Sunhild Kleingärtner / Timothy P. Newfield / Sébastien Rossignol (eds.): Landscapes and Societies in Medieval Europe East of the Elbe. Interactions between Environmental Settings and Culural Transformations (= Papers in Mediaeval Studies; Vol. 23), Turnhout: Brepols 2013, XIV + 406 S., ISBN 978-0-88844-823-1, EUR 80,00
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Daniel Morat (ed.): Sounds of Modern History. Auditory Cultures in 19th- and 20th- Century Europe, New York / Oxford: Berghahn Books 2014
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Sébastien Rossignol / Anna Adamska (Hgg.): Urkundenformeln im Kontext. Formen der Schriftkultur im Ostmitteleuropa des Mittelalters (13.-14. Jahrhundert), Wien: Böhlau 2016
Die Wechselwirkungen zwischen Landschaften und Gesellschaften in einem breiten Zeitbogen vom 4.-5. bis 16. Jahrhundert standen im Mittelpunkt der mittlerweile vierten, von der länderübergreifenden Arbeitsgruppe "Gentes trans Albiam - Europa östlich der Elbe im Mittelalter" durchgeführten Konferenz, die am 26.-27. März 2010 in Toronto stattgefunden hat und deren Ergebnisse nun publiziert vorliegen.
Wie lassen sich historische Landschaften rekonstruieren? Wie wurden sie von den mittelalterlichen Gesellschaften wahrgenommen und empfunden? Und schließlich: Wie haben Menschen die Landschaften umgestaltet und jene sie geprägt? Diese Fragen stellen den roten Faden des Sammelbandes dar und werden anhand unterschiedlichster Quellen - darunter schriftliche, archäologische, paläobotanische und paläozoographische - untersucht. Dabei verstehen die Herausgeber unter dem Begriff "östlich der Elbe" alle Regionen, die vom Römischen Reich nicht integriert wurden und die sich von Schleswig-Holstein im Westen bis Novgorod im Osten erstrecken.
Hier liegt zugleich die Stärke wie die Schwäche des Bandes: Von Vorteil ist, dass ein auf den ersten Blick gemeinsame Merkmale aufweisender Raum erfasst wird, der sich deutlich von den benachbarten Zivilisationen - dem lateinisch geprägten Westeuropa, Byzanz, aber auch dem muslimischen Kalifat - unterscheidet. Andererseits wird "östliches Europa" in so verschiedenen Zeiträumen- und abschnitten behandelt, dass man sich des Vorwurfs der Beliebigkeit nicht erwehren kann.
Was ist aber Landschaft? Sie wird als eine natürliche Umwelt definiert, in die eine Gesellschaft eingebettet wird, zugleich aber als die Art und Weise, wie Mitglieder einer Gesellschaft die Umwelt beschreiben und intellektuell einordnen. Zudem wird in der aktuellen Geschichts- und Umweltforschung die Tendenz erkennbar, Landschaften mit Begriffen wie Erinnerung, Identität, soziale Ordnung und Umwandlung zu erschließen. Der Hinweis der Herausgeber darauf, dass Landschaften stets das Ergebnis von Interaktionen zwischen Gesellschaften und ihrer Umwelt darstellen (7), erscheint aber schon wie eine Floskel - genauso wie die Feststellung, dass menschliche Aktivität auf die Landschaft entweder direkt (Bodenerosion oder Veränderungen der Wasserwirtschaft) oder indirekt (langfristige Veränderungen in der Topografie und Artenvielfalt) einwirken konnte (7). Andererseits liegt auf der Hand, dass es der "Landesausbau" und die "Ostkolonisation" vom 12. bis 14. Jahrhundert waren, die nachhaltige Eingriffe von Menschen in die Landnutzung und einen daraus resultierenden Strukturwandel der alltäglichen Lebenswelten und der Landschaftsentwicklung bewirkten (22).
Der Einleitung folgen 15 Beiträge, die sich in vier Teile gliedern und ein breites Spektrum an historischen und archäologischen Forschungsansätzen abdecken.
Im ersten Teil "Mitteleuropa im frühen Mittelalter" stellt Artur Błażejewski anhand archäologischer Befunde die kulturellen Veränderungen im Flussbecken der oberen Oder im 4.-5. Jahrhundert dar. In dem einzigen auf Französisch verfassten Beitrag skizziert Martin Gravel die Verbindungen zwischen geografischer Entfernung, Kommunikation und der territorialen Ausdehnung im karolingischen Reich. Ulrich Schmölcke und Hauke Jöns berichten über die Viehzucht in den Handelsemporien des deutschen Küstenbereichs, vor allem in Groß Strömkendorf/Reric. Schließlich geht Timothy P. Newfield auf die Ursachen der Viehepidemien in ihren gesamtkontinentalen Dimensionen zwischen ca. 400 und 1000 ein. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Texte von Gravel und Newfield grundsätzlich dem westlichen Europa gewidmet sind.
Der zweite Teil setzt sich aus Beiträgen zusammen, die die Thematik "Wagrien und Elbslawen im frühen und hohen Mittelalter" behandeln. Folglich befasst sich Magdalena Wieckowska-Lüth mit der Siedlungsgeschichte der ostholsteinischen Seelandschaft anhand palynologischen Materials. Slawische Netzwerke am Beispiel des Plöngebiets in Wagrien analysiert Sarah Nelly Friedland, während Ingo Petri auf die Metallproduktion im östlichen Schleswig-Holstein eingeht.
Im dritten Teil stehen "Schlesien, Polen und Ungarn in der hochmittelalterlichen Transformationsphase" im Mittelpunkt: Schlesien bei Przemysław Wiszewski und Krzysztof Fokt (hier neben der Oberlausitz), Ungarn bei Cameron M. Sutt und schließlich das Flussbecken der mittleren Netze in Großpolen bei Tomasz Gidaszewski, Marta Piber-Zbieranowska, Jarosław Suproniuk und Michał Zbieranowski. Der Aufsatz von Piotr Górecki über die Zusammenhänge zwischen Menschen, Land und Siedlung im Heinrichauer Gründungsbuch rundet diesen Teil ab.
Auf dieses Kapitel folgen drei Texte, die den Block "Ostseeraum im Hoch- und Spätmittelalter" bilden. Demnach thematisiert Heide M. Sherman den Bau von Kirchen in Staraja Ladoga im 12. Jahrhundert als einen Versuch, den politischen und kulturellen Einfluss des orthodoxen Novgorod in seinem nördlichen Grenzland zu markieren und die Landschaft zu "sakralisieren". Den Konsum in den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten Livlands beschreibt Ülle Sillasoo, während Daniel Zwick sich mit der Dynamik des kulturellen Wandels in der Zeit der Ostseekreuzzüge im 12. Jahrhundert auseinandersetzt.
Bereits diese Auflistung zeigt deutlich, dass der Band sehr heterogen ist und - innerhalb der Großregion "östliches Europa" - unterschiedliche Gesellschaften und Zeiträume vereinigt. Dessen ungeachtet verstehen alle am Sammelband beteiligten Forscher und Forscherinnen, die aus Deutschland, Polen, Kanada, den USA, Frankreich und Estland kommen, ihr Handwerk gut und sind in ihren Fachgebieten ausgesprochen versiert. Die Bandbreite an innovativen Ansätzen und methodischen Herangehensweisen ist beeindruckend. In dem sich immer noch schwierig gestaltenden Dialog zwischen Geschichte und Archäologie besteht auch der größte Vorteil dieses gelungenen und spannenden Buches.
Dariusz Adamczyk