Hans-Jürgen Bömelburg / Edmund Kizik: Altes Reich und alte Republik. Deutsch-polnische Beziehungen und Verflechtungen 1500-1806 (= WBG Deutsch-Polnische Geschichte), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014, 216 S., 12 s/w-Abb., ISBN 978-3-534-24763-9, EUR 39,95
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Als Ferdinand I. von Habsburg sich über die polnischen Adligen beschwerte, die 1528 unter den Fahnen von Johann Zapolya gegen ihn in Ungarn kämpften, antwortete der polnische König, dass die polnische Nation frei sei. Zu den Freiheiten der Adligen gehöre auch das Recht, für Besoldung zu kämpfen, solange sie nicht gegen ihr Vaterland auftreten. Diese Freiheit haben sie von anderen christlichen Nationen, vor allem von den Germanen gelernt ("hanc libertatem illos cum ab aliis nationibus christianis tum vero potissimum a Germanis didicisse"). [1] Der Gedankenaustausch veranschaulicht, wie kompliziert sogar die friedlichen deutsch-polnischen Beziehungen in der Frühneuzeit sein konnten.
Eine Geschichte der deutsch-polnischen Verflechtungen gehört seit Jahrzehnten zu den Forschungsdesideraten. Der Aufgabe entsprechend wurde die neu erschienene Studie von zwei renommierten Historikern deutscher und polnischer Herkunft verfasst. Der Band von Hans-Jürgen Bömelburg und Edmund Kizik über die frühneuzeitlichen Verflechtungen zwischen beiden Reichen, Kulturen und Nationen eröffnet eine Schriftenreihe, die im Auftrag des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt die über tausendjährige deutsch-polnische Geschichte erläutern und neu erzählen soll.
Wenn Bömelburg und Kizik die deutsch-polnische Geschichte ins Visier nehmen, denken sie zugleich an einen Strukturvergleich wie auch an eine Beziehungsgeschichte, die sich auf vielen Ebenen der gesellschaftlichen und mentalen Welten abspielt. Die Parallelen liegen, wie die Verfasser in der Einleitung und im ersten Kapitel beweisen, auf der Hand, da die beiden Reiche etwa sehr ähnliche räumliche Ausdehnungen, Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen, politische Sprachen und sogar politische Mythen aufwiesen. Beide Staatsverbände oder Kompositionsstaaten waren durch "eine historische Multizentralität" geprägt und militärisch extrem defensiv ausgerichtet. Deswegen gehörte die Grenze zwischen dem Reich und Polen über 250 Jahre zu den friedlichsten in Europa, obwohl die Feststellung der Autoren, dass es "zu keinen deutsch-polnischen militärischen Konflikten" käme (24), vielleicht zu kategorisch ist, wie das oben zitierte Beispiel des Krieges zwischen Ferdinand I. und Zapolya illustriert.
Der Aufbau des Buchs ist klar und sehr übersichtlich. Der Inhalt ist in einen systematischen, aus sieben Kapitel zusammengesetzten "Überblick" und forschungsorientierte "Fragen und Perspektiven" aufgeteilt.
Die gegenseitigen Beziehungen auf der Ebene der politischen Strukturen werden in den ersten Kapiteln rekonstruiert, wo die Verfasser über Kontakte der Institutionen (darunter die Höfe, Reichstage, die Armee und die Post) sowie über die Aktivitäten von Agenten und Diplomaten wie Johannes Dantiscus berichten. Diese Beobachtungen werden im fünften Kapitel um eine Analyse der Eheverbindungen der Jagiellonen mit Habsburgern, Hohenzollern und anderen Reichsfamilien erweitert. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Kontext das lutherische Herzogtum Preußen mit einer starken Landesuniversität in Königsberg, der deutschsprachige Hof der in Polen herrschenden Wasa-Dynastie (1587-1632) und die "Kontaktzonen" in Schlesien und Pommern. Die im sechsten Kapitel behandelte sächsisch-polnische Personalunion (1697-1763) hatte einen Sonderstatus, weil dies nicht nur zu ständigem Personen- und Kulturaustausch zwischen Kursachsen und Polen-Litauen beitrug, sondern auch Polen-Litauen stark in die Reichspolitik involvierte. Schließlich mündeten die Beziehungen in eine diplomatische Auseinandersetzung zwischen Polen und Brandenburg-Preußen im 18. Jahrhundert, welche die Teilungen Polens mit sich brachte und letztlich die polnische Staatlichkeit endete.
Als besondere Stärke des Bandes soll herausgehoben werden, dass die Analysen über den Elitenaustausch hinausgehen und das Augenmerk auf gesellschaftliche Kontaktzonen, Handelskontakte und größere soziale Gruppen, wie Handwerker oder Kaufleute, lenken. Eine "supranationale Institution" und eine Bühne des enorm intensiven Kulturtransfers boten die Kirchen aller Konfessionen an. Nicht nur die Geschichte der protestantischen Kirchen und Kulturen - mit prägnanten Beispielen der Bibelübersetzungen sowie Protagonisten wie Johannes a Lasco, Bartholomäus Keckermann oder Johannes Crell - sondern auch wichtige Gestalten der katholischen Reform, wie Stanislaus Hosius und der Jesuitenorden, liefern modellhafte Belege für den intensiven Austausch zwischen dem Reich und der Republik.
Gerade im Kapitel über die Religionen und Konfessionen könnten die Ausführungen der Verfasser etwa präziser sein, weil manche Stellen zweideutig, wenn nicht gerade fehlerhaft erscheinen. Die in Königsberg gedruckte Übersetzung des Neuen Testaments stammte aus der Feder Stanisław Murzynkowskis und nicht Jan Seklucjans, dessen Name unter der Widmung stand (52). Irreführend ist auch eine sehr knappe Schilderung der Bibelübersetzungsgeschichte: "Die erste vollständige Bibelübersetzung entstand jedoch erst mit der Brester Bibel (1563) von calvinistischer Seite, es folgten sozinianische (antitrinitarische) Bibelübersetzungen, die ersten katholischen Bibeln in polnischer Sprache (1560-1577, 1599) sowie schließlich die vollständige lutherische "Danziger Bibel" (1632)" (52). Schon der zitierte Satz deutet darauf hin, dass als die erste vollständige frühneuzeitliche Übersetzung doch die katholische Bibel von Leopolita gilt, die 1561 in Krakau gedruckt wurde, und die Brester Bibel von 1563 bloß die erste protestantische Übersetzung darstellt. [2] Stanislaus Hosius ist nicht das beste Beispiel für enge Beziehungen zwischen dem lutherischen Herzog Albrecht von Preußen und den ermländischen Bischöfen (56), weil gerade "die Vorgänger des Stanislaus Hosius auf dem ermländischen Bischofstuhl in einem engen und freundschaftlichen Verhältnis zu Herzog Albrecht gestanden [hatten]. Seit dem Regierungsantritt des Hosius sollte eine kühlere Atmosphäre zwischen Königsberg und Heilsberg vorherrschen". [3]
Im zweiten Teil des Bandes gehen die Verfasser weder chronologisch noch systematisch vor, sondern sie behandeln "vernachlässigte Themen einer Beziehungsgeschichte" (14). Dazu gehören ihrer Meinung nach einzelne Aspekte der doch schon ausführlich ausgearbeiteten Mobilität und des Kulturtransfers, die sprachlichen und kulturellen Verflechtungen, multikulturelle Austauschräume und die Rolle der Juden in der deutsch-polnischen Verflechtungsgeschichte. Die Wahl dieses letzten Themas kann überraschen, wenn man bedenkt, dass im Band wichtige Aufsätze z.B. zur Kunst- und Wissenschaftsgeschichte fehlen, die doch näher zum Thema gehört hätten. Die Begründung der Verfasser, dass "Juden oft Teile einer deutsch wie polnisch geprägten Kultur [waren]" (6), ist nur in sehr begrenzten Maßen überzeugend. In diesem Teil wird endlich die Schlüsselfrage nach der Bedeutung und dem Funktionswandel der Attribute "deutsch" und "polnisch" in der Frühneuzeit gestellt und ausführlicher behandelt. Weil die Verfasser hier oft nicht nur in die Forschung einführen, sondern auch Forschungslücken und desiderate ausweisen, sind manche Thesen vielleicht etwas gewagt und zu prägnant formuliert. Eine Behauptung, "eine 'teutsche Libertät' existierte in frühneuzeitlichen polnischen Deutungsmustern nicht" (174), kann mit der oben zitierten Ausführung Sigismunds I., dass die Polen von den Germanen ihre Freiheiten gelernt hatten, widerlegt oder zumindest relativiert werden.
Trotz dieser kleinen kritischen Randbemerkungen muss der Band sehr hoch bewertet werden. Er ist nicht nur eine sehr gut geschriebene Einführung in die komplizierte Geschichte, sondern auch ein Wegweiser für die zukünftige Forschung. Über die Themenauswahl der Querstudien, manche Hypothesen oder Literaturhinweise in Fußnoten lässt sich zwar immer streiten, es muss aber betont werden, dass die Verfasser mit großer Geschicktheit ihre eigenen, oft sehr analytischen Studien in die größere Forschungslandschaft einbetten. Als Ergebnis erhält der Leser ein sehr kohärentes, aber differierendes Bild der gemeinsamen, doch oft parallelen Geschichten.
Anmerkungen:
[1] Acta Tomiciana: epistolae, legationes, responsa, actiones, res gestae Serenissimi Principis Sigismundi eius nominis Primi Regis Poloniae, Magni Ducis Lithuaniae, Bd. X, Posnaniae 1899, Nr. 126, 134-136, "Legatio a Sigismundo ad Ferdinandum" [03.1528].
[2] Rajmund Pietkiewicz: Pismo Święte w języku polskim w latach 1518-1638. Sytuacja wyznaniowa w Polsce a rozwój edytorstwa biblijnego, Diss. Wrocław 2002, 194-320.
[3] Ernst Manfred Wermter: Herzog Albrecht von Preußen und die Bischöfe von Ermland (1525-1568), "Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde des Ermlands" 29, 1957, H. 2, s. 198-311, hier.: 264. Vgl. auch Herzog Albrecht von Preußen und das Bistum Ermland (1525-1550). Regesten aus dem Herzoglichen Briefarchiv und den Ostpreußischen Folianten, bearb. S. Hartmann, 2 Bd., Köln 1991-1993.
Maciej Ptaszyński