Gabriela Signori (Hg.): Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns Ludwig Kilchmann (gest. 1518). Herausgegeben und kommentiert von Gabriela Signori (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte; Bd. 231), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2014, 126 S., ISBN 978-3-515-10691-7, EUR 36,00
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Bei dem Werk handelt es sich um eine kommentierte und mit einer Einführung versehene Edition des Schuldbuchs von Ludwig Kilchmann, einem Basler Kaufmann (* ca. 1450, † 1518). Kilchmann ist von der bisherigen Forschung zwar beachtet und Teile seiner Geschäftsunterlagen sind bereits durch frühere Editionsprojekte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, doch liegen mit der vorliegenden Edition nun erstmals auch Quellen zum Hauptbereich seiner Geschäftstätigkeit - dem Geldverleih - vor (8).
Die von Kilchmann im späteren 15. Jahrhundert versteuerten 2.600 Gulden (die Mutter verwaltete mit 5.000 Gulden den Löwenanteil des Familienbesitzes) deuten auf einen 'mittelständischen' Kaufmann mit einer im internationalen Vergleich eher bescheidenen Kapitalisierung und sowohl geografisch als auch sozialtopografisch beschränktem Netzwerk hin (11). Wir dürften ihn mit dem ehemaligen Häuer und Bergunternehmer Hans Luder vergleichen, dem Vater Martin Luthers, welcher ebenfalls zum Ende seines Lebens ein steuerbares Vermögen in Höhe von 2.500 Rheinischen Goldgulden angab. Kilchmanns Vater, ein Bäcker, war durch eine glückliche Erbschaft zu Geld gekommen; Ludwig selbst hatte das Basler Bürgerrecht und war Mitglied der Zunft zum Schlüssel. Er betätigte sich Zeit seines (aktiven Geschäfts-)Lebens modern gesprochen als Rentier und 'Vermögensverwalter' - für sich, seine erweiterte Familie und sein kommerzielles Netzwerk. Seine Geschäfte - so sie in dem vorliegenden Geschäftsbuch dokumentiert sind - erstreckten sich dabei (1) auf die Vergabe von Krediten - von bescheidenen Klein- und Kleinstkrediten bis hin zu mehreren 1.000 Gulden Darlehen, etwa an die Herzöge von Württemberg, (2) Ewigrenten und Grundzinsen auf Landgüter, die Kilchmann und / oder Familienangehörige gemeinsam erworben hatten und durch ihn verwaltet wurden sowie (3) Bergwerksanteile. Ein "Großteil des Vermögens, mit dem Kilchmann 34 Jahre lang wirtschaftete (waren) Güter, die seine Frau Elisabeth Zscheckabürlin in die Ehe eingebracht hatte." (13) Damit zeigt sich anschaulich die Bedeutung sozialer Netzwerke für eine erfolgreiche kommerzielle Tätigkeit und die Transformation von sozialem in ökonomisches Kapital. Die als gezahlt gebuchten Zinsen bewegten sich jeweils um die von der kanonischen Rechtsprechung und Rechtssetzung der Zeit allgemein akzeptierte Zinsobergrenze in Höhe von 5 % p.a.
Der vorliegende Band gliedert sich in eine Einleitung mit einer Übersicht über die Genealogie und die sozialen Netzwerke Kilchmanns (Einleitung, 1), gefolgt von einer konzisen Übersicht über seine Geschäfte (Einleitung, 2). Es folgt eine Bibliografie, sowie eine Beschreibung der Handschrift und eine sehr schöne und transparente Übersicht über die Editionsprinzipien. Es schließt eine vorbildliche Transkription und umfassend annotierte Edition des Schuldbuchs an, welches aus drei Teilen besteht (Register, Schuldbuch, Chronik). Insgesamt sechs Hände arbeiteten an dem Schuldbuch, wie die metikulöse Edition der Verfasserin anschaulich und überzeugend belegt. Die Einträge Ludwig Kilchmanns sowie der meisten anderen Hände konnte sie jeweils namentlich zuordnen.
Insgesamt ist die Edition kenntnis- und detailreich, sauber und überzeugend. Sie wird zukünftigen bzw. weiterführenden Studien nicht nur eine Detailrekonstruktion der finanziellen Aspekte von Kilchmanns Geschäftstätigkeit ermöglichen, sondern auch weiteren Aufschluss über die kommerziellen und sozialen Netzwerke eines Basler Kaufmanns am Vorabend der Reformation geben. Lediglich eine Anmerkung sei erlaubt. Auffallend ist der wiederkehrende, aber nicht weiter kommentierte, Unterschied in den Notierungen der Schuldverhältnisse und Rentenzahlungen. Einige Schuldverhältnisse sind in Pfund oder Gulden "Geld" / gelt(z) angegeben; andere wiederum in "Gold" (Schuldbuch, passim). Hier wäre ein kurzer Hinweis dienlich, dass es sich hier um unterschiedliche Währungsnotierungen und Münz- bzw. Geldsorten gehandelt hat, zwischen welchen die Zeitgenossen scharf trennten (und möglicherweise diese Ambiguitäten für erfolgreiche Spekulation und Arbitragegeschäfte zu nutzen wussten). Hierzu sind etwa die im Text nicht zitierten, für die Schweiz im Betrachtungszeitraum aber einschlägigen Studien Martin Koerners wichtig. Kurse "in Gold" meint im kommerziellen Sprachgebrauch des 15. und 16. Jahrhunderts stets die eigentlichen Goldgulden oder ihr Äquivalent, d.h. Geldsummen, die mit einem Aufgeld (Agio, Aufwexl) gegenüber der offiziellen "Rechenwährung" (ghost money, money of account) notiert werden, die stets in Silber ausgeprägt war. Im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert entwerteten die umlaufenden Kurantwährungen durch fortlaufende Münzverschlechterung gegenüber der Oberwähr (Goldgulden) progressiv, sie zirkulierten mit einer höheren Umlaufsgeschwindigkeit als die Gulden und verloren dadurch im Zeitverlauf schneller an Wert als jene. "Geld" / gelt dagegen meint stets Silber, d.h. die zum jeweiligen Zeitpunkt umlaufende Silber- und in ihrem Silberfeingehalt durchaus variable Kurantwährung, deren Wertverhältnis zum Gulden typischerweise variierte, und zwar nicht nur intertemporal sondern auch spatial und teilweise sogar transaktionsspezifisch. Hier ergeben sich interessante Unterschiede: Wenn Kilchmanns Schuldbuch etwa im konkreten Beispiel für eine Schuldsumme der Städte Bern und Luzern "xx gulden gelcz" nennt und diese Verpflichtung bis kurz vor 1518 ebenso abgegolten wird, das Schuldbuch dann aber ab 1518 plötzlich vermerkt, "di stat Bernn hat zalt xx gulden in gold" (51), so heißt das vermutlich nichts anderes als dass sich Kilchmann bzw. seine Erben sehr wahrscheinlich einer Aufwertung, d.h. einer Erhöhung der Realverzinsung ihrer Renteneinkünfte erfreut haben dürften - nämlich um so viel Schilling mehr, wie das Aufgeld von "Gold" in Relation zur Notierung "in Geld" (= Silber) durch die Konversion zum gegebenen Zeitpunkt (1518) betragen hat (also ca. 2ß um 1518).
Philipp Rössner