Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193-211 n. Chr.) (= Impact of Empire; Vol. 14), Leiden / Boston: Brill 2011, XI + 580 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-90-04-20192-7, EUR 174,00
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Als der erste Afrikaner auf dem Kaiserthron des Römischen Reiches ist Septimius Severus in die Geschichte eingegangen. Achim Lichtenberger widmet sich diesem Kaiser mit 'Migrationshintergrund' in seiner archäologischen Habilitationsschrift von 2008 und untersucht dabei vor allem, ob sich Severus' Herkunft aus der Africa Proconsularis auf die sakrale Repräsentation ausgewirkt hat. Über die Bedeutung von patria iuris und germana patria vor allem bei Senatoren ist in den letzten Jahren vermehrt geforscht worden. Als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen Lichtenberger Münzen, die die Götter der Heimatstadt des Severus (Lepcis Magna), Liber Pater und Hercules, zeigen. Hier wie in den übrigen Teilen der Arbeit spielen die Münzen der Severer-Dynastie die zentrale Rolle. Es darf allerdings keine systematische Aufarbeitung der Münzprägung erwartet werden, Stempelvergleiche werden z.B. zur Datierung von Münzen nicht gezogen. Zur Einordnung der Severer in den historischen Rahmen werden die Münzen und die architektonische und künstlerische Produktion (von Bauten über Porträts und Statuen bis zur Glyptik) unter den Vorgängern und auch den Nachfolgern auf dem Kaiserthron zu Vergleich herangezogen, was besonders in Bezug auf die Münzen zu einer wahren Flut an RIC-Verweisen führt. Diese detaillierte Aufarbeitung des Materials ist einer der Verdienste der Arbeit.
Zwei Bereiche sind für Lichtenberger besonders problematisch. Bei der Unterscheidung zwischen Repräsentation und Rezeption geht es um den Auftraggeber von Bauten und Kunstwerken. Die Problematik betrifft eine der zentralen Fragen bei der Beurteilung eines Kaisers. Im Verlauf der Arbeit zeigt Lichtenberger deutlich, dass diese Unterscheidung häufig nicht eindeutig getroffen werden kann. Lichtenberger entscheidet sich im Zweifelsfall eher gegen den Kaiser als Auftragsgeber.
Beim theomorphen Herrscherbild unterscheidet Lichtenberger drei grundsätzliche Erscheinungsformen: Schutzbeziehung, Vergleich und Gleichsetzung in Bezug auf einen Gott, wobei er den Vergleich nur als Variation der Gleichsetzung ansieht. Allerdings geht der Verfasser etwas zu weit, wenn er z.B. eine Gleichsetzung von Iuppiter, Hercules und Liber Pater mit Severus, Caracalla und Geta aufgrund der fehlenden Porträtähnlichkeit ausschließt (92f.). Auf einem Aureus die Porträts von statuarisch dargestellten Personen so ausgefeilt darzustellen, hätte wohl auch den besten Stempelschneider an die Grenzen seiner Kunst gebracht. Selbst wenn eine solche Gleichsetzung tatsächlich nicht offiziell vertreten wurde, kann sie vom Betrachter der Münze dennoch vorgenommen worden und diese Reaktion von kaiserlicher Seite aus durchaus nicht unerwünscht gewesen sein.
Zurück zum Ausgangspunkt und den di patrii-Prägungen mit Liber Pater und Hercules. Im Rahmen der Untersuchung der Bedeutung der beiden Stadtgottheiten von Lepcis Magna für Severus kann Lichtenberger u.a. eine Nachricht von Cassius Dio über einen Tempelbau für die beiden Gottheiten mit Resten eines Tempels am Westabhang des Quirinal in Verbindung bringen, während man bisher überwiegend annahm, dass der bei Dio erwähnte Tempel in Lepcis Magna zu verorten sei (37-40). Auch die Einbindung der beiden Götter in die Feierlichkeiten der Säkularspiele (51-54) belegt ihre Bedeutung für die Selbstdarstellung des Kaisers. Allerdings stellt Lichtenberger für die Jahre 195 und 206 n.Chr. ein Zurücknehmen der beiden Götter fest. Für das erste Datum lässt sich wohl die Selbstadoption in die Familie des Marcus Aurelius als Erklärung heranziehen, für das Jahr 206 könnte eine Reaktion auf ein 'Zuviel' der 'afrikanischen' Götter (57) oder aber auf den Sturz des ebenfalls aus Lepcis Magna stammenden Prätorianerpräfekten Plautianus (89f.) anzunehmen sein. Als eine Motivation für die Förderung der di patrii sieht Lichtenberger auf jeden Fall die pietas gegenüber seiner Heimat(stadt), die mit dem Verhältnis weiterer Kaiser aus den Provinzen zu ihrer Ursprungsheimat verglichen wird (121-167). Allerdings bleibt Lichtenberger - nicht zuletzt aufgrund der bereits angesprochenen Problematik der Bestimmung des Auftraggebers - bei seiner Einschätzung einer 'afrikanischen Partei' angesichts der Schwerpunktsetzung auf dieses Kapitel (immerhin 150 Seiten von nicht ganz 400 Seiten Text) ein wenig vage: Dies "ließ sich nicht sicher nachweisen, sollte aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden." (176) Ein stärkerer Abgleich mit der prosopographischen Forschung kann aber im Rahmen einer archäologischen Arbeit nicht unbedingt erwartet werden.
In den weiteren Kapiteln wird Severus' Verhältnis zu weiteren Gottheiten und programmatischen Schlagwörtern untersucht.
Iuppiter scheint für Severus keine "übermäßig bedeutende Rolle" (216) gespielt zu haben, ebenso wenig Iuno für Iulia Domna. Zudem sieht Lichtenberger Angleichungen an dieses Götterpaar eher von außen an das Kaiserhaus herangetragen.
Deutlich stärker scheint die Funktion Sols als Repräsentant der aeternitas imperii ausgeprägt gewesen zu sein, die aber nicht durch die östliche Herkunft Iulia Domnas erklärt werden kann. Vielmehr können militärische Siege gegen Clodius Albinus und die Parther und die Erinnerung an Commodus (Konsekrationsprägungen), der sich ebenfalls mit Sol in Verbindung gebracht hatte, als Auslöser angesehen werden. Ein größerer Abschnitt in diesem Kapitel ist dem Septizonium des Septimus Severus gewidmet (250-266).
Vielleicht besser direkt im Anschluss daran wäre das letzte Kapitel der Arbeit zum Kaiserkult angesiedelt worden. Abgesehen von der durch die Adoption in die antoninische Familie fast schon zwangsläufig starke Herausstellung der divi und divae hat Severus in diesem Bereich keine neuen Maßstäbe gesetzt.
Im Kapitel Restitutor orbis (281-317) geht es um die Restaurierung zahlreicher sakraler Gebäude, die durch den Brand 192 n.Chr. beschädigt oder zerstört worden waren. Als Reflex einer "sakralen Inszenierung Roms" (306) sieht Lichtenberger dabei die forma urbis.
Die Arbeit schließt mit einer reichhaltigen Bibliographie und einem ausführlichen Register. Im Tafelteil hätte man sich die eine oder andere Münze etwas größer abgebildet gewünscht.
Insgesamt ist die Arbeit aufgrund Ihres Materialreichtums ein wertvoller Baustein für die Forschung zur severischen Dynastie.
Stefan Priwitzer-Greiner