Rezension über:

Philip A. Harland: Greco-Roman Associations: Texts, Translations and Commentary. II. North Coast of the Black Sea, Asia Minor (= Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft; Bd. 204), Berlin: De Gruyter 2014, XXX + 565 S., ISBN 978-3-11-034014-3, EUR 99,95
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Rezension von:
Alexandru Avram
Centre d'études des sociétés antiques et médiévales, Université du Maine, Le Mans
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Alexandru Avram: Rezension von: Philip A. Harland: Greco-Roman Associations: Texts, Translations and Commentary. II. North Coast of the Black Sea, Asia Minor, Berlin: De Gruyter 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 5 [15.05.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/05/26359.html


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Philip A. Harland: Greco-Roman Associations: Texts, Translations and Commentary

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Dass die vorliegende Arbeit den zweiten Band der Sammlung Greco-Roman Associations: Texts, Translations and Commentary (im folgenden GRA II) darstellt, deren erster Band von J.S. Kloppenborg und R.S. Ascough (Attika, Mittelgriechenland, Makedonien, Thrakien) im Jahre 2011 in derselben Reihe (Bd. 181) publiziert worden ist (im folgenden GRA I), ist für den Leser erst nach gründlichen bibliographischen Untersuchungen zu erfahren. Schade, dass dies weder aus dem Titelblatt noch aus der "Introduction to Volume 2" (1-5) ausdrücklich hervorgeht, zumal die Nummerierung mit Nummer 92 beginnt (also nach den im ersten Bande enthaltenen Nummern 1-91) und der äußerst reiche und ohne weiteres willkommene Index am Ende des Bandes (449-564) ein "Cumulative Index for Volumes 1-2" ist. Außerdem hätte man vielleicht stärker betonen müssen, dass der Verfasser des vorliegenden Werkes unter Mitwirkung der beiden Autoren des ersten Bandes inzwischen einen weiteren Beitrag zu demselben Thema vorgelegt hat: Associations in the Graeco-Roman World: A Sourcebook, Berlin, 2012 (im folgenden AGRW). Die meisten der in GRA II edierten Inschriften kommen auch in AGRW vor, so z.B. GRA II 93 (= AGRW 84), 94 (= AGRW 85), 95 (= AGRW 86), 96 (= AGRW 92), 97 (= AGRW 93), 98 (= AGRW 94), 99 (=AGRW 95), 100 (= AGRW 96) usw. Andere Inschriften hingegen sind nur in AGRW zu finden, nicht aber in GRA II, so z.B. CIRB 79A = AGRW 87 oder CIRB 1259 = AGRW 90. All dies ist aber nicht ohne weiteres ersichtlich, weil eine Konkordanz zwischen GRA I-II und AGRW fehlt. Darüber hinaus wird der Leser eingeladen (4), die Website http://philipharland.com/greco-roman-associations/ zu besuchen, wo er "many of the excluded inscriptions, which are only mentioned in passing in this book" finde. Das habe ich getan, aber auch dort habe ich merkwürdige Lücken festgestellt, was allerdings sicher darauf zurückzuführen ist, dass das genannte Webangebot noch ein "work in progress" ist.

Alles im allem lässt sich feststellen, dass die vorliegende Sammlung kein corpusartiges Werk ist, sondern eine kommentierte Auswahl. Daher erklärt sich auch die vom Autor gewählte Methode, die Lemmata jeder Nummer mit zahlreichen Verweisen auf "similar or related inscriptions" auszustatten. Nun lässt es sich fragen: Wäre es nicht sinnvoller gewesen, entweder ein richtiges Corpus der etliche Vereine betreffenden Inschriften (und Papyri) vorzulegen (was an sich allerdings eine immense Arbeit gewesen wäre) oder diese sogenannten verwandten Inschriften je nach ihrer Zugehörigkeit zu einem gewissen Verein zu verteilen? Im Moment hat der Forscher wenige Möglichkeiten, die Tragweite und die Bedeutung des Vereinswesens in den Städten an der Nordküste des Schwarzen Meeres und in Kleinasien einzuschätzen, da er gleichzeitig GRA II, AGRW und die oben genannte Website, also drei verwandte, jedoch verschiedene Arbeitsinstrumente, gleichzeitig berücksichtigen muss.

Sonst stellt die Arbeit eine zuverlässige Analyse der behandelten Dokumente (Nr. 92-153) dar. Es geht ausschließlich um Inschriften (keine Abbildungen): fünf aus dem Nordpontos (zwei aus Olbia und drei aus dem Bosporanischen Reich), die übrigen aus Kleinasien und auf Regionen verteilt. Die Lemmata sind mit wenigen Ausnahmen komplett und zitieren die dazugehörende Literatur bis auf die neuesten Publikationen. Den akkuraten und, wenn nötig, vom apparatus criticus begleiteten Editionen (Harland erwähnt immer die "publication used") folgen eine englische Übersetzung und ein detaillierter Kommentar.

Ein Problem stellen die Kriterien dar, aufgrund derer die Inschriften in die hier besprochene Sylloge aufgenommen wurden. Harland warnt davor, dass "the more official, age-based organizations connected with gymnasia are generally left out" und dass er "careful" gewesen sei, "to look for inscriptions that might shed light on cultural characteristics of a particular region or locale" (1-2). Wie aber lässt sich unter diesen Umständen das Fehlen jedweder Hinweise auf die dionysischen Techniten rechtfertigen? Wären denn Urkunden wie die Briefe Hadrians an die dionysischen Techniten nicht einer Aufnahme in einen solchen Band, der ansonsten des öfteren mit beruflichen Körperschaften umgeht, würdig gewesen (dazu G. Petzl und E. Schwertheim, Hadrian und die dionysischen Künstler. Drei in Alexandria Troas neugefundene Briefe des Kaisers an die Künstlervereinigung, Bonn, 2006)? Im Index werden die Techniten nur einmal erwähnt (475), dazu noch unter dem irrigen Verweis auf eine Inschrift aus Histria, wo es überhaupt nicht um diese Künstler geht. Es wundert auch, dass im Kommentar zu GRA II 129 (IEph 719 über die Ehrung eines Arztes) das grundlegende Werk von É. Samama, Les médecins dans le monde grec. Sources épigraphiques sur la naissance d'un corps médical, Genf, 2003, keine Erwähnung findet.

Was endlich den Nordpontos anbelangt, so ist festzustellen, dass trotz der üblichen Verweise auf "verwandte Inschriften" der Leser nicht unbedingt darüber aufgeklärt wird, welche davon zu demselben Verein gehören und welche bloß als Parallelen angeführt werden. Ein einziges Beispiel mag genügen: Nr. 94 aus Pantikapaion (= CIRB 75), wo unter "similar and related inscrptions" außer vielen anderen Inschriften aus anderen Gebieten, die unter Umständen als Parallelen gelten dürften, CIRB 31, 35, 971, 1005 (?), 1045, 1111 aufgelistet werden. CIRB 1005 ist eine fragmentarische lex sacra, in der es um eine unbekannte weibliche Gottheit, höchstwahrscheinlich Aphrodite, geht; bei allen anderen Inschriften handelt es sich um private Weihungen an Aphrodite Ourania Apatouros, von denen CIRB 971, 1045 und 1111 aus Phanagoreia, Hermonassa und aus der Taman-Halbinsel stammen. Demnach haben diese Urkunden mit den Thiasiten, die in Pantikapaion derselben Gottheit weihen (CIRB 75), wenig zu tun, insoweit das Werk Vereine behandelt, und nicht die Typologie des Aphrodite-Kultus.

Viele andere Urkunden aus dem Nordpontos hätten einen Platz in dieser Sylloge verdient, sei es bloß im Kommentar, wenn nicht sogar unter einer eigenen Nummer. Ich denke an SEG 38, 749 (8), das heißt ein Graffito auf einer Amphora aus der Chora von Chersonesos Taurica, wo κο<ι>νὸν ναυτικῶν zu lesen ist (zumal viele der von Harland ausführlich kommentierten Inschriften Vereine von Naukleroi betreffen), das goldene Diadem SEG 55, 863 aus Pantikapaion, welche die Inschrift τὸ κοινὸν τῶν θιασιτῶν trägt (weiland schon in Polands 'Vereinswesen' angeführt: B 117C), CIRB 137 (Thiasos in Pantikapaion), CIRB 263 (Sp(e)irarches in Pantikapaion) usw. CIRB 77 muss vom Kommentar zu Nr. 94 (= CIRB 75) ausscheiden, da dieses Bruchstück nicht zur Reihe der Inschriften aus Pantikapaion gehört, die einen pater synodou erwähnen, wie Harland aufgrund der irrigen Wiederherstellung aus dem bosporanischen Corpus annimmt (22). Ju.P. Kalašnik, VDI (1970), 4, Seiten 148-152, hat nämlich schon vor längerer Zeit CIRB 77 an CIRB 1136 (aus Phanagoreia) angeschlossen, woraus etwas ganz anderes hervorgeht. Ein guter Führer für die Vereine im Bosporanischen Reiche wäre N.V. Zavojkina, Bosporskie fiasy: meždu polisom i monarkhiej [Bosporanische Thiasoi: Zwischen Polis und Monarchie], Moskau, 2012, gewesen, ein Werk, das Harland zwar nach SEG 57, 744 erwähnt (35), aber nicht benutzt.

Fassen wir zusammen! Harlands Werk ist ohne Zweifel maßgeblich und muss von nun an als zuverlässiges Arbeitsinstrument gelten. Problematisch bleiben dabei die Kriterien, die der Aufnahme bzw. Nicht-Aufnahme gewisser Urkunden in die vorliegende Sammlung zugrunde liegen und - methodisch gesehen - ihre Behandlung nach anderen Besonderheiten als nach ihrer Zugehörigkeit zu einem und demselben Verein.

Alexandru Avram