Sieglind Storck: Das Theater der Jesuiten in Münster (1588-1773). Mit Editionen des 'Petrus Telonarius' von 1604 und der 'Coena magna' von 1632, Münster: Aschendorff 2013, VI + 544 S., 45 s/w-Abb., ISBN 978-3-402-13045-2, EUR 49,00
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Die Beschäftigung mit dem Jesuitentheater wurde von verschiedenen kulturwissenschaftlich orientierten Fachdisziplinen in den letzten Jahren vermehrt genutzt, um Einblick in die katholische Bildungs- und Literaturlandschaft der Frühen Neuzeit zu erhalten. Das in diesem Rahmen entstandene Werk von Frank Pohle ist für den deutschsprachigen Raum - und darüber hinaus! - als das Referenzwerk schlechthin zu nennen, da es nicht nur durch seine sorgfältige Quellendokumentation und -auswertung besticht, sondern auch die interdisziplinären Zugänge und Potentiale in bemerkenswerter Weise ausschöpft. [1]
Die vorliegende philologische Dissertation Sieglind Storcks knüpft an die Ergebnisse Pohles in vielerlei Hinsicht an und bricht sie auf die spezifische Situation des Münsteraner Schultheaters der Jesuiten herunter. Ihre große Leistung besteht in einer akribischen Recherche und Dokumentation sämtlicher nachweisbarer Texte und Aufführungen, die in Münster entstanden und auf die Bühne des Gymnasiums Paulinum gekommen sind. Hierzu konsultierte sie nicht nur die ordensinternen Aufführungsnachrichten in den Annalen und Chroniken, wie sie im Staatsarchiv Münster und im römischen Zentralarchiv der Jesuiten zu finden sind; eine erkleckliche Zahl weiterer Periochen und Spieltexte konnte sie unter anderem in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster und vor allem in der Dombibliothek Hildesheim auftun.
Diesen Gesamtbestand an 198 verschiedenen Stücken stellt sie in chronologischer Reihenfolge ihrer Aufführung in einem sehr übersichtlichen und informativen Repertorium vor, das zu jedem Stück alle erhebbaren Daten zu Autor, Inhalt, Aufführungsanlass, den beteiligten Akteuren, Quellennachweise und kurzes Literaturverzeichnis bietet. Ergänzt wird diese Zusammenstellung, die mit einem Umfang von rund 150 Druckseiten den qualitativ und quantitativ hervorstechenden Bestandteil der Arbeit bildet, zum einen durch eine ausführliche Zeittafel mit wichtigen Daten und Begleitumständen der Münsteraner Kolleggeschichte. Zum anderen wird dem Leser die Möglichkeit gegeben, zwei der Münsteraner Stücke in ihrem vollen Textumfang studieren zu können. Der "Petrus Telonarius" von 1604 und die "Coena Magna" von 1632 wurden jeweils editorisch aufgearbeitet, kommentiert und in ein zeitgemäßes Deutsch übersetzt. Die Übersetzung selbst wurde durch den Münsteraner Philologen Christian Peters geleistet.
Storcks mit großem Fleiß und philologischer Exaktheit erstellte Veröffentlichung zeichnet ein eindrucksvolles Bild der Münsteraner Theater- und Kulturgeschichte, die über lange Zeit vom Wirken der Gesellschaft Jesu geprägt worden ist. Zugleich macht sie auch deutlich, wie durch intensive Recherchearbeit der bisherige Kenntnisstand über Zahl und Inhalt der Stücke (vor allem die Studien von Valentin, Szarota und Bahlmann) noch deutlich ergänzt werden kann. Dies sollte Ermunterung für weitere lokale "Tiefenbohrungen" sein, für die die Arbeit von Frau Storck als beispielgebend bezeichnet werden kann.
Anmerkung:
[1] Frank Pohle: Glaube und Beredsamkeit. Katholisches Schultheater in Jülich-Berg, Ravenstein und Aachen (1601-1817) (= Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496; Bd. 29), Münster 2010.
Christoph Nebgen