A. Azfar Moin: The Millennial Sovereign. Sacred Kingship and Sainthood in Islam (= South Asia Across the Disciplines), New York: Columbia University Press 2012, XX + 345 S., ISBN 978-0-231-16036-0, GBP 38,00
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Mit "The Millenial Sovereign" hat Azfar Moin eine Studie zum Moghulreich vorgelegt, die künftig kein Forscher, der sich mit der Ideologie der Moghulzeit beschäftigt, wird ignorieren können. Zentral für seinen Ansatz ist, dass Moin das imperiale Verständnis der Moghulherrscher konsequent von ihrem timuridischen Erbe ableitet und seine Ausdrucksformen auf im 15. und 16. Jahrhundert vorherrschende Konzepte von Sakralität zurückführt. Methodisch orientiert er sich dabei u.a. an Kantorowicz "Die zwei Körper des Königs". So stellt er in den Vordergrund seiner Studie die Inszenierung von Herrschaft, untersucht öffentliche, auf die Sinneswahrnehmung ausgerichtete Handlungen und Repräsentationsformen, und berücksichtigt magische, astrologische und heterodoxe Schriften. Normative, insbesondere rechtlich-religiöse Texte hingegen hält er für weniger wichtig und kritisiert die bisherige Forschung, die die Relevanz solcher Schriften überbewerte.
Moin beginnt seine Studie mit einem Blick auf Sakralität und Souveränität in der Timuridenzeit. Sehr verdienstvoll ist, dass er anschließend die Entwicklungen unter Safaviden und Moghulherrschern parallel behandelt. Herrschaftskonzepte im Iran und in Indien, so sein Postulat, waren beide stark von timuridischen Vorstellungen geprägt und sich - obgleich auf den ersten Blick recht verschieden - in vieler Hinsicht ähnlich. Es gelingt Moin eindrucksvoll, die Interdependenz zwischen den beiden Herrschaftsbereichen und die unter den beiden ersten Moghulherrschern Bābur und Humāyūn zu erkennende Abhängigkeit der Moghuln vom iranischen Vorbild aufzuzeigen. Der Verfasser berücksichtigt in seiner Studie die fünf ersten Moghulherrscher Bābur, Humāyūn, Akbar, Ǧahāngīr und Šāh Ǧahān, für deren Zeit er jeweils unterschiedliche Spielarten der Repräsentation beobachtet. Immer wieder geht er dabei auf die mit der Selbstinszenierung verbundenen Milleniumsvorstellungen ein, hebt Kontinuitäten zwischen den verschiedenen Herrscherpersönlichkeiten hervor, und erklärt Unterschiede als Wandel, der nicht zuletzt durch einen veränderten Grad an Durchsetzung und Akzeptanz der imperialen Ansprüche innerhalb des Herrschaftsgebietes zu erklären sei. Dass er dabei auch die sonst oft mehr oder weniger übergangenen bzw. als Auswüchse eines nicht ausreichend um Ernsthaftigkeit bemühten Herrschers geltenden Erfindungen und Erneuerungen Humāyūns ausgiebig würdigt, ist ein weiteres Verdienst seiner Untersuchung. An diesem Kapitel zeigt sich aber auch ein Schwachpunkt des Buches: denn nicht alles, was Moin an Verbindungslinien aufzeigt, lässt sich wirklich beweisen. So nahe es beispielsweise liegt, die kosmologisch inspirierte Selbstinszenierung Humāyūns mit seiner Nähe zur Šaṭṭāriyya und den astromagischen Schriften von Muḥammad Ġauṯ Gwāliyārī in Verbindung zu bringen - belegen lässt sich diese Verbindung anhand der erhaltenen Schriften nicht. Dies gilt auch für manch andere Zusammenhänge, die Moin postuliert, und gelegentlich hat man den Eindruck, dass er auf eher assoziative als analytische Argumente ausweicht, um solche Unschärfen im Detail zu überspielen. Anders gesagt: Moins Buch enthält sehr viele anregende und berücksichtigenswerte Gedanken, spiegelt gelegentlich jedoch ein größeres Verständnis der Zusammenhänge und Absichten vor, als die Quellen hergeben. In seiner immer wiederkehrenden Betonung der Relevanz performativer Aspekte ist es zudem auch etwas repetitiv; hier zeigt sich ein schon fast missionarischer Drang des Verfassers, den Leser von seiner neuen Betrachtungsweise der Moghulherrschaft zu überzeugen. Durchaus bedauerlich ist auch, dass in dieser ansonsten so gut recherchierten Studie die deutschsprachige Forschung zum Moghulreich weitgehend unberücksichtigt geblieben ist: so wird Heike Frankes Arbeit zu "Akbar und Ǧahāngīr" (Schenefeld 2005) zwar erwähnt, für die Analyse aber kaum herangezogen, andere Studien wie z.B. Stephan Conermanns "Historiographie als Sinnstiftung" (Wiesbaden 2002) wurden offenbar gar nicht zur Kenntnis genommen - ein gerade im Bereich der indo-persischen Studien aufgrund sprachlicher Barrieren leider häufig anzutreffendes Phänomen. Mit diesen kritischen Anmerkungen sollen die großen Verdienste von "The Millenial Sovereign" jedoch nicht geschmälert werden - es ist ein insgesamt sehr interessantes Buch, das auch über den Bereich der Moghulherrschaft hinaus den Blick für Fragen der Performanz und Inszenierung von Herrschaft schärft und dazu ermutigt, eben nicht nur normative Texte, sondern auch solche zu Magie, Astrologie, Physiognomie, Träumen etc. als Ausdruck kulturell und gesellschaftlich relevanter Phänomene ihrer Zeit ernst zu nehmen.
Eva Orthmann