Kevin Sharpe: Selling the Tudor Monarchy. Authority and Image in Sixteenth-Century England, New Haven / London: Yale University Press 2009, XXIX + 588 S., 66 s/w-Abb., ISBN 978-0-300-14098-9, GBP 30,00
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Kevin Sharpe: Image Wars. Promoting Kings and Commonwealths in England, 1603-1660, New Haven / London: Yale University Press 2010, xvii + 665 S., ISBN 978-0-300-16200-4, USD 75,00
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Kevin Sharpe: Rebranding Rule. The Restoration and Revolution Monarchy, 1660-1714, New Haven / London: Yale University Press 2013, XXI + 849 S., 90 s/w-Abb., ISBN 978-0-300-16201-1, GBP 45,00
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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Sylvia Hahn / Andrea Komlosy / Ilse Reiter (Hgg.): Ausweisung, Abschiebung und Vertreibung in Europa 16. - 20. Jahrhundert, Innsbruck: StudienVerlag 2006
Barbara Dölemeyer: Die Hugenotten, Stuttgart: W. Kohlhammer 2006
Manuela Böhm / Jens Häseler / Robert Violet (Hgg.): Hugenotten zwischen Migration und Integration. Neue Forschungen zum Refuge in Berlin und Brandenburg, Berlin: Metropol 2005
Wer kennt nicht die großformatigen Porträts Heinrichs VIII. oder Elisabeths I. von England? Dass das Bild dieser Tudor-Herrscher bis heute - und keineswegs nur in Großbritannien - bekannt und geläufig ist, lässt sich auch als Resultat einer erfolgreichen Image-Politik werten, die das Bild des Monarchen breit kommunizieren und in der kollektiven Erinnerung verankern konnte. Der Bürger des ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhunderts mag kritisch zur Kenntnis nehmen, wie Wahlkampagnen die äußeren Erscheinungsbilder von Politikern auf Kosten inhaltlicher Programme in den Vordergrund spielen, doch der Historiker ist sich - wie Kevin Sharpe einleitend betont - nur zu bewusst, dass Medienstrategien zur Kommunikation von Herrscherbildern stets ein Teil des Politischen waren und dass dazu die in den jeweiligen Epochen zur Verfügung stehenden Techniken gezielt genutzt wurden.
In drei monumentalen Bänden widmet der 2011 verstorbene Historiker sich exakt dieser Thematik. Auf weit über zweitausend Seiten breitet er sein Quellenmaterial aus - Texte unterschiedlichster Art, von königlichen Proklamationen über Flugschriften, Predigten, Gedichten und Panegyriken bis hin zu vermeintlich privaten Dichtungen und Briefen aus königlicher Feder, dazu Bilder, von einfachen Holzstichen über Porzellanmalereien bis hin zu großformatigen Gemälden, desweiteren Münzen, Medaillen, Siegel, Berichte über königliche Rituale, Krönungs- und Bestattungszeremonien, Einzüge und Feuerwerke - eine beeindruckende Materialsammlung, die mehr als zwei Jahrhunderte abdeckt. Obwohl die Arbeit so richtig erst mit Heinrich VIII. beginnt, finden sich am Beginn durchaus Bemerkungen zum Anfang der Tudor-Epoche 1485, um dann zunächst den Zeitraum bis zum Tod Elisabeths I. 1603 in den Blick zu nehmen (Bd. 1). Die frühe Stuart-Zeit und das Interregnum bis 1660 bilden den Inhalt des zweiten Bandes, die späte Stuart-Zeit einschließlich der Revolution von 1688 und ihrer Folgen bis 1714 den des dritten [1]. Grundlegend ist dabei der interdisziplinäre Ansatz, denn Herrschaftskommunikation fand in vielen Medien statt, die - so Sharpe - viel zu lange separat und von unterschiedlichen Disziplinen untersucht worden sind (Bd. 1, 38f.). Ein wichtiger Aspekt des Werks ist daher der Durchgang durch die unterschiedlichen Gattungen und Formen monarchischer Repräsentation. Das primäre Gliederungsprinzip ist zwar ein chronologisches, indem in zeitlicher Reihung die Herrschaftszeiten von Heinrich VII. bis Anna aufeinanderfolgen, doch innerhalb dieser Großkapitel bilden die verschiedenen Ausdrucksformen und Medien das entscheidende Einteilungsprinzip. Den herrscherlichen Worten (Proklamationen, Reden sowie Gedichten, Gebeten und politischen Schriften) folgen zunächst die umfangreichen affirmativen Äußerungen anderer (panegyrische Gedichte, Predigten). Sodann stehen die Bilder (vom Ölgemälde bis zur Druckgraphik) und schließlich die Handlungen, Zeremonien und Rituale im Fokus. Am Ende richtet sich dann der Blick auf oppositionelle oder konträre Aneignungen. Dieses Prinzip wird in allen drei Bänden durchgehalten und nur sehr selten durchbrochen - etwa wenn aus gutem Grund am Beginn des Kapitels "Writing Republic" zuerst von der "Eikon Basiliké" Karls I. die Rede ist (Bd. 2, 391ff.).
Am Beginn des ersten Bandes steht zunächst eine ausführliche Einleitung, "Concepts and Methods", in denen Sharpe seine konzeptionellen Überlegungen und forschungsleitenden Hypothesen darlegt und die zwar kein ganz neues, aber doch prägnantes und starkes Plädoyer für eine kulturgeschichtliche Analyse des Politischen darstellen. Sicher wirkt die scharfe Trennung zwischen einer innovationsfreudigen Literatur- und Kunstwissenschaft und einer an traditionellen Schriftquellen festhaltenden, tendenziell positivistischen Geschichtswissenschaft zumindest aus deutscher Sicht etwas überholt, dennoch lässt sich Sharpes Einleitung als definitive Zusammenfassung eines kulturgeschichtlichen Forschungsprogramms lesen, das somit auch den Charakter eines Manifests erhält, auch wenn nicht zuletzt Sharpe selbst vieles davon auch früher schon dargelegt hat [2]. Es sind zugleich programmatische Forderungen, die gerade in jüngeren Arbeiten zu einzelnen Herrschern bereits in Ansätzen praktiziert worden sind, wenn man etwa an Peter Burkes Klassiker zu Ludwig XIV., an Jutta Schumanns und Maria Goloubevas Studien zu Kaiser Leopold I. denkt oder an Tagungsprojekte am Schnittpunkt von Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte [3]. Es fehlt freilich - wie so oft in der angelsächsischen Forschung - der Blick in die fremdsprachige Literatur. Gleichwohl sind Sharpes Prolegomena in ihrer Abgewogenheit und in ihrem betonten Verzicht auf Polarisierungen jeglicher Art von bleibendem Wert. Insbesondere die Forderung, Quellen - Texte und Bilder gleichermaßen - nicht nur mit Blick auf Inhalte zu lesen, sondern ihre Form, ihre Sprache, die Techniken der Vermittlung und nicht zuletzt ihre Materialität stärker in den Blick zu nehmen, ist nicht nur für das vorliegende Werk wichtig, sondern dürfte auch für die weitere Forschung ein nützlicher Appell sein, den man sich nicht oft genug in Erinnerung rufen kann.
Besonders wichtig ist Sharpe die Ausweitung der Analyse auf Medien und Gattungen, die bislang kaum Gegenstand historischer Erörterung waren, weil sie als politisch irrelevant oder fiktiv angesehen wurden. Doch Mythen und Fiktionen seien, so Sharpe, für den Prozess politischer Kommunikation ebenso wichtig wie das vermeintlich fakten- und institutionenbezogene Schrifttum oder der Niederschlag der Verwaltung. Typisch sei etwa die Konzentration der Forschung auf jene Äußerungen Jakobs I., die als offenkundig politisch eingestuft werden, während seine Gedichte und Bibelexegesen kaum beachtet worden seien, obwohl sie für das Bild des Königs von enormer Bedeutung gewesen seien (Bd. 2, 17-46), ein Punkt auf den freilich auch Andreas Pečar schon hingewiesen hat. [4] Herrschaftliche Äußerungen in Texten, Bildern, Medaillen und anderen Medien sind aber zugleich nicht auf eine Bedeutung festgelegt, sondern zwangsläufig offen für sich wandelnde und vielfach umstrittene Interpretationen. Zu Recht bringt Sharpe bereits in der Einleitung seine Skepsis gegenüber dem Propagandabegriff zum Ausdruck, denn in der Tat suggeriert dieser zu sehr eine konzertierte Bemühung um die Vermittlung einer bestimmten Botschaft, an der der Adressat keinen aktiven Anteil hat. Sharpe betont hingegen gerade die Rolle des Empfängers und Rezipienten und dessen aktive Aneignung medialer Äußerungen. Bilder und Texte erscheinen bei Sharpe als kommunikative Akte, als Repräsentationen der Monarchie und als persuasive Strategien zur Konstruktion von Legitimität. So kam es bei einer königlichen Proklamation eben nicht nur auf die von Historikern stets ins Zentrum gerückte Willensbekundung des Herrschers an, sondern auch auf die paratextuelle Gestaltung, etwa die Nutzung der "blackletters" (der englischen Form der Frakturschrift) oder den Abdruck des königlichen Wappens, wie Sharpe gerade im Hinblick auf Legitimitätskrisen deutlich machen kann. Es waren diese formalen Aspekte, die Sprache der Heraldik, die etwa in der unmittelbaren Folge der Revolution von 1688 Kontinuität demonstrierten (Bd. 3, 365). Doch Proklamationen als autoritative Akte vermittelten auch auf der inhaltlichen Ebene ein Bild des Herrschers, indem sie den Fokus auf bestimmte Anliegen richteten, die als wichtig zu gelten hatten. Sie wurden, auch wenn sie von Beratern verfasst oder mitverfasst worden waren, stets als königliche Äußerung wahrgenommen, ein Aspekt, der auch für andere Texte galt. Die "King James's Bible" etwa galt als königliche Bibel, auch wenn die Übersetzung bei aller durchaus vorhandenen theologischen Fachkenntnis sicher nicht von Jakob I. selbst angefertigt worden war. Doch für Sharpe ist eben nicht entscheidend, wer tatsächlich der Verfasser eines Textes war, sondern wie der Text wahrgenommen wurde.
Am Beginn eines neuen Umgangs mit den Möglichkeiten medialer Repräsentation stand Heinrich VIII. Sowohl die Tatsache einer noch nicht gefestigten Dynastie als auch die durch die Reformation erzeugte Krise erforderten laut Sharpe neue Strategien der Herrschaftskommunikation und der Erzeugung von Legitimität. Im Streit um die Scheidung der Ehe mit Katharina von Aragòn rückte die königliche Propaganda, indem sie die Rechtmäßigkeit der königlichen Ehe wie auch die fehlende Zeugung eines männlichen Erben zur Diskussion stellte, das Gewissen des Herrschers wie auch den königlichen Körper und seine sexuellen Konnotationen in die Öffentlichkeit (Bd. 1, 68ff.). Die Folge war eine ausgeprägte Personalisierung und sogar Intimisierung der Monarchie. Hier sieht Sharpe eines der zentralen Probleme, auf die er im Laufe seiner Überlegungen immer wieder zurückkommt: Die Nutzung von Öffentlichkeit und die Vermittlung von Herrscherbildern in einem öffentlichen Kommunikationsraum boten beträchtliche Chancen, gerade in Krisenzeiten Autorität zu kommunizieren, Majestät zu konstruieren und dadurch Gefolgschaft zu sichern. Einmal publiziert entziehen sich die so vermittelten Herrscherbilder jedoch der Kontrolle ihres Schöpfers. Gerade darin liegen ihre Ambivalenz, die Chance einer Image-Politik und die Gefahr einer nicht-intendierten, konkurrierenden, gar oppositionellen Aneignung und Übernahme. Das gilt sogar für die machtvolle Inszenierung Elisabeths: "Elizabeth's image, for all its authority, was the product of many agents and was constructed, refined and refashioned in dialogue with contending interests, circumstances and subjects" (Bd. 1, 320). Für Kevin Sharpe trug gerade dieses öffentliche Aushandeln von Herrscherbildern und der damit eingeleitete Kommunikationsprozess über Herrschaft und einzelne Herrscher wesentlich zu einer allmählichen Desakralisierung oder Demystifizierung des Monarchen bei, was schließlich nach 1714 dazu führte, dass das schon zuvor entstandene Genre der Karikatur nun auch vor dem König nicht mehr haltmachte. So stellt Sharpe immer wieder fest, dass gerade Heinrich VIII. und Elisabeth I. mit ihrer Strategie der Selbstvermarktung und ihrer erfolgreichen Bemühung, zum "focus of the nation" zu werden, wesentlich zu einer Entsakralisierung der Monarchie beigetragen hätten - "in publicising themselves, they had, unwittingly, rendered monarchy itself a public text and site; they had demystified its sanctity" (Bd. 2, 125). Texte und Bilder wurden zum Gegenstand öffentlicher Diskussion und verloren damit ein Stück jener sakralen Entrücktheit, die sie zugleich zu konstruieren versuchten. Die sakrale Aura, auf der Majestät beruhte, ging dabei verloren. Dieses Thema beschäftigt Sharpe schon länger [5], doch hier breitet er es auf einer immensen Quellengrundlage und über einen längeren Zeitraum aus. Hier liegt sicher auch eine der Hauptthesen Sharpes. Die Ambivalenz des Publizierens, des Vermarktens von Herrscherbildern, zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk und ist vielleicht auch als Warnung an die gegenwärtige Politikergeneration zu lesen.
Wie auch immer: Hatten solche Strategien für Heinrich VIII. trotz durchaus vorhandener Kritik am Herrscher insgesamt funktioniert, so lassen sich die Publikationsstrategien des minderjährigen Eduards VI., der Lady Jane Grey sowie der Katholikin Maria I. als Abweichen von den von Heinrich VIII. etablierten Mustern werten, waren sie doch weit weniger von der Idee der Einheit und Harmonie geprägt als von Parteilichkeit, einer radikal-protestantischen im Falle Eduards und Jane Greys, einer katholischen im Falle Marias. Dagegen gelang es Elisabeth I., wieder eine Position zu finden, von der aus sich das Bild einer über allen Parteikämpfen stehenden Monarchie vermitteln ließ, das zudem ähnlich wie das ihres Vaters ganz auf die Person der Königin zugeschnitten war. In großformatigen Gemälden wie auch in unzähligen Druckerzeugnissen wurde das Bild der Herrscherin in die Öffentlichkeit kommuniziert. Das männliche Image Heinrichs VIII. konnte erfolgreich mit Elisabeths Weiblichkeit verbunden und so ein Bild der Königin kreiert werden, das militärische Tüchtigkeit und weibliche 'Schwäche' immer wieder in eine positive Beziehung zueinander setzte, wie Sharpe insbesondere an der berühmten Tilbury-Speech im Vorfeld der Armada-Schlacht demonstriert (Bd. 1, 337). Auch das Bild der "Virgin Queen", die mit der Nation verheiratet war, gehört in diesen Kontext.
Obwohl schon zu Lebzeiten Elisabeths Kritik geäußert wurde, die zum Teil ganz bewusst ihre eigenen Werbestrategien aufgriff und konterkarierte, waren die Bilder der Königin so wirkmächtig, dass sie ihre Nachfolger vor nicht geringe Probleme stellten. Dies hatte seine Ursache nicht zuletzt in der engen Anbindung der Tudor-Marke ("Tudor brand") an die englische Nation, die von einer landfremden Dynastie wie den schottischen Stuarts nicht problemlos übernommen werden konnte (Bd. 2, 3f.). Sie mussten gewissermaßen eine neue Marke prägen, "in a culture everywhere marked with the signs of the Tudors" (Bd. 2, 6). Die Erinnerung war somit eine Größe, mit der stets umgegangen werden musste, ein Umstand, der auch in der jüngeren deutschsprachigen Englandforschung hervorgehoben worden ist. [6] Ein wesentlicher Schlüssel für die problemlose und von vielen begrüßte Thronbesteigung Jakobs waren freilich genau die Punkte, die zentraler Bestandteil der Kritik an Elisabeth gewesen waren, nämlich das Geschlecht und die Sorge um die Thronfolge. Dass nach zwei weiblichen Herrschaften nun wieder ein Mann auf dem Thron saß, spielte laut Sharpe eine ebenso wichtige Rolle wie die Tatsache, dass Jakob im Gegensatz zur "Virgin Queen" ein Ehemann und Vater war, der offenkundig in der Lage war, den Fortbestand der Dynastie zu sichern (Bd. 2, 15ff.). In eine Krise geriet Jakobs Repräsentationsstrategie, die sich im Gegensatz zu Elisabeth weit stärker auf das königliche Wort als auf das Bild und hier besonders auf die Idee des Friedensherrschers stützte, vor allem durch den Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs auf dem Kontinent, als die Nicht-Intervention als mangelnde Loyalität zum Protestantismus gewertet werden konnte.
Die Hinwendung Karls I. zu kontinentaleuropäischen Künstlern und einem insbesondere von den spanischen Habsburgern inspirierten Hofzeremoniell in Verbindung mit einer als katholisierend wahrgenommenen Kirchenpolitik riefen eine Krise der Repräsentation hervor, die Karl zunächst mit langem Schweigen beantwortete. Erst im Kontext des Bürgerkriegs und schließlich seiner Hinrichtung gelang es Karl, ein enorm wirkmächtiges und gewissermaßen resakralisiertes Bild der Monarchie zu entwerfen, indem er sich selbst zum Märtyrer stilisierte. Die "Eikon Basiliké" strahlte in zahlreichen Auflagen weit in die Restaurationsepoche hinein und prägte auch noch die Versuche Jakobs II. nach 1688, aus dem Exil heraus Bilder von sich zu entwerfen (Bd. 3, 329-340). Sharpe stellt sicher zu Recht fest, dass das vielfach als Karls eigenes Werk betrachtete Buch, "Eikon Basiliké", einen wichtigen Anteil am Scheitern der Republik gehabt habe (Bd. 2, 391). Während sich das Commonwealth zumindest partiell der hergebrachten Repräsentationsmuster bediente, war es vor allem Oliver Cromwell, der eine auf seine Person zugeschnittene Image-Politik etablierte, die freilich für seinen Sohn und Nachfolger Probleme aufwarf, an denen er letztlich scheiterte. Dagegen konnte Karl II. direkt an die Resakralisierung der Monarchie durch seinen Vater anknüpfen, wenn auch unter stark veränderten Umständen in einer Gesellschaft mit einem deutlich gewachsenen und kaum noch durch Zensur einzuhegenden Medienmarkt und einer sich gegen Ende der Regierungszeit verfestigenden Polarisierung politischer Parteien. Während es Karl II. noch gelang, die sakrale Monarchie und den Mittelpunkt der Nation zu verkörpern, kann die Regierung Jakobs II. nach 1685 auch als Scheitern der königlichen Repräsentation begriffen werden. Nach der Revolution von 1688/89 änderten sich der Stil und die Kommunikation der Monarchie grundlegend. Auch Annas Versuche, einige Elemente wie den "royal touch", die Skrofelheilungen durch den Monarchen, wiederzubeleben, änderten nichts daran, dass die Krone ihre sakrale Aura verloren und ihre Position als alleinige Quelle von Autorität eingebüßt hatte. Diese von Sharpe vorgebrachte Deutung ist überraschend anti-revisionistisch, wenn man sie mit den nach wie vor als Kontrapunkt und Reibungsfläche dienenden Darstellungen Jonathan Clarks vergleicht, für den England auch im 18. Jahrhundert ein Ancien Régime war und für den der sakrale Charakter der Monarchie durch die Revolution kaum beeinträchtigt worden war. [7] Für Sharpe hingegen bedeutet 1688 bzw. 1714 eben doch eine Epochenschwelle, die den Endpunkt seiner Studie fixiert. Darüber mag man streiten, doch die Entwicklungslinien, die Sharpe zeichnet, besitzen durchaus Überzeugungskraft. Zwischen Anna, die sich so gern auf Elisabeth I. berief, und der letzten Tudor-Königin lag, wie Sharpe resümierend schreibt, eine Distanz, "even greater than the century that separated them" (Bd. 3, 671). Bei aller Skepsis gegenüber teleologisch-whiggistischen Geschichtsbildern lässt sich die Richtigkeit einer solchen Feststellung kaum leugnen.
Probleme, wie sie in einem so umfangreichen Werk vielleicht unvermeidlich sind, lassen sich wohl eher auf anderen Ebenen finden. Vielleicht liegt eines dieser Probleme bereits in der gewählten Darstellungsweise und Untergliederung. Der Durchgang durch die einzelnen Mediengattungen tendiert eher zu einer breiten Präsentation und weniger zu einer systematisierenden Durchdringung des Materials und konterkariert dadurch etwas den integrativen Anspruch, den Sharpe in seiner konzeptionellen Einleitung so stark macht. Die beeindruckende Materialmasse wird vor dem Leser ausgebreitet, erschöpft sich aber eben bisweilen in der Deskription. Hier hätten möglicherweise eine stärkere Zusammenschau und eine Verlagerung der Materialausbreitung in die Anmerkungen dazu beigetragen, die intermedialen Verknüpfungen, das Ineinandergreifen verschiedener Medien stärker zu akzentuieren.
Zudem fällt auf, dass Kevin Sharpe trotz seiner einleitenden skeptischen Bemerkungen gegenüber dem Propagandabegriff doch dazu neigt, medial erzeugte Herrscherbilder als Ausdruck gezielter persuasiver Strategien darzustellen, die als zentral und autoritativ gesteuert erscheinen. Den Nachweis, dass einzelne Akteure Medien tatsächlich bewusst für das "advertising" ihrer Person oder der Monarchie nutzten, bleibt Sharpe oft schuldig. Dass die Gedichte und Lieder etwa Heinrichs VIII., wenn sie im höfischen Kontext kursierten, ein Bild des Königs erzeugten, wird sehr überzeugend dargelegt, weit unsichereres Terrain betritt Sharpe indes, wenn er unterstellt, Heinrich VIII. habe dies auch beabsichtigt. Der Eindruck einer gezielten Propaganda entsteht vielleicht auch aus der bereits angesprochenen konzeptionellen Trennung affirmativer und oppositioneller Sprech- und Bildakte, die somit als sauber in zwei Lager zu trennende Positionen präsentiert werden. Gerade für die spätere Stuart-Zeit wird generell davon auszugehen sein, dass das Spektrum medialer Äußerungen weit multipolarer war und sich nicht einfach in konforme und oppositionelle Kommunikationsakte einteilen lässt. Hier simplifiziert Sharpe bisweilen etwas, zumal er insbesondere im Kontext von 1688 und der Folgezeit alle Positionen, die sich positiv zur Revolution verhielten, als "Whig"-Positionen klassifiziert. Für Sharpe ist - ungeachtet der hier stark differenzierenden Spezialforschung - die 'Glorious Revolution' eine Whig-Angelegenheit, und es waren dementsprechend für ihn die Whigs, die die postrevolutionäre Monarchie und Kultur prägten. Dass es den Whigs gelungen sei, eine kulturelle Hegemonie zu etablieren, sei eine wesentliche Voraussetzung dafür gewesen, dass das Haus Hannover sich auf dem Thron habe halten können (Bd. 3, 343f.).
Problematisch erscheint auch der Umgang mit Opposition, die, vielleicht um der generellen These der konterkarierenden Aneignung willen, bisweilen zu stark gemacht wird. Das wird ebenfalls besonders nach 1688 deutlich, in einem Zeitraum, zu dem Sharpe im Gegensatz zur früheren Stuart-Zeit weit weniger gearbeitet hat. Sharpe versäumt es zu Recht nicht, auch die Gegenposition und ihre Repräsentation darzustellen, insbesondere jene Bilder, die nach 1688 von den Stuarts im Exil verbreitet wurden. Er vermeidet indes jede quantifizierende Äußerung, und so vermittelt er das Bild eines Gegenübers von zwei relativ starken politischen Lagern und ihrer medialen Strategien, während erst bei näherem Hinsehen deutlich wird, dass sich die Darstellung der jakobitischen Medien auf eine weitaus geringere Quellenbasis stützt als die der Gegenseite. Hier entstehen Ungleichgewichte, die der komplexen Debattenkultur nach 1688 nicht immer gerecht werden.
Was bleibt nach der Lektüre dreier monumentaler Bände, die zugleich die Krönung eines Lebenswerks darstellen? Neben einer immensen Detailfülle wohl vor allem die Einsicht, wie fruchtbar, aber auch wie mühsam die intensive Auseinandersetzung mit einer multimedialen politischen Kultur der Frühen Neuzeit sein kann. Mit dem Blick auf die Ambivalenzen und die gegenläufigen Prozesse von Sakralisierung und Desakralisierung entfaltet Sharpe ein neues, in dieser Dichte und über diesen Zeitraum bislang nie dagewesenes Bild der frühneuzeitlichen Monarchie in England, und er entschlüsselt einen Teil jener gesellschaftlichen Codes, die wesentlich zum Funktionieren von Herrschaft beigetragen haben. Damit präsentiert er eine Kulturgeschichte des Politischen, wie sie sein sollte: politisch und über das vermeintliche Äußerliche den eigentlichen Kern des Politischen betreffend. Kevin Sharpe hat mit seiner Trilogie sicher nicht nur ein Teilgebiet der englischen Frühneuzeit erschlossen, sondern einen sich bereits seit längerem entwickelnden Blick auf die Epoche insgesamt zur vollen Entfaltung gebracht.
Anmerkungen:
[1] Die Bände stehen, wie Sharpe betont, durchaus für sich und sind auch als Einzelpublikationen ohne Bandzählung publiziert worden; dennoch werden sie hier der Einfachheit halber als Bd. 1, 2 und 3 zitiert.
[2] Z.B. Kevin Sharpe: Remapping Early Modern England: From Revisionism to the Culture of Politics, in: ders.: Remapping Early Modern England. The Culture of Seventeenth-Century Politics, Cambridge 2000, 3-37; ders.: Politische Kultur, Autorität und Schrift im England der Frühen Neuzeit, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen, Berlin 2005, 149-188.
[3] Peter Burke: The Fabrication of Louis XIV, New Haven, Conn. 1992; Jutta Schumann: Die andere Sonne. Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I., Berlin 2003; Maria Goloubeva: The Glorification of Emperor Leopold I in Image, Spectacle and Text, Mainz 2000. Außerdem Christoph Kampmann u.a. (Hgg.): Bourbon - Habsburg - Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, Köln u.a. 2008.
[4] Andreas Pečar: Macht der Schrift. Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg (1534-1642), München 2011, 189-213.
[5] Kevin Sharpe: Sacralization and Demystification. The Publicization of Monarchy in Early Modern England, in: Jeroen Deploige / Gita Deneckere (eds.): Mystifying the Monarch. Studies on Discourse, Power, and History, Amsterdam 2006, 99-115.
[6] Kerstin Weiand: "Late Queene of famous memorie". Herrschermemoria und politische Normbildung im England der frühen Stuartzeit, Diss. phil. Marburg 2012.
[7] Jonathan C. D. Clark: English Society 1688-1832. Ideology, Social Structure and Political Practice during the Ancien Regime, Cambridge 1985.
Ulrich Niggemann