Salvatore Marino: Ospedali e città nel regno di Napoli. Le Annunziate: istitutzioni, archivi e fonti (secc. XIV - XIX) (= Biblioteca dell'Archivio storico italiano; XXXV), Florenz: Leo S. Olschki 2014, XVI + 152 S., 7 s/w-Abb., ISBN 978-88-222-6306-3, EUR 23,00
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Marzia Azzolini / Massimo Miglio (a cura di): Pietro Egidi. Giornata di studi, Viterbo, 18 novembre 2015, Roma: Istituto Storico Italiano per il medio evo 2017
Meike Hensel-Grobe: Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues. Studien zur Stiftung des Cusanus und seiner Familie (15.-17. Jahrhundert), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2007
Donald S. Prudlo (ed.): The Origin, Development, and Refinement of Medieval Religious Mendicancies, Leiden / Boston: Brill 2011
Das Buch trägt sowohl zur Schließung als auch zur Erklärung einer Forschungslücke bei. Sein Thema, die Hospitäler im kontinentalen Süditalien, wurde von der lebhaften historischen Hospitalforschung Italiens stets nur am Rande behandelt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Studien zu den im Königreich Sizilien/Neapel gut vertretenen (und in letzter Zeit intensiv erforschten) Ritterorden ausklammert, deren Hospitäler sich jedoch für die Armen- und Krankenfürsorge weniger engagierten als andere, insbesondere städtische Hospitäler. Als Indiz für diesen Stand der Dinge mögen ein Blick in eine neuere Spezialbibliografie [1] sowie die Feststellung genügen, dass in dem geografisch weit ausgreifenden Werk zum "europäischen Spitalwesen", das vor wenigen Jahren von Wien aus organisiert wurde [2], Süditalien nicht vertreten ist.
Salvatore Marino ist nicht nur mit der Hospitalgeschichte des Südens, sondern auch mit der Toskana und Katalonien vertraut. Von dem dadurch ermöglichten vergleichenden Blick profitiert das Buch sehr. Hauptgegenstand ist ein im frühen 14. Jahrhundert entstandener Hospitaltyp, der sich von Neapel aus rasch verbreitete, insbesondere in den nordwestlichen Provinzen des Königreichs. Kurz vor 1320 gründete eine Bruderschaft in der Hauptstadt mit Unterstützung des angiovinischen Königshauses eine der Maria Annunziata geweihte Kirche mit Hospital. Diese Initiative wurde in mehreren größeren und kleineren Städten des Regno nachgeahmt, zunächst in Capua, Aversa, Gaeta und Sulmona: Bis etwa 1430 sind mindestens 30 vergleichbare Institutionen nachweisbar. Kennzeichnend für dieses Hospitalmodell ist nicht nur das Patrozinium der Annunziata, sondern die Gründung und Kontrolle durch eine Laienbruderschaft oder durch Stadtbürger, die Verbindung mit der Monarchie, die Distanz von der lokalen Kirchenhierarchie (nicht vom Papst) und von religiösen Orden sowie ein gewisser Schwerpunkt auf der Sorge für Findelkinder und der Zahlung von Mitgiften für junge Frauen. Eine zentral gelenkte Einheit bildeten die Annunziata-Hospitäler nicht; sie blieben vielmehr unabhängig voneinander, auch wenn das Neapolitaner Haus mit Abstand das größte Hospital im ganzen Regno wurde und für die Hauptstadt und ihre Umgebung Zentralfunktionen erwarb.
Die institutionelle Geschichte der Annunziate vom frühen 14. Jahrhundert bis ins 17. Jahrhundert ist Thema von Teil I des Buches (3-74). Ein zweiter Teil (77-106) lenkt den Blick auf die Archivgeschichte der süditalienischen Hospitäler. In Teil III (109-132) werden zehn Königsurkunden (der Jahre 1383 bis 1473) für die Annunziata von Neapel ediert. Der Überblick über die Gründungs- und Verwaltungsgeschichte der Hospitäler im ersten Teil läuft streckenweise Gefahr, zu einer Aufzählung der Schenkungen zu erstarren, mit denen vor allem die Königinnen aus dem Haus Anjou sich hervortaten. Das mag dem Charakter der Dokumente geschuldet sein, auf welche die Studie mit ihrer archivgeschichtlichen Ausrichtung sich durchgehend stützt. Über die (partielle) Transformation der Neapolitaner Annunziata in eine Bank und deren Bankrott im 17. Jahrhundert (40-41) hätte man gern ein wenig mehr erfahren. Für diesen eher spröden Aufriss entschädigt das Schlusskapitel von Teil I (62-74), das die Hauptfunktion der Annunziate, die Betreuung von Findelkindern, näher vorstellt (andere karitative Funktionen kommen kaum zur Sprache). Es basiert auf Quellen des 15., vor allem aber des 16. und 17. Jahrhunderts und arbeitet im ständigen Vergleich mit Befunden aus der Toskana, der 'Leitregion' für die Erforschung dieser Fragen, neue und interessante Details heraus: Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung der Verträge, die das Hospital mit den Adoptiv- oder Pflegeeltern seiner Schützlinge schloss.
Für den archivgeschichtlichen zweiten Teil ist die vergleichende Perspektive besonders gewinnbringend, nicht nur weil der Verfasser sich hier in seinem eigentlichen Metier bewegt, sondern weil der Vergleich zwischen süd- und norditalienischen Hospitalarchiven für die Forschungsgeschichte erhellend ist. Dieser Teil rechtfertigt auch die Zeitangaben im Titel des Buches, denn jetzt liegt der Schwerpunkt in der Tat auf dem 19./20. Jahrhundert. Der Bericht über die Archivalien der Hospitäler in Süditalien bestätigt - man kommt um diese Feststellung leider nicht herum - den Verdacht, den schon die Asymmetrie des Forschungsstandes aufdrängt: Von Ausnahmen abgesehen, ging man im Süden - insbesondere im 20. Jahrhundert! - höchst sorglos mit diesen Beständen um. Dazu nur eine Zahl: Die nach 1963 an die Staatsarchive abgegebenen historischen Hospitalbestände (das ist ein Großteil, wenn auch nicht die Gesamtheit aller Hospitalarchive) verteilen sich im Verhältnis von 90:10 auf Nord-Zentralitalien bzw. Süditalien (82).
Die Edition von zehn königlichen Diplomen im dritten Teil des Buches ist verdienstvoll und technisch gut gemacht. Als Vorlagen dienten in allen Fällen die Originale, die mit Ausnahme des ersten bisher ungedruckt waren. Es handelt sich um Schenkungen und Privilegien für die Annunziata von Neapel, davon allein fünf von Königin Johanna II. (1414-1435). Einige Nachfragen muss sich allerdings die Textgestaltung gefallen lassen. Marino gibt zwar einleitend an, die Interpunktion modernisiert zu haben, doch ist dies häufig misslungen. Viel zu lange Perioden, dann wieder unnötige und manchmal verwirrende Unterbrechungen bereiten einiges Kopfzerbrechen. Lese-/Tippfehler kommen hinzu (etwa 115: "volenseque", "Maria Virginem"; 122: "in presencia nostra donacione", "nostri privilegis"; 128: "spectabilis et magister viri"; 130: Korrekturanweisung "togliere virgola" im lateinischen Text; 132: "nobis mortem gerere" usw.). Die Kopfregesten zu den Urkunden 1, 2 und 8 sind ungenau. All dies ist schade, denn der ansonsten gute Eindruck, den diese zwar trockene, aber instruktive und solide Bestandsaufnahme hinterlässt, wird dadurch noch auf der Zielgeraden geschmälert. Trotzdem: Das Buch bringt die Erforschung der italienischen Hospitalgeschichte ein gutes Stück voran.
Anmerkungen:
[1] Marina Gazzini: Gli ospedali nell'Italia medievale, in: Reti medievali. Repertorio, http://www.rm.unina.it/repertorio/rm_gazzini_ospedali_medioevo.html
[2] Martin Scheutz / Andrea Sommerlechner / Herwig Weigl / Alfred Stefan Weiß (Hgg.): Europäisches Spitalwesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit / Hospitals and Institutional Care in Medieval and Early Modern Europe, Wien / München 2008 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband, 51); Dies. (Hgg.): Quellen zur europäischen Spitalgeschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit / Sources for the History of Hospitals in Medieval and Early Modern Europe, Wien / München 2010 (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; 5)
Thomas Frank