Tony Insall / Patrick Salmon (eds.): The Nordic Countries: From War to Cold War, 1944-1951 (= Documents on British Policy Overseas. Series I: 1945 - 1950; Vol. IX), London / New York: Routledge 2011, LVIII + 380 S., ISBN 978-0-41559-476-9, GBP 90,00
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Verglichen mit den amerikanischen oder deutschen Akteneditionen zu Außenpolitik und internationalen Beziehungen nach 1945 kommt das entsprechende britische Unternehmen, das in drei Reihen aufgeteilt ist, vergleichsweise langsam voran. In der die Jahre 1945 bis 1950 umfassenden ersten Reihe ist jetzt ein Band erschienen, der die Beziehungen Großbritanniens zu den "nordischen Ländern" dokumentiert - ein Terminus, der als Oberbegriff helfen soll, eine politisch und geographisch nur teilweise geschlossene Gruppe von Staaten in den Blick zu nehmen: In der Mitte das im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg neutrale Schweden; östlich davon Finnland, das sich nacheinander mit der Sowjetunion und Deutschland im Kriegszustand befand und seit 1948 infolge seines Freundschaftsvertrags mit der Sowjetunion dem sowjetischen Einfluss unterlag, ohne aber dem Prozess der Sowjetisierung ausgesetzt zu sein; westlich davon Norwegen und Dänemark, die im Krieg von deutschen Truppen besetzt waren und 1949 zu den Gründungsmitgliedern der NATO gehörten; und schließlich Island, das geographisch weit abgelegen, aber als nordatlantische Militärbasis für Briten und Amerikaner im Krieg enorm wichtig und 1949 auch dabei, als das westliche Bündnis gegründet wurde.
Die hier abgedruckten 217 Dokumente stammen aus dem Bestand des Foreign Office. Andere Ressorts, insbesondere auch der Aktenbestand von 10 Downing Street, wurden, von wenigen Stücken abgesehen, nicht herangezogen. Die nur sparsam annotierte Auswahl aus dem Schriftwechsel zwischen dem Beamtenapparat in London und den verschiedenen Botschaften liefert ein facettenreiches Bild von den bilateralen Beziehungen Großbritanniens mit den genannten Ländern. Überall, wenn auch von Land zu Land in je spezifischer Weise, spielte der Übergang von der Kriegs- zur Nachkriegszeit in die zwischenstaatlichen Beziehungen hinein. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Konditionen für den Außenhandel standen ganz oben auf der Agenda. Die Labour-Regierung in Großbritannien verfolgte in Übereinstimmung mit ihren nordischen Partnern das Ziel der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rekonstruktion, war in ihrem Handlungsspielraum allerdings aufgrund der kriegsbedingten Staatsverschuldung kaum in der Lage, eine gestalterische Rolle zu übernehmen.
Was die internationale Politik angeht, so geben die Berichte und Analysen der britischen Diplomaten einen guten Einblick in die Art und Weise, wie die sowjetische Regierung bei Kriegsende und in den Anfangsjahren des Kalten Kriegs beobachtet und eingeschätzt wurde. Schon bald beanspruchte Skandinavien, dessen strategische Bedeutung schon 1939/40 gesehen wurde, freilich ohne es vor dem deutschen Zugriff bewahren zu können, große Aufmerksamkeit, auch wenn der Fokus britischer Sicherheitsplanung im Nahen Osten, im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa lag. Die vorübergehende sowjetische Besetzung Bornholms von Mai 1945 bis April 1946 löste Fragen über die Ziele sowjetischer Nachkriegspolitik aus. Im Zentrum aber stand Norwegen. Sowjetische Truppen überschritten im Oktober 1944 dessen Grenze, um vorübergehend Teile der Finnmark zu besetzen. Es dauerte bis 1947, ehe die Sowjetunion Ansprüche auf eine gemeinsame Kontrolle über Spitzbergen aufgab, ohne aber auf politischen Druck auf Norwegen zu verzichten. Vor diesem Hintergrund ist der in diesem Band nachzulesende intensive Kontakt zwischen dem langjährigen norwegischen Außenminister Halvard Lange und dem britischen Botschafter in Oslo, Sir Laurence Collier, der zuvor die für die Sowjetunion und Skandinavien zuständige Abteilung im Foreign Office geleitet hatte, von besonderem Interesse. Ende Dezember 1947 berichtete Collier, die norwegische Regierung sei davon überzeugt, "that they must regard Russia as their enemy" (200). Im März 1948 fürchtete man in Oslo, die Sowjetunion könnte auf dem Abschluss eines Freundschaftspakts nach finnischem Muster bestehen, und wollte wissen, "what help Norway could expect if attacked" (219). Jetzt war es nicht mehr weit bis zur Etablierung eines die USA einbeziehenden und vom britischen Außenminister Bevin betriebenen "atlantischen Sicherheitssystems", "so that if the threat to Norway should develop we could at once inspire the necessary confidence to consolidate the West against Soviet infiltration, and at the same time inspire the Soviet government with sufficient respect for the West to remove temptation from them and so ensure a long period of peace." Bevin wollte in Washington nicht ungebührlich drängen, aber doch das Bewusstsein schärfen für "the gravity of the situation and the need for urgent action to meet it." (223).
Gottfried Niedhart