Thomas Flammer / Werner Freitag / Alwin Hanschmidt (Hgg.): Franz von Fürstenberg (1729-1810). Aufklärer und Reformer im Fürstbistum Münster (= Westfalen in der Vormoderne. Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte; Bd. 11), Münster: Aschendorff 2012, 244 S., ISBN 978-3-402-15051-1, EUR 35,00
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Am 16. September 1810 starb mit Franz von Fürstenberg eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des Fürstbistums Münster im späten 18. Jahrhundert. Fürstenberg prägte sowohl die geistliche Entwicklung des Fürstbistums als Generalvikar (1770-1807) als auch die weltliche Entwicklung als Minister (1762-1780) in den Bahnen einer gemäßigten katholischen Aufklärung. Insbesondere widmete sich Fürstenberg dem Schul- und Bildungswesen des Hochstifts und initiierte die Gründung der Landesuniversität (1773/80). Anlässlich seines 200. Todestages wurden in Münster ein öffentlicher Festakt und ein wissenschaftliches Kolloquium veranstaltet, aus denen der vorliegende Sammelband hervorgegangen ist.
Der gelungene Tagungsband enthält neben den verschiedenen Grußworten des Festaktes und den wissenschaftlichen Beiträgen eine tabellarische Biographie Fürstenbergs sowie eine Auswahlbibliographie der zwischen 1961 und 2010 erschienenen Forschungsliteratur zu Franz von Fürstenberg. Ein ausführliches Personenregister sowie ein Ortsregister runden den guten äußeren Gesamteindruck ab.
Die einzelnen Beiträge widmen sich verschiedenen Aspekten der westfälischen Geschichte in der Zeit Fürstenbergs. Alwin Hanschmidt befasst sich mit der Volksbildung, die für Fürstenberg aus Religiosität, Moralität und Utilität bestand. Dabei zitiert er reichhaltig aus den Denk- und Schulschriften Fürstenbergs und kann so ein lebendiges Bild von Fürstenberg vermitteln, dessen erklärtes politisches Ziel die Glückseligkeit des Einzelnen und des Staates war und der in der Bildung die wichtigste Staatsaufgabe sah. Werner Freitag geht in seinem Beitrag dem Profil der katholischen Aufklärung in Westfalen nach und kann nachweisen, dass die katholische Aufklärung nicht nur eine Folge der Rezeption der Aufklärung war, sondern auch sehr stark in der tridentinischen Reformtradition stand. Dabei stellt er allerdings katholische Aufklärung und Tridentinum zu sehr als Gegensatz dar, sahen sich die katholischen Aufklärer doch selbst in der Tradition des Tridentinums, das sie von barocken Auswüchsen reinigen wollten.
Der Wirtschaftspolitik in Münster nach 1763 widmet sich Wilfried Reininghaus und untersucht die Gründung des Kommerzienkollegiums, das in der Forschung bisher kaum Beachtung gefunden hat. Bertram Haller zeigt in seiner Untersuchung der Lesekultur im Münster Fürstenbergs auf, dass man dort dem allgemeinen, auf Romane und Schauergeschichten ausgerichteten Geschmack des breiten Publikums folgte. Das persönliche Engagement Fürstenbergs im Elementarschulwesen stellt Sabine Kötting anhand von Selbstzeugnissen auf den Prüfstand und kann dessen hohen persönlichen Einsatz als religiös begründetes inneres Bedürfnis nachweisen. Lena Krull knüpft an den Beitrag von Freitag an, wenn sie fragt, warum sich ausgerechnet der aufgeklärte Fürstenberg 1805 für die unveränderte Beibehaltung der Großen Prozession in Münster einsetzte. Denn diese, an die Pest- und Brandkatastrophe von 1382/83 erinnernde, Prozession war - im Gegensatz zu vielen anderen Prozessionen, gegen die Fürstenberg in den vorangegangenen Jahrzehnten vorgegangen war - nicht mit Maskierungen, Schauspiel und dergleichen barocken Elementen ausgeschmückt, sondern stand als Sakramentsprozession im Einklang mit den Normen der katholischen Aufklärung. Irmgard Niehaus' Beitrag beleuchtet die enge Freundschaft zwischen Fürstenberg und Amalia von Gallitzin, während Horst Conrad die Konversion Friedrich Leopold zu Stollbergs zum Katholizismus untersucht. Der abschließende Beitrag von Beate Sophie Fleck und Mechthild Black-Veldtrup geht den Spuren Fürstenbergs in Münster nach und kann mit 20 Bildern aufwarten, die dem Leser die Spuren Fürstenbergs vor Augen führen.
Der gesamte Band bietet mehr als ein gewöhnlicher Tagungsband. Durch die stringente Ausrichtung der Beiträge auf das Tagungsthema, die vorbildlichen Register, die tabellarische Biographie sowie durch die Auswahlbibliographie hält er gleichsam den aktuellen Forschungsstand zu Franz von Fürstenberg fest und präsentiert sich als erste Anlaufstelle für Studierende, Examenskandidaten und zukünftige Fürstenberg-Forscher.
Sascha Weber