Florian Pressler: The Caribbean Basin Initiative (CBI) 1981-2005. From Reaganomics of Development to Free Trade (= Historische Grundlagen der Moderne; 7), Baden-Baden: NOMOS 2012, 322 S., ISBN 978-3-8329-7057-4, EUR 59,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
In der Einleitung seiner 2009 an der Universität Heidelberg angenommenen Dissertation, konstatiert Florian Pressler, dass sein Forschungsgegenstand, die Caribbean Basin Initiative (CBI), in den ersten Jahren ihrer Existenz wichtige geopolitische Effekte gehabt habe, heute jedoch "mehr oder weniger irrelevant" (18) sei. Sie ist weitgehend Geschichte geworden und damit ein geeigneter Gegenstand für Historiker.
Bei der Caribbean Basin Initiative handelt es sich um ein von Ronald Reagan 1982 etabliertes wirtschaftspolitisches Programm, das den "Nachbarn" der USA im Karibikbecken helfen sollte, "sich selbst zu helfen". Mit dem Karibikbecken (Caribbean Basin) waren nicht die großen Staaten Mexiko, Kolumbien und Venezuela gemeint, sondern die kleinen Staaten der Karibik und Mittelamerikas, die aus Sicht der USA ähnliche ökonomische Probleme hatten und anfällig für eine von Kuba inspirierte "kommunistische Subversion" waren (15). Die CBI war ein Kind des Kalten Krieges.
Die Studie ist chronologisch eingeteilt in vier Hauptkapitel. Im ersten Kapitel (37-59) werden die ökonomischen Probleme des Karibikbeckens und die Versuche ihrer Überwindung vor Etablierung der CBI nachgezeichnet, namentlich die vier Loméabkommen (1975-2000) sowie das "Generalized System of Preferences" (55f.). Trotz dieser präferenziellen Handelsabkommen sei die auf Export ausgerichtete Agrarkultur des Karibikbeckens in den 1970er und frühen 1980er Jahren "unterentwickelt und abhängig" geblieben (57).
Das zweite Kapitel ("Reagonomics of Development and the Geo-Politics of Foreign Aid", 60-145) vermittelt überzeugend die These, dass die CBI vorwiegend auf geostrategischen Überlegungen Ronald Reagans basierte. Die Initiative bestand aus drei Säulen, erstens einem präferenziellen Zugang der karibischen Produkte zum US-Markt (nach Reagan das "Herzstück" des Abkommens), zweitens Steuererleichterungen für Investitionen US-amerikanischer Firmen im Karibikbecken und drittens bilateralen Hilfsabkommen mit Regierungen der Region (94).
Aus Perspektive der Karibik war die dritte Säule die wichtigste: Die Regierungen der armen Kleinstaaten erwarteten finanzielle Direkthilfen (95). Die USA verteilten indes, wie Pressler nachweist, das Geld nach politischen Prinzipien, nicht nach Bedürftigkeit. 1983 flossen 664 Millionen Dollar in nichtmilitärische Hilfe, und zwar vor allem in jene Staaten, deren Regierungen gemeinsam mit den USA gegen den Kommunismus kämpften: So erhielt El Salvador beispielsweise 128 Mio. Dollar, das "verzweifelte Haiti" nur 5 Mio. (96).
Auf der Grundlage von Handelsbilanzen können für die 1980er wenige positive Effekte der CBI nachgewiesen werden. Da alle karibischen Produkte, die einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den US-amerikanischen aufwiesen, von den Abkommen ausgenommen waren, konnten nur wenige Produzenten profitieren; wenn sie es schafften, in die USA zu exportieren, dann trotz, nicht wegen der CBI (139). Auch die Investitionen US-amerikanischer Firmen im Karibikbecken waren gering (135). Die politischen und sozialen Folgen der CBI indes waren zum Teil katastrophal, da die lokalen Eliten, die von ihr profitierten, kaum daran interessiert waren, für gesellschaftlichen Ausgleich zu sorgen. Speziell in den gebeutelten Staaten El Salvador und Guatemala war der Businesssektor eng verwoben mit der extremen Rechten (137).
Im dritten und längsten Kapitel wird die CBI in den 1990er Jahren beleuchtet. Nach Ende des Kalten Krieges hatten die karibischen Staaten eine geringe geostrategische Bedeutung für die US-amerikanischen Regierungen (147). Es waren daher private Interessengruppen, die nun verstärkt Einfluss auf die Abkommen hatten (155). Was nun bedeutete die Neuauflage der Abkommen (nun unter dem Namen CBI II) für bestimmte Regionen, Industrien und Interessenvertretungen? Pressler stellt heraus, dass Lobbygruppen (vor allem der Textilindustrie) starken Einfluss erlangten (195), so dass die Initiative fortan einen wirtschaftlichen Impetus hatte: "[T]he CBI no longer appeared to be a generous development programme afforded for a specific region but as a business model" (195).
Viele unterschiedlichen Fragen rund um die CBI (II) werden in Kapitel 3 analysiert, etwa warum die USA ein Freihandelsabkommen mit Israel, jedoch nicht mit dem Karibikbecken abschlossen (168f.), warum die karibischen Staaten das Freihandelsabkommen von 1994 zwischen den USA, Kanada und Mexiko (NAFTA) fürchteten und wie sie mit ihm umgingen (201f.). Auch die Positionierung der Textil-Lobby, der Arbeiter und deren Verbände, der US-Regierung und des US-amerikanischen Kongresses gegenüber NAFTA und der CBI in den 1990er Jahren werden beschrieben, ebenso wie der Einfluss von Orkanen auf wirtschaftspolitische Entscheidungen. Kapitel 3.7. (227-241), das aus "struktureller Perspektive" die Frage analysiert, warum die USA mit den Staaten des Karibikbeckens nie ein echtes Freihandelsabkommen abschlossen (auf das die Kleinstaaten hofften), endet mit einem eindeutigen Ergebnis: "US-enterprises enjoyed most of the benefits that otherwise only F[ree]T[rade]A[ssociation]s could offer under the CBI: market access, free access to cheap Caribbean Basin labour, copyrights protection, etc. [...] Thus, most US interest groups did not see a great need to quickly extend the CBI into an FTA" (241).
Dass die Staaten des Karibikbeckens stets am kürzeren Hebel saßen, wird auch im vierten Kapitel immer wieder betont, das das "Neue Millennium" beleuchtet (263-285). Die Bedeutung des Karibikbeckens für die USA nahm nach 9/11 weiter ab. Auf Druck einiger Präsidenten der Karibikstaaten boten die USA im Januar 2002 dennoch Verhandlungen über Freihandelsabkommen an. Pressler mutmaßt, dass hierdurch Hugo Chavez' anti-amerikanische Rhetorik entkräftet werden sollte (271). Zudem konnte man die Kleinstaaten außenpolitisch "auf Linie" bringen. Während die meisten lateinamerikanischen Staaten gegen die Intervention der USA im Irak opponierten, unterstützten die Vertragspartner die US-amerikanische Außenpolitik und verpflichteten sich zum Teil, selbst Truppen in den Irak zu senden (274). Das Ergebnis der Verhandlungen, bei denen wiederum die Textil-Lobby die Drähte zog und die USA als Seniorpartner auftraten, war die DR-CAFTA (Dominican Republik-Central American Freetrade Agreement), dem ab 2006 El Salvador, Guatemala, Honduras, Nikaragua, die Dominikanische Republik, Costa Rica beitraten (281f.).
Presslers Werk ist die erste historische Darstellung der CBI (bisherige Beiträge kamen von Juristen, Ökonomen, Politikwissenschaftlern) und leistet Pionierarbeit. Es bietet trotz der Fülle an Abkürzungen eine gut lesbare und mit 1.005 Fußnoten aufwendig recherchierte Darstellung. Das enorme Quellenkorpus umfasst nicht nur Zeitungsartikel und Regierungsdokumente aus zahlreichen Archiven etlicher Staaten, sondern auch Dokumente von Regierungsinstitutionen, Lobbygruppen, Korporationen, NGOs sowie persönliche Memoiren relevanter Akteure und Interviews.
Wenn es an empirischem Material nicht mangelt, so doch an Theorie und Reflexionen über analytischen Kategorien. In welcher Beziehung standen etwa "Kontext" und "Akteure"? Manchmal werden politische Entscheidungen mit der "öffentlichen Meinung" oder der "globalen Wirtschaftslage" erklärt, dann wieder mit dem Handeln bestimmter Politiker oder Lobbygruppen, ohne dass klar würde, in welchem Verhältnis diese Faktoren jeweils standen.
Es handelt sich bei Presslers Werk eher um eine "histoire totale" der CBI, und weniger um eine theoriegeleitete Analyse. Genau aus diesem Grund kristallisieren sich keine abstrahierbaren Erkenntnisse heraus. Nicht zuletzt aus diesem Grund gelingt es Pressler am Ende nicht, die Relevanz seines Themas mit gebührendem Nachdruck herauszustellen.
Debora Gerstenberger