Leander Büsing: Vom Versuch, Kunstwerke zweckmäßig zusammenzustellen. Malerei und Kunstdiskurs im Dresden der Romantik (= Studien zur Kunstgeschichte; Bd. 2), Norderstedt: Books on Demand 2011, 329 S., ISBN 978-3-8423-5915-4, EUR 22,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Dorothee Wimmer: Das Verschwinden des Ichs. Das Menschenbild in der französischen Kunst, Literatur und Philosophie um 1960, Berlin: Dietrich Reimer Verlag 2006
Christian Scholl: Romantische Malerei als neue Sinnbildkunst. Studien zur Bedeutungsgebung bei Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und den Nazarenern, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007
Christian Welzbacher: Edwin Redslob. Biografie eines unverbesserlichen Idealisten, Berlin: Matthes & Seitz 2009
Über wenige Künstler lässt sich momentan so trefflich streiten, wie über Caspar David Friedrich. Ähnlich wie einst um 1800 stehen sich heute bekennende Verfechter der Bildautonomie und Mahner der Bildintention mehr oder weniger unversöhnlich gegenüber. [1] Die Publikation von Büsing versucht in diesem Zusammenhang einen etwas anders gelagerten Zugang, den über das Phänomen der romantischen Bilderpaare. Sein erklärtes Ziel ist es, die besonderen Entstehungszusammenhänge zu rekonstruieren, unter denen Bilderpaare im beginnenden 19. Jahrhundert zum festen Bildprogramm der Dresdner Romantik avancieren konnten. Carl August Böttigers Aufsatz aus dem Jahr 1809 über die private Gemäldegalerie Christian Kleins in Riga liefert dabei nicht nur den Titel der Arbeit, sondern auch deren argumentatorischen Ausgangspunkt. Das Bestreben, Kunstwerke "zweckmäßig" zusammenstellen zu wollen, beinhalte, so Büsing, einen konzeptionellen Gedanken und erlaube "Rückschlüsse, welchen Stellenwert die Mitteilung von Inhalten im romantischen Kunstverständnis tatsächlich besitzen" (15).
Das Buch ist in sechs große Kapitel gegliedert, von denen sich drei konkreten Bildpaaren widmen. Die Dresdner Malerfreunde Georg Friedrich Kersting, Gerhard von Kügelgen und Caspar David Friedrich bilden mit ihren Werken die exemplarischen Fixpunkte der Argumentation. Dabei beschränkt sich die Beliebtheit von Bildpaarungen nicht, wie beim vieldiskutierten Friedrich, nur auf die Landschaftsmalerei. So lotet Kügelgen zeitlebens die Möglichkeiten zweckmäßiger Bildzusammenstellungen in Porträt- und Historienmalerei aus, Kersting in überaus populären Interieurszenen. An diese konkreten Bildanalysen schließt sich jeweils ein theoretisches Kapitel an, das Bezüge zum Dresdner Kunstdiskurs herstellt.
Eingangs werden grundlegende Fragen der Paarbildung anhand von Kerstings Gemälde "Gerhard von Kügelgen im Atelier" und der Hamburger Version von "Caspar David Friedrich im Atelier" erörtert. Büsing betont, dass Kersting hier den Gegensatz nicht im Sinne von Wertung und Hierarchisierung bemühe, sondern eine höhere Einheit anstrebe (42). Im theoretischen Kapitel wird im Anschluss an die Überlegungen Dorothee von Hellermanns die Nähe zu den (populär)wissenschaftlichen Vorlesungen Adam Heinrich Müllers konstatiert, die seit 1806 in Dresden stattfanden. [2] Der Einfluss dieses exzellenten Redners und Rhetorikers könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, so Büsing, seine dialektische Gegensatzphilosophie habe die künstlerisch dichte Atmosphäre Dresdens maßgeblich geprägt (75).
Auch die eingehende Untersuchung von Gerhard von Kügelgens Bilderpaar "Saul und David" und "Der blinde Belisar und sein Führer" bestätigt diesen Eindruck. In der wechselseitigen Zusammenschau beider Bilder sieht Büsing ebenfalls eine durch den Gegensatz artikulierte Variation einer gemeinsamen Idee (100). Im Anschluss an die Forschungen Tristan Weddigens [3] geht Büsing dann der zeitgenössischen Inszenierung von Kunst am institutionellen Ort der Dresdner Gemäldegalerie nach, die im besonderen Maße durch originäre und nachträglich zusammengestellte Bildpaare gekennzeichnet wurde (137).
Den Abschluss bildet das wohl berühmteste und umstrittenste Gemäldepaar der Romantik, Friedrichs "Mönch am Meer" und "Abtei im Eichwald". In diesem Pendantzusammenhang sieht Büsing Glaube und Zweifel als wechselseitig sich bedingende Konstanten des menschlichen Lebens (181). Im letzten Kapitel werden die Beobachtungen anhand weiterer Beispiele aus dem Schaffen der drei ausgewählten Dresdner Maler zugespitzt. "Die Zusammenstellung von Bildpaaren zeigt sich dabei", resümiert Büsing, "als eine besonders geeignete Methode, um den Blick des Betrachters auf den inhaltlichen Gehalt des Kunstwerkes zu lenken." (199) Damit positioniert er sich im aktuellen Romantikdiskurs auf der Seite der Mahner der Bildinhalte, mit einigen guten Argumenten, wie seine Studie zeigt. Für weitergehende und grundlegendere Fragen sei in diesem Zusammenhang aber nach wie vor die kenntnisreiche Untersuchung von Christian Scholl empfohlen, auf den Büsing auch selbst vielfach verweist. [4]
Anmerkungen:
[1] Vgl. zuletzt: Werner Busch: Caspar David Friedrich. Ästhetik und Religion, München 2008; Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Gefühl als Gesetz, München / Berlin 2008; Johannes Grave: Caspar David Friedrich, München 2012.
[2] Vgl. Dorothee von Hellermann: Gerhard von Kügelgen (1772 - 1820). Das zeichnerische und malerische Werk, Berlin 2001.
[3] Vgl. Tristan Weddigen: Ein Modell für die Geschichte der Kunst. Die Hängung der Dresdner Gemäldegalerie zwischen 1747 und 1856, in: Dresdner Kunstblätter 1, 2009, 44-58.
[4] Vgl. Christian Scholl: Romantische Malerei als neue Sinnbildkunst. Studien zur Bedeutungsgebung bei Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und den Nazarenern, München / Berlin 2007.
Sabine Fastert