Josef Dolle (Hg.): Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2012, 4 Bde., LXVII + 2211 S., 17 Kt., ISBN 978-3-89534-956-0, EUR 116,00
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Andrea Denke: Konrad Grünembergs Pilgerreise ins Heilige Land 1486. Untersuchung, Edition und Kommentar, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2011
Bernhard von Breydenbach: Peregrinatio in terram sanctam. Eine Pilgerreise ins heilige Land. Frühneuhochdeutscher Text und Übersetzung. Herausgegeben von Isolde Mozer, Berlin: De Gruyter 2010
Martin J. Schröter: Das Kloster Reinfeld. Eine geistliche Institution im Umfeld der Hansestadt Lübeck (1186-1582), Neumünster: Wachholtz Verlag 2012
Seit 1992 der erste Band des Westfälischen Klosterbuches erschien, sind in rascher Folge mehrere vergleichbare regionale Nachschlagewerke entstanden. Als eines der jüngsten erschien 2012 als bislang umfangreichstes das Niedersächsische Klosterbuch in vier durchgehend paginierten Bänden. Wie schon in früher erschienenen Klosterbüchern sollten nicht nur Klöster und Stifte aufgenommen werden, sondern auch semireligiose Gemeinschaften, vor allem die Beginen- und Begardenhäuser als wesentliches Element der Laienfrömmigkeit. Angesichts der Tatsache, dass die ersten Arbeiten am Klosterbuch Ende 2007 am Institut für Historische Landesforschung (Universität Göttingen) von Peter Aufgebauer, Uwe Ohainski und Gerhard Streich begonnen wurden und es für die nach 1500 gegründeten monastischen oder semireligiosen Gemeinschaften so gut wie keine Vorarbeiten gab, ist die anschließende Bearbeitungszeit von nur vier Jahren erstaunlich kurz. Schließlich haben 138 Autorinnen und Autoren 365 geistliche Einrichtungen in 215 Ortschaften erfasst und beschrieben, die innerhalb der Landesgrenzen der heutigen Bundesländer Niedersachsen und Bremen bestanden oder noch bestehen.
Drei Bände enthalten die Artikel von Abbingwehr bis Zeven, der vierte umfasst das Literatur- und Mitarbeiterverzeichnis und ein umfangreiches Namens- und Ortsregister. Der erste Band enthält vor den eigentlichen Artikeln vier Übersichten der aufgeführten Institutionen - einmal ortsalphabetisch, dann nach Gründungszeit oder erster Erwähnung, beginnend mit dem Domstift in Osnabrück, ca. 783, endend mit den Franziskaner-Konventualen ebenda 1781. Hier lässt sich unter anderem gut die Ausbreitung einzelner Orden ablesen, wie der Franziskaner, des Deutschen Ordens oder der Jesuiten. Die dritte Liste nennt die Hauptpatrozinien der Einrichtungen (mit erstaunlich geringer Verbreitung lokaler Heiliger) und schließlich sind die Orden und Einrichtungen an sich aufgeführt mit ihrer jeweiligen Verbreitung. Auffallend ist hier beispielsweise die sehr ungleiche Verteilung der Beginen: 22 Häuser in Braunschweig, 15 in Osnabrück, in Bremen und Lüneburg jedoch nur jeweils zwei (und im gesamten Rest des erfassten Gebietes lediglich 16 weitere). Warum das so ist, wird aus der Lektüre des Nachschlagewerkes zwar nicht deutlich, weil ein allgemein einleitender Text fehlt, der diese und vergleichbare Erkenntnisse in einen allgemeinen Kontext verortet hätte. Allerdings zeigt sich, dass unter den insgesamt 22 hier so genannten Beginenhäusern auch nach der Reformation in Braunschweig noch acht gegründet wurden, die in der Regel Einrichtungen für alleinstehende, mittellose Frauen waren.
Allen Artikeln liegt ein Gliederungsschema von 61 möglichen zu behandelnden Punkten in sechs Rubriken zugrunde. Beginnend mit (1) Kurzinformationen, (2) Geschichte und Bedeutung (inkl. Wirtschaftsgeschichte), (3) Gedruckte und ungedruckte Quellen, (4) Bau- und Kunstdenkmäler, (5) Listen der Institutsvorstände und (6) Literaturverzeichnis. Damit der Leser bei dem Rubrikenwirrwarr teilweise recht ähnlicher Unterpunkte nicht die Orientierung verliert, ist in den drei Bänden mit den einzelnen Artikeln am Ende des Bandes dieses Schema auf zwei Seiten zum Ausklappen eingeklebt, so dass beim Blättern und Lesen die Rubriken immer danebenliegen können. Mit dieser Einteilung orientiert sich dieses Klosterbuch, wie etliche andere auch, am Westfälischen Vorbild. Die einzige Rubrik, deren Einträge wohl gänzlich im Ermessen der einzelnen Bearbeiter standen, ist 2.6: "Darstellung bestimmter Besonderheiten wie Ordensverleihungen, wissenschaftlicher und künstlerischer Leistungen, besondere Wirtschaftssysteme etc." Ob damit eine so seltsame Information wie beim Kloster Pöhlde gemeint ist, dass hier 1007 ein Mönch Laurentius zu Weihnachten das Lied "Es ist ein Ros entsprungen" gedichtet haben soll, ist allerdings fraglich (1258). Die vollständigen bibliographischen Angaben der im Literaturverzeichnis stets nur abgekürzt zitierten Titel finden sich im vierten Band in der gut 200seitigen Gesamtbibliographie. Das fast 400seitige Register ist nicht ganz einfach zu verwenden: in der Liste der im Artikel zum Stift Bassum verzeichneten Äbtissinnen (69) zu finden sind zum Beispiel Gisela I. (1080/88), Gisela II. von Oldenburg-Bruchhausen (1371), Gisela III. von Wunstorf (1373) und Gisela IV. von Oldenburg-Bruchhausen (1374-76). Im Register taucht unter dem Lemma Gisela allerdings nur die erste auf, da sie weder Herkunftsbezeichnung oder Familiennamen hat. Die zweite und vierte ist unter Oldenburg (alle Linien), die dritte unter Wunstorf zu finden. Unter Registereintrag Bassum wird wiederum nur auf die Liste im Artikel verwiesen. Der vierte Band enthält auch 16 moderne Stadtpläne, in denen die jeweils behandelten Institutionen eingezeichnet sind und eine eingelegte Karte Niedersachsens und Bremens, die sämtliche behandelten Einrichtungen verzeichnet.
Was Belege innerhalb der Artikel angeht, scheint es keine Vorgaben gegeben zu haben, denn die Autoren handhaben dies unterschiedlich. Leider finden sich in den allermeisten Fließtexten überhaupt keine Verweise auf Quellen oder Literatur, was die Nutzer dazu zwingt, jede einzelne Information aus der abschließend angegebenen Literatur zu suchen, was je nach Thema bzw. Umfang der Artikel sehr mühsam sein kann. Dass aber die Möglichkeit zu Belegen bestand, zeigen beispielsweise die Einträge zum Domstift Verden, wo zumindest in Teilen des Artikels auf Literatur, Quellen und Archivalien meist sogar mit Seitenzahlen verwiesen wird, oder bei der "Liste der Institutsvorstände" des Kollegiatstiftes St. Cyriacus in Braunschweig, wo immerhin verzeichnet ist, nach welcher Literatur die Pröpste und Dekane aufgeführt wurden.
Bei penibler Durchsicht ließen sich gewiss Uneinheitlichkeiten finden oder Lücken in Quellen und Literatur. Das würde den Wert dieses Niedersächsischen Klosterbuches allerdings nicht mindern (und ihm auch nicht gerecht werden). Denn selbst ein noch so gutes Nachschlagewerk entbindet keine Nutzerin und keinen Nutzer der eigenen weiterführenden Recherche und der Überprüfung. Die Stärken des Klosterbuches liegen auf der Hand. Erstmals wird hier umfassend in räumlicher und zeitlicher Ausdehnung das geistlich-institutionelle Leben Niedersachsens und Bremens erschlossen. Im Gegensatz zu den bestehenden Reihen der Germania Benedictina oder der Germania Sacra, mit denen es unvermeidliche Überschneidungen gibt, erlaubt das Niedersächsische Klosterbuch einen sehr viel breiteren Zugriff auf die unterschiedlichen geistlichen Einrichtungen der Region. Nicht nur angesichts der Kürze der Bearbeitungszeit sind diese vier Bände eine in jeder Hinsicht erstaunliche Leistung. Sie erleichtern zudem die regionalgeschichtliche Forschung für Mediävisten und Frühneuzeitler, und eröffnen bei vielen Einrichtungen erstmals die Möglichkeit, tiefer in deren Geschichte und Wirkung einzudringen. Besonders der epochenübergreifende Zugriff bis ins 19. Jahrhundert (teilweise bis in die Gegenwart, bei noch bestehenden Einrichtungen) war bislang so noch nicht oder nur schwer und/oder umständlich möglich. Auch die Entscheidung, geplante, aber nie verwirklichte Einrichtungen ebenso wie sehr kurzlebige Institutionen aufzuführen, macht den Wert des Werkes aus. Bei allem, was sich vielleicht heute auch grundsätzlich gegen ein gedrucktes Nachschlagewerk einwenden ließe, wird das Niedersächsische Klosterbuch doch ein unverzichtbares Hilfsmittel werden und die Forschung erleichtern und gewiss bereichern.
Jan Ulrich Büttner