Thomas E. Morrissey: Conciliarism and Church Law in the Fifteenth Century. Studies on Franciscus Zabarella and the Council of Constance (= Variorum Collected Studies Series), Aldershot: Ashgate 2014, XVIII + 366 S., ISBN 978-1-4724-2387-0, GBP 90,00
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Biographische Studien zu berühmten Juristen des Spätmittelalters haben derzeit Konjunktur. Dennoch fehlt noch immer eine moderne Biographie zu Francesco Zabarella, welche nicht nur Lebensgeschichte und Karriereprofil dieses herausragenden Kanonisten erschließen, sondern vor allem wertvolle Impulse zur Erforschung des großen abendländischen Schismas liefern würde, mit dem die Lebensgeschichte Zabarellas aufs Engste verknüpft ist. Thomas E. Morissey, dessen Dissertation von 1973 zu den politischen Ideen Zabarellas leider ungedruckt blieb, [1] hat jedoch in zahlreichen Einzelstudien verschiedene Aspekte seines Wirkens erschlossen. Die wichtigsten dieser zum Teil schwer zugänglichen Artikel sind nun in der Reihe "Variorum collected studies" gebündelt verfügbar.
Wie für die Variorum-Reihe üblich, handelt es sich zumeist um unveränderte photomechanische Abdrucke der Originalbeiträge ohne Aktualisierung des stets ausführlich erschlossenen Forschungsstandes. Hinzu kommen zwei Erstveröffentlichungen zweier Vortragsmanuskripte: Ein Vortrag aus dem Jahr 2000 skizziert die Krisenzeit der Stadt und Universität von Padua am Ende der Herrschaft der Carrara und zur Zeit der venezianischen Machtübernahme (Nr. XVI). Ein ursprünglich 2010 gehaltenes Referat analysiert eine möglicherweise Zabarella zuzuschreibende Predigt zum Fest der Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni 1407 (Nr. XVII). Zweifel an der durch die Überlieferungslage naheliegenden Zuschreibung der Predigt beruhen auf inhaltlichen Erwägungen, da der Text traktatartig die päpstliche Autorität stärkt, Zabarella hingegen, vor allem durch seinen in dieser Zeit entstandenen "Tractatus de schismate", als konziliaristischer Autor eingeordnet wird. Derartige Betonungen des päpstlichen Primats zum Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus waren jedoch selbst noch auf dem Basler Konzil der späten 1430er Jahre üblich und standen nicht im Widerspruch zu konziliaristischen Grundhaltungen.
Nach einer kurzen Einleitung (ix-xviii), in der der Verfasser die Lebensgeschichte Zabarellas und die damit verbundenen Problemkreise (Schisma, Universität von Padua, Frühhumanismus, Konstanzer Konzil) umreißt, folgen 15 zwischen 1978 und 2008 erschienene und nun neu aufgelegte Artikel, welche grob in drei Themenkreise gegliedert werden: "Zabarella und Nikolaus von Kues" (Nr. I-IV), "Konstanzer Konzil und Konziliarismus" (Nr. V-XII) und "Zabarella" (Nr. XIII-XVII).
Nur ein Aufsatz des ersten Themenkomplexes befasst sich explizit mit Nikolaus von Kues: Die ursprünglich 1986 erschienene Studie "Cardinal Zabarella and Nicholas of Cusa. From community authority to consent of the community" (Nr. I) vergleicht die konziliaristischen Hauptwerke der beiden in Padua ausgebildeten Kanonisten "De schismate" und "De concordantia catholica". Da Cusanus jedoch erst im Todesjahr Zabarellas nach Padua kam, sind direkte Berührungspunkte begrenzt. Weitere Studien, die ursprünglich im Umfeld der American Cusanus Society bzw. der Cusanus-Gesellschaft publiziert worden waren, betreffen die in zeitversetzter Parallelität durchschrittenen Lebenswelten, nämlich die Universität und die Stadt Padua als "Welt, die Nikolaus von Kues vorfand" (Nr. II und III) sowie die Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel als Wirkungsstätte der berühmtesten Kanonisten ihrer Zeit (Nr. IV).
Der zweite Themenkomplex umfasst aus der Perspektive Zabarellas zentrale Aspekte des Konstanzer Konzils. Mehrfach wird der ambivalente Einfluss Zabarellas auf das Zustandekommen des berühmten Dekrets "Haec sancta" in mikroskopisch genauer Quellenautopsie rekonstruiert (Nr. V und IX). Auch der theoretische Beitrag Zabarellas zum Konziliarismus wird vor allem anhand des "Tractatus de schismate" aber auch der umfangreichen Dekretalenkommentare analysiert, und zwar mehrfach unter verschiedenen Perspektiven, wobei vor allem die Problemfelder "Kaiser und Konzil" (Nr. VI), der Naturrechtsgedanke (Nr. X) und die bischöfliche Autorität (Nr. XIII) betrachtet werden. Auch die feierlichen Reden im Namen des Konstanzer Konzils und Reformpredigten kommen mehrfach ausführlich zur Sprache (v.a. Nr. VII und XII). Dabei erweisen sich die Kategorien "radikal" und "konservativ" als nur bedingt geeignet zur Analyse des politischen und juristischen Profils des Konzilsvaters, dessen Strategien zur Lösung des Schismas in politischer Hinsicht als "radikal" angesehen werden konnten, während ihre kanonistische Legitimation orthodoxe und traditionelle Auslegungsmuster betonte (v.a. Nr. XI). Dreh- und Angelpunkt der Ekklesiologie Zabarellas war der Begriff des "status ecclesiae", an welchem die Grenzen der päpstlichen Machtfülle und Einflusspotentiale des Universalkonzils konkret entwickelt werden (s. v.a. Nr. XIV, S. 38f.).
Der dritte Themenkomplex "Zabarella" umfasst neben den hier erstmals veröffentlichten Arbeiten (Nr. XVI und XVII) zwei zusammenfassende Studien zum politischen Profil Zabarellas, welche eigentlich in den Themenkreis Konziliarismus gehören (Nr. XIII und XIV). Hinzu kommt eine wichtige und noch zu wenig beachtete Studie aus dem Jahr 1989 zum Bildungstraktat Zabarellas, welcher hier erstmals kritisch ediert wurde (Nr. XV). Ein Auswahlregister hilft bei der Erschließung des sehr nützlichen Bandes, der die beeindruckenden Verdienste des Verfassers für die Erforschung der Welt um 1400 unterstreicht.
Anmerkung:
[1] Thomas E. Morissey: Franciscus de Zabarellis (1360-1417) and the Conciliarist Traditions, Cornell University, Ithaca, NY 1973.
Thomas Woelki