H. V. Bowen / Elizabeth Mancke / John G. Reid (eds.): Britain's Oceanic Empire. Atlantic and Indian Ocean Worlds, c.1550-1850, Cambridge: Cambridge University Press 2012, XIX + 464 S., 10 Kt., ISBN 978-1-107-02014-6, GBP 65,00
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Caroline A. Williams: Bridging the Early Modern Atlantic World. People, Products, and Practices on the Move, Aldershot: Ashgate 2009
Carmen Birkle / Nicole Waller (eds.): "The Sea is History". Exploring the Atlantic, Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2009
Michael J. Jarvis: In the Eye of All Trade. Bermuda, Bermudians, and the Maritime Atlantic World, 1680-1783, Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2010
Nikolaus Böttcher / Bernd Hausberger / Antonio Ibarra (eds.): Redes y negocios globales en el mundo ibérico. siglos XVI - XVIII, Frankfurt/M: Vervuert 2011
Sarah M. S. Pearsall: Atlantic Families. Lives and Letters in the Later Eighteenth Century, Oxford: Oxford University Press 2008
Andrew Fitzmaurice: Humanism and America. An Intellectual History of English Colonisation, 1500-1625, Cambridge: Cambridge University Press 2003
Manuela Albertone / Antonino De Francesco (Hgg.): Rethinking the Atlantic World. Europe and America in the Age of Democratic Revolutions, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2009
Der Titel dieses Buches ist Programm: "Britain's Oceanic Empire" besteht aus zwei Teilen, den "Atlantic and Indian Ocean Worlds", die eben ein einziges "Oceanic Empire" bildeten ("...a single, if as yet loosely integrated, empire...") (1), so die These dieser Aufsatzsammlung, die aus einer Serie von sorgfältig geplanten Konferenzen hervorging. Diese These fordert alle Spezialisten der frühneuzeitlichen amerikanischen, atlantischen und indisch-pazifischen Geschichte auf, das gesamte Feld neu zu durchdenken. In dieser Aufforderung liegt, so scheint dem Rezensenten, der eigentliche Wert dieser Aufsatzsammlung.
Aufsatzsammlungen, die versuchen, ein spezifisches Konzept zu erproben und in historiographische Realität umzusetzen, müssen notwendigerweise mit Verkürzungen arbeiten -dies gilt auch für diese Sammlung. Dies ist aber schon deshalb kein Nachteil, weil dies auch die Zuspitzung von komplexen Befunden auf spezifische herausfordernde Thesen erlaubt, die sich der nur noch in seinen eigenen Differenzierungen denkende Historiker nie zu formulieren gewagt hätte. Dass dies dann zu sich widersprechenden Thesen führt, ist unausweichlich: Die Beiträge im zweiten Teil "Sovereignty, law, and governance" (67-175) betonen aus der Sicht Londons die Einheitlichkeit des Britischen Reiches; MacMillan findet in seinem Beitrag "Imperial constitutions: sovereignty and law in the British Atlantic" (69-97) eine "trans-oceanic imperial constitution" (95-96), eine These, die an Überzeugungskraft gewonnen haben würde, wenn der Autor gezeigt hätte, dass die Charter der Massachusetts Bay Company in London verblieben und nicht nach Boston transferiert worden wäre. Trotzdem: Der Autor macht auf bestimmte begriffliche und rechtshistorische Gemeinsamkeiten im Britischen Empire aufmerksam, die neben den grundsätzlich unterschiedlichen Strukturen der beiden Teile des Empire eben auch existierten und beide miteinander verbanden. Dass er damit wie Jerry Bannister in seinem Beitrag "The oriental Atlantic: governance and regulatory frameworks in the British Atlantic world" (151-175) gefährlich nahe an die höchst problematischen Thesen von Stephen S. Webb [1] heranrückt, sei schon deshalb erwähnt, weil Bannister diese Arbeit nicht nennt.
Die Herausgeber selbst teilen die Zugänge zur Geschichte des britischen Empire in zwei große Gruppen ein: in einen Ansatz, der das Britische Empire als Ergebnis von "mutually reinforcing and interlocking developments" sieht - Jack P. Greene und andere nannten dies die "metropolitane Perspektive" - bzw. eine Folge von "self-governing settler colonies" (2). Die Beiträge des dritten Teils ("Diplomatic and military relations", 177-307) sind aus der metropolitanen Perspektive, die des vierten Teils ("Commercial and social relations", 309-406) aus der Siedlerperspektive, insbesondere aus der der Kaufleute, geschrieben. Die beiden letzten Artikel dieser vierten Sektion versuchen, aus den unterschiedlichen Beiträgen des Bandes Summen und Gemeinsamkeiten zu formulieren. Abgesehen davon, dass es wichtige Studien gibt, die aus der metropolitanen Perspektive geschrieben sind, aber seit Herbert Levi Osgood so gut wie keine, die aus der reinen Siedlerperspektive verfasst wurden, bleibt ein Unbehagen angesichts der Übernahme des "centre versus periphery"-Ansatzes. Einerseits erfrischt der Mut, zwei so unterschiedliche Ansätze einander gegenüberzustellen, die an der zentralen These der Herausgeber von dem letztlich einheitlich strukturierten Britischen Empire energisch zweifeln lassen. Andererseits bleibt Bedeutendes auf der Strecke: Davon scheint mir das Wichtigste, dass "centre" und "periphery" eben nie Gegensätze darstellten, sondern die Gemeinsamkeiten immer überwogen - "centre" und "periphery" sind künstliche Konstruktionen der Historiker, die mit der Wirklichkeit des britischen Empire nicht allzu viel zu tun haben. Die einzelnen Beiträge bestätigen dies.
Konzeptionell und methodisch überzeugt insbesondere in den dritten und vierten Sektionen die Betonung der Interaktionen der Träger unterschiedlicher Kulturen. Allerdings fällt auch hier eine für den nicht-englischen Historiker irritierende Zuspitzung einerseits und Ausklammerung andererseits auf: Im Britischen Empire sind mit Kulturen "native" und die britische gemeint - wobei bei "Britisch" nur die Iren im Beitrag von Wayne E. Lee ("Subjects, clients, allies, or mercenaries? The British use of Irish and Amerindian military power 1500-1800", 179-216) gesondert thematisiert werden - Schotten und Schottland gibt es hier nicht. Mit den Kulturen sind jedoch nicht die Kulturen aller anderen Ethnien gemeint, die sich am Aufbau und der Entwicklung des Britischen Reiches in West und Ost beteiligten. Und beinahe selbstverständlich muss man anfügen, dass die nicht-britische Forschung gleichfalls in diesen Aufsätzen nicht präsent ist.
Gerade weil die meisten Beiträge vorzüglich recherchiert und geschrieben sind, deren Autoren ihre Thesen mit Überzeugung und Verve vertreten, differenzieren sie auch die holzschnittartigen Thesen der Herausgeber - und das ist nicht nur gut so, sondern macht diese Aufsatzsammlung auch zu einer guten und notwendigen Herausforderung für Historiker.
Anmerkung:
[1] Stephen S. Webb: The Governors-General. The English Army and the Definition of the Empire 1569-1681, Chapel Hill 1979.
Hermann Wellenreuther