J. Rasmus Brandt / Jon W. Iddeng (eds.): Greek and Roman Festivals. Content, Meaning, and Practice, Oxford: Oxford University Press 2012, XVII + 405 S., ISBN 978-0-19-969609-3, GBP 85,00
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Der Sammelband zu den griechischen und römischen Festen vereinigt insgesamt zwölf Beiträge, von denen elf auf einer Tagung in Norwegen im Jahr 2006 gehalten wurden, redaktionell abgeschlossen wurde der Band 2010, aber erst 2012 veröffentlicht. Der Band hat - trotz seines Titels - einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der griechischen Feste, die in insgesamt acht Beiträgen behandelt werden.
Der erste Beitrag vom Herausgeber J. Iddeng ist zugleich ein programmatischer und erläutert das der Tagung zu Grunde gelegte Konzept von "Festen", das deutlich über die beispielsweise von Mikalson im Oxford Classical Dictionary gegebene Definition hinaus geht. Iddeng definiert Feste als zyklisch wiederkehrende, fest im Kalender verankerte, an einen bestimmten Ort gebundene, prinzipiell öffentlich gefeierte, auf einen Kult und eine Kultgemeinschaft mit spezifischer Identität hin ausgerichtete Aktivität. Insgesamt wird diese Definition durchaus ertragreich in vielen der folgenden Beiträge genutzt, und sicherlich kann sie - gerade auch zur Abgrenzung von anderen kultischen oder festähnlichen Ereignissen - analytischen Ertrag liefern. Walter Burkert ergänzt diese analytische Definition in seinem Beitrag um die antike Perspektive: Er stellt dabei als einen bestimmenden Faktor heraus, dass Feste gewissermaßen eine antike Form des "persuit of hapiness" (48) waren und einen unmittelbaren Kontakt zum Bereich des Göttlichen erlaubten.
Synnove des Bouvrie untersucht anhand der Feste in Olympia und der Großen Dionysien in Athen den rituellen Prozess. In Olympia seien durch die praktizierten Rituale Modelle einer griechischen Identität als Mann bzw. als Frau (Heraia) geformt und performativ synchronisiert worden. Demgegenüber habe die rituelle Praxis der Großen Dionysien das Bewusstsein der athenischen Bürgergemeinschaft für ihre kulturellen Werte geformt und durch das gemeinsame Erleben des Rituals einen Konsens darüber hergestellt. Mit Olympia beschäftigt sich auch der folgende Beitrag von Gunnel Ekroth, die den Pelops-Kult als Innovation der Archaik deutet, die eng verbunden war mit den politischen Ansprüchen von Elis, wobei allerdings der spätere Antagonismus von Zeus- und Pelops-Kult erst eine römische Neuerung sei.
Auf diese beiden auf sehr konkrete Untersuchungen ausgelegten Beiträge folgt mit dem zweiten Herausgeber wieder ein übergreifender Aspekt: J. Rasmus Brandt untersucht die archäologische Evidenz der kultischen bzw. rituellen Aktivitäten bei Festen. Dabei wertet er die archäologischen Überreste von Gefäßen unterschiedlicher Funktionalität auch quantitativ aus, um die Bedeutung einzelner Aktivitäten mittels archäologischer "Evidenz" abschätzen zu können - ein methodischer Ansatz, der aufgrund der völlig unklaren Ausgangsbasis (Zufall von Ausgrabungen, Schwierigkeiten der quantitativen Erfassung) allerdings kaum zu überzeugen vermag. Im Anschluss untersucht Jennifer Neils die Panathenäen als politischen Prozess. Dabei interpretiert sie den Parthenon-Fries als das Ergebnis einer Reihe von unmittelbar vorausgehenden kultischen Innovationen der perikleischen Zeit, die insbesondere die Rolle der Frauen als Vermittlerinnen des Bürgerrechts über die mütterliche Linie besonders herausstellte - eine Interpretation, die sicher diskussionswürdig ist, aber vielleicht auch ein wenig zu pointiert erscheint. Scott Scullion interpretiert Chöre und Choregenamt, wobei er Tragödien nicht als religiöses Ritual verstanden wissen will. Kostas Buraselis führt in seinem Beitrag, der spätere, insbesondere hellenistische Ergänzungen traditioneller Feste um neue Elemente z.B. des Herrscherkults untersucht, viele Beispiele auf, ohne diese aber auch weitergehend auszuwerten.
Der "römische" Teil des Bandes bietet eine Analyse der Feriae Latinae über die Anfänge bis in die Kaiserzeit von Christopher S. Smith, der vor allem herausstellt, dass mit dem Sieg der Römer über die Latiner das Fest sich zu einem Ritual gewandelt habe, das die Kriegführung außerhalb einleitete und somit einen wichtigen Integrationspunkt für die neu konstituierte Gemeinschaft bot, bevor es wegen seiner Verbindung zu den Juliern einen neuerlichen Bedeutungswandel erleben konnte. John Scheid untersucht die Kultaktivitäten auf dem Forum Boarium, wobei auch er - eine interessante Parallele zu Olympia zuvor - auch die Vermittlung von Rollenidentität entlang der Geschlechterdifferenz als bestimmendes Motiv der Feste ansieht. Jörg Rüpke untersucht langfristige Veränderungen der Popularität und der öffentlichen Zugänglichkeit religiöser Feste in der Republik, bevor Mary Beard in einem der ursprünglichen Tagung hinzugefügten Beitrag den Kult der Magna Mater im kaiserzeitlichen Rom beleuchtet, wobei sie vor allem die Interdependenz von einhegender Ordnung und aus dem strengen Rahmen ausbrechendem Kult herausstellt.
Alles in allem liegt mit dem vorliegenden Band ein interessanter und weiterführender Beitrag zur Diskussion über griechische und römische Feste vor. Naturgemäß sind die einzelnen Beiträge von unterschiedlichem Gewicht. Dem Rezensenten erscheinen vor allem die Erkenntnisse zur performativen Vermittlung von gender-Rollenbildern in Festritualen von besonderer Bedeutung, zumal sie unabhängig voneinander sowohl für Olympia (des Bouvrie), die Panathenäen (Neils) und das Forum Boiarium (Scheid) überzeugend belegt worden sind. Positiv ist auch zu vermerken, dass gerade auch die Veränderung der den Festen beigelegten Zielsetzung bzw. Deutungen über die Epochen hinweg immer wieder überzeugend in den Blick genommen wurde, der Ertrag einer diachronen Perspektive im Hinblick auf die Veränderung der den Festen zugeschriebenen Deutung bzw. Bedeutung zeigt sich besonders deutlich in den Beiträgen über Pelops in Olympia (Ekroth), Rom (Rüpke) und die Magna Mater (Beard). Darüber hinaus bietet der Beitrag von Brandt in methodischer, der von Neils in inhaltlicher Hinsicht einigen Stoff für kontroverse Diskussionen. Auch wenn nicht jeder überzeugt sein mag, ist der Mut zu einer pointierten und markanten These bzw. methodischen Herangehensweise dennoch positiv hervorzuheben. So bleibt ein sorgfältig edierter und inhaltlich anregender Sammelband einer offensichtlich ertragreichen Tagung am Ende positiv zu vermerken.
Michael Jung