnehin kaum national einzugrenzende Welt des europäischen Hochadels, von dem hier die Rede ist, war in diesem zeitgenössischen Sinn kaum weltbürgerlich, auch wenn einige seiner Vertreter als aufklärerisch gesinnt gelten können.
Ein Personenregister sucht man leider vergebens. Als problematisch erscheinen vereinzelte sprachliche Unentschiedenheiten. Vor allem aber führt der englische Text eher selten neben der wörtlichen Übersetzung auch längerer Zitate aus der deutschsprachigen Literatur und besonders den Quellen den originalen Text an. Dies wäre jedoch für den interessierten Leser eine sehr erwünschte Handreichung gewesen, zumal dann an zentraler Stelle wiederum gelegentlich längere Quellenzitate nicht übersetzt werden und dem (nur englischsprachigen) Leser verschlossen bleiben müssen. Trotz aller Einwände aber stellt die Studie einen Gewinn dar, weil sie zu einem namhaften Fürsten des späteren 18. Jahrhunderts eine Forschungslücke schließt.
Andreas Klinger