Roger S. Bagnall: Eine Wüstenstadt. Leben und Kultur in einer ägyptischen Oase im 4. Jahrhundert n. Chr. (= SpielRäume der Antike; Bd. 2), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2013, 96 S., 20 Farbabb., ISBN 978-3-515-10373-2, EUR 29,00
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Roger S. Bagnall (ed.): Egypt in the Byzantine World, 300-700, Cambridge: Cambridge University Press 2007
Im Zentrum des vorliegenden Bändchens steht die antike Stadt Trimithis (pharaonisch Set-wah), das heutige Amheida in der Dakhla-Oase. Die Oase liegt circa 850 km südlich von Kairo und etwa 500 km westlich von Luxor in der Wüste. In Amheida wurden in den letzten Jahren Feldforschungen und Grabungen durchgeführt, die der Autor Roger S. Bagnall zehn Jahre in leitender Funktion begleitet hat. Da Amheida von frühpharaonischer bis in frühislamische Zeit durchgehend besiedelt war und im Gegensatz zu anderen antiken Stätten niemals wiederbesiedelt wurde, kann hier eine Siedlung vollständig in ihrer diachronen und geographischen Ausdehnung untersucht werden (15).
Mit vorliegender Studie legt der Verfasser einerseits synthetisch die Grabungsergebnisse vor und macht sie dadurch gleichzeitig einem breiteren Leserkreis zugänglich. Denn im Fall von Amheida/Trimithis basieren alle unsere Kenntnisse auf dem archäologischen Befund sowie auf Dokumenten, die während der Feldforschungen in Amheida oder im Rahmen des so genannten Dakhleh Oasis Projekt in Ismant el-Kharab, dem antiken Kellis, ans Licht gekommen sind (17).
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Auf ein kurzes Vorwort folgt das erste Kapitel, das sich der Stadt und ihren Göttern widmet. Nach einem kurzen historischen Abriss und einer knappen Beschreibung der römischen Stadt geht Bagnall auf den Tempel des Thot, des Hauptgottes der Stadt, ein. Von diesem Tempel, der auf dem Siedlungshügel liegt, befindet sich heute kein einziger Block mehr in situ. Doch die insgesamt 800 ergrabenen Blöcke und Fragmente bieten dennoch einige neue Erkenntnisse: Ein Block mit einer Kartusche Petubastis' I. - das erste Tempelrelief mit einer Kartusche dieses Königs - und eine hieratische Stele aus dem 10. Jahr des Takelot III. bezeugen erstmals, dass die 23. thebanische Dynastie (3. Zwischenzeit) bereits die Oasen kontrollierte und ein besonderes Interesse an diesem Tempel hatte. Wie lange die Kulte im Tempel vollzogen wurden, ist unklar. Erst ab den 360er Jahren lassen sich in Trimithis wie in den übrigen Orten der Oase christliche Namen, Titel von Klerikern sowie Landkirchen finden.
Im Zentrum des zweiten Teiles stehen wirtschaftliche und soziale Aspekte nicht nur der Stadt, sondern auch ihres Umlandes. Anhand des archäologischen Befundes ist ersichtlich, dass die Bevölkerungszahlen in römischer Zeit im Vergleich zur ptolemäischen deutlich angestiegen waren (31). Der Grund dafür liegt nach Bagnall vor allem in einer exportorientierten Spezialisierung auf Handelswaren, die im römischen Reich einen globalen Absatz fanden. Allen voran zu nennen sind hier Olivenöl, Baumwolle und Alaun. Gleichzeitig bot sich durch die ganzjährige Bewässerung in der Oase und durch den Anbau von Baumwolle, einer Sommerfrucht, sowie von Hirse, die mehrmals pro Jahr ausgesät werden konnte, die Möglichkeit, mehrere Ernten pro Jahr einzufahren (38ff.). Die Bewirtschaftung selbst erfolgte wohl über einen Gutshof (oikos), der von einer Gruppe von Landgütern, die jeweils um einen Brunnen herum lagen, umgeben war (epoikia bzw. georgia), und deren Ernte zentral eingesammelt wurde. Bagnall nimmt aufgrund des archäologischen Befundes in Ain el-Gedida an, dass diese Landgüter möglicherweise wie die arabische ezba noch vor nicht allzu langer Zeit von Saisonarbeitern bewirtschaftet wurden (41ff.).
Vermutlich der Sicherung der Wüstenrouten und somit der Kommunikations- und Transportwerge dienten mehrere seit der Tetrarchenzeit in der Oase stationierte militärische Einheiten. Die in der Notitia Dignitatum für Trimithis bezeugte Ala I Quadrorum war, wie der archäologische Befund verrät, nicht in Trimithis selbst stationiert, sondern in El-Qasr, das einige Kilometer entfernt lag und offenbar als Teil von Trimithis galt (48). Da die gesamte Oasenwirtschaft letztlich von einer sicheren Verbindung ins Niltal abhing, möchte Bagnall nicht ausschließen, dass der allmähliche Niedergang der Oasensiedlungen im sechsten Jahrhundert mit einem Rückgang in der Sicherheit der Wüstenrouten zu erklären ist (50ff.).
Im dritten Teil geht es schließlich um den kulturellen Charakter der spätantiken Provinzstadt. Besonders das "Haus des Serenos" bietet hier interessante Einblicke in die griechische Identität und gehobene Bildung ihrer Bewohner: ein Rhetorik-Schulzimmer mit einer "Art Himerius in Versen" (57), mindestens zwei weitere Schulräume mit Zitaten aus klassischen Werken wie der Odyssee und Euripides' Hypsipyle (58) sowie aufwendige Wandmalereien mit Szenen der klassischen Mythologie (59f.). Dass diese klassische Kultur weder auf dieses Haus noch auf Trimithis beschränkt war, zeigt nach Bagnall auch die spätantike Renaissance klassischer Namen in der Dakhla- und Kharga-Oase, die in römischer Zeit und außerhalb der Oasen im Niltal fast nicht nachweisbar sind (61-66). Doch neben der griechischen war ebenso die ägyptische Kultur bis ins 4. Jahrhundert hinein existent, wie aus der Untersuchung von Wohnhäusern und den darin aufgefundenen Tierknochen sowie Grabpyramiden zeigt (67-70). Und schließlich lassen sich auch römische Einflüsse in diesem abgeschiedenen Winkel des römischen Reiches in Form von Bädern nachweisen (70f.).
Die hier vorgestellten Ergebnisse bilden selbstredend nur einen kleinen Teil. Viele Befunde und Funde können zwar angesichts der noch nicht abgeschlossenen Grabungen und Auswertungen nur vorsichtig interpretiert werden, doch Bagnall bietet zahlreiche Ein- und Ausblicke: So konnte erstmals ein Gutshof archäologisch ergraben und identifiziert (Ain el-Gedida) werden (42), während die Gravur "Des Menschenlebens Lotse ist der große Ammon" (Block Inv. 3053) - ägyptisches Gedankengut in einem griechischen Hexameter - durch einen koptischen Kommentar, dass Gott der Lenker des Lebens sei (ete pnoute), einen "Dialog der Religionen in der Spätantike" abbildet (24-27). Auch zahlreiche weitere Befunde und Quellen werden angesprochen, auf deren Publikation man sehr gespannt sein darf. [1]
Der Autor wird seinen eingangs formulierten Zielen dabei mehr als gerecht. Besonders hervorzuheben ist, dass seine Ergebnisse stets auf einer kombinierten Auswertung ganz unterschiedlicher Quellen und der Anwendung verschiedener Methoden basieren: Papyri und Ostraka aus der gesamten Oase, hunderten von Ostraka aus dem "Haus des Serenos" in Trimithis [2], onomastischen Untersuchungen, dem archäologischen Befund, Kohlenstoffisotopuntersuchungen menschlicher Knochen sowie Informationen klassischer Autoren über die ägyptische Oasenwirtschaft.
So bietet dieses auf den ersten Blick eher unscheinbar anmutende Büchlein eine ganze Reihe von Anregungen, die nicht nur für Papyrologen und Ägyptologen viel Interessantes bieten, sondern auch für Historiker, die an allgemeineren Fragen der römischen Geschichte und Spätantike interessiert sind.
Anmerkungen:
[1] Wie beispielsweise das nekrotaphoi-Archiv aus Kysis, dessen Edition R. S. Bagnall vorbereitet (45ff.).
[2] O.Trim. 1-454: R. S. Bagnall / G. R. Ruffini: Amheida I: Ostraka from Trimithis, Vol. 1: Texts from the 2004-2007 Seasons, New York 2012.
Sandra Scheuble-Reiter