Alexander Berner: Kreuzzug und regionale Herrschaft. Die älteren Grafen von Berg 1147-1225, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014, 373 S., ISBN 978-3-412-22357-1, EUR 59,90
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Einem Buch, das die Geldsorgen eines niederrheinischen Ritters ebenso ausführlich beschreibt wie die Belagerungskämpfe vor Damiette während des Fünften Kreuzzugs, liegt offensichtlich ein nicht ganz alltäglicher Forschungsansatz zugrunde. Tatsächlich versucht Alexander Berner in seiner Studie, die auf seiner 2013 an der Ruhr-Universität Bochum angenommenen Dissertation basiert, die Zugänge der Landesgeschichte mit der Geschichte der Kreuzzüge zu verknüpfen. Als Gegenstand seiner Forschung wählt er die älteren Grafen von Berg, die bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1225 nicht nur zu einer der mächtigsten und einflussreichsten Adelsfamilien am Niederrhein aufstiegen, sondern sich auch durch häufige Beteiligung an den Kreuzzügen hervortaten. Eine gute Wahl also für die Untersuchung der Zusammenhänge von regionaler Herrschaft und Kreuzzugsbewegung.
Berner gibt zunächst einen Überblick über die Beteiligung von Adligen und Nichtadligen aus dem Nordwesten des Reiches an den Kreuzzügen. Vor allem der Dritte und der Fünfte Kreuzzug stechen dabei durch rege Teilnahme heraus (63). Anschließend folgt die Geschichte der Grafen von Berg als politischen Akteuren der Niederrheinregion, beginnend mit ihrer ersten Erwähnung Ende des 11. Jahrhunderts. Das Erzbistum Köln als entscheidender Bezugspunkt des Grafenhauses tritt dabei deutlich hervor. Im Jahr 1131 konnten die Berger dort mit Bruno, dem Bruder des Grafen Adolf II., erstmals ein Mitglied ihrer Familie als Erzbischof installieren. Der stetige Machtausbau des Hauses Berg wird ausführlich geschildert, ebenso die wechselnde Positionierung im Thronstreit 1198 bis 1215. Die Kreuzzugsteilnahme einzelner Familienmitglieder wird in diesem Abschnitt bereits erwähnt, jedoch noch nicht genauer beleuchtet. Die Ausführungen enden schließlich mit dem gewaltsamen Tod Erzbischof Engelberts I. von Köln, dem letzten Vertreter der älteren Linie des Grafenhauses, der 1225 einer Adelsverschwörung zum Opfer fiel. Berner folgt bei diesem Überblick größtenteils den älteren Darstellungen von Franz-Josef Schmale [1] und Thomas Kraus [2], widerspricht oder ergänzt jedoch ausdrücklich, wenn er Anlass dazu sieht (z.B. 133f.).
Anschließend beginnt die intensive Beschäftigung mit der Kreuzzugsteilnahme der älteren Grafen von Berg. Berner geht dabei zunächst auf die spirituellen Grundlagen ihres Kreuzzugsengagements ein. Als hauptverantwortlich sieht er in dieser Hinsicht die Verbindung zwischen dem Grafenhaus und dem Zisterzienserorden an. Im Jahr 1133 überließ Adolf II. diesem Orden sogar den alten Stammsitz seiner Familie, indem er dort das Kloster Altenberg gründete. Dieses erstaunliche Engagement für den relativ neuen, der Kreuzzugsbewegung nahestehenden Orden erklärt sich durch personelle Verbindungen: Everhard, der Bruder Adolfs, war Mönch im Zisterzienserkloster Morimond und sein zweiter Bruder Bruno, der erste Kölner Erzbischof aus dem Hause Berg, stand in freundschaftlichem Kontakt zu Bernhard von Clairvaux, dem berühmten Kreuzzugsprediger der Zisterzienser. Aufgrund dieser institutionellen und personellen Verbindungen mit dem Orden, sieht Berner in den Zisterziensern einen Hauptfaktor für die Teilnahme der Berger am Zweiten Kreuzzug (183).
Damit wendet sich der Autor nun direkt den einzelnen Kreuzzügen zu, an denen Mitglieder der Grafenfamilie beteiligt waren. Ob Graf Adolf II. sich letztlich selbst auf den Weg ins Heilige Land machte, ist nicht zu klären (190). Sicher ist aber, dass sein Sohn Adolf am Zweiten Kreuzzug teilnahm und wohl 1148 in den Kämpfen vor Damaskus fiel. Auch der nächste Kreuzfahrer der Familie kehrte nicht mehr zurück: Graf Engelbert I. nahm, wie viele Große des Reiches, am Dritten Kreuzzug teil und starb bereits im Juli 1189 bei Kubin. Berner kann an seinem Beispiel jedoch einige interessante Einzelaspekte näher analysieren. So weist er etwa die erstaunliche Finanzkraft des Grafen nach, indem er die Kosten seiner Kreuzzugsteilnahme überschlägt und zeigt, dass diese ihn dennoch nicht zu Sparmaßnahmen zwangen oder eine wirtschaftliche Schwächung herbeiführten (200f.).
Adolf III., der letzte der älteren Grafen von Berg, nahm zusammen mit seinem Bruder Engelbert im Jahr 1212 am Albigenserkreuzzug teil, wobei sich die beiden mit ihrem Gefolge wohl dem Heer Simon de Montforts anschlossen. Noch während der Belagerung der Festung Penne machten sie sich jedoch wieder auf den Heimweg. Zum einen hatten sie ihren 40-tägigen Pflichtdienst zum Erhalt des Ablasses abgeleistet, zum anderen war inzwischen durch die Exkommunizierung des Kölner Erzbischofs Dietrich von Hengebach Unruhe in ihrer Heimatregion entstanden, was sie zur Rückkehr zwang (228f.).
Der Fünfte Kreuzzug wird, aufgrund der besseren Quellenlage, am intensivsten von Berner betrachtet. Adolf III. nahm 1218, zusammen mit anderen Großen aus dem Nordwesten des Reiches, daran teil und wurde zum Anführer des deutsch-friesischen Kontingents bei der Belagerung von Damiette. Diese Führungsrolle erklärt Berner mit der militärisch-technischen Erfahrung des Bergers. Adolf hatte 1215 im Auftrag Friedrichs II. die auf einer Rheininsel liegende Festung Kaiserswerth einnehmen können. Der auf einer Nilinsel erbaute Kettenturm vor Damiette, der die Stadt schützte, stellte nun für die Kreuzfahrer eine ähnliche Herausforderung dar, weshalb sich der Berger als Anführer anbot (257f.). Nach mehreren gescheiterten Versuchen erlebte Adolf III. die Einnahme des Turms nicht mehr. Er erlag zuvor einer Krankheit.
Berner arbeitet viele weitere Aspekte der Kreuzzugsteilnahme der einzelnen Familienmitglieder ab. So spielt etwa die Förderung geistlicher Orden immer wieder eine Rolle. Neben den Zisterziensern erhielten auch die Johanniter, die Prämonstratenser und der Deutsche Orden Schenkungen von Seiten der Grafen. Das Bedürfnis nach der Sicherung der eigenen Memoria und derjenigen der Vorfahren kann Berner gut veranschaulichen. Schwieriger nachzuweisen ist der Einfluss der Orden auf die Kreuzzugsbegeisterung der Berger. Hierbei - und auch bei anderen Aspekten - ist der Autor letztlich trotz aller Bemühungen auf begründete Spekulationen angewiesen und er gesteht das auch ausdrücklich ein (z.B. 175, 183, 209).
Der landesgeschichtliche Zugang der Studie ermöglicht jedoch in einigen Fällen erstaunlich detaillierte Einblicke. Ein Beispiel dafür ist Berners Betrachtung einer Urkunde aus dem Jahr 1211, welche einen Ritter namens Bonifacius, einen Vasallen Graf Adolfs III., betrifft. Der kinderlose Ritter, der Geld für seine Teilnahme am Albigenserkreuzzug benötigte, verkaufte die Rechte an einem Zehnt an die Abtei Siegburg. Der Graf von Berg stimmte dem zu und schenkte der Abtei den Zehnt. Auf Basis dieser Schenkungsurkunde analysiert Berner die hinter dieser Abmachung stehenden Motivationen der drei Parteien und bettet sie in den Kontext der Kreuzzugsvorbereitung ein: der Ritter erhielt von der Abtei das Geld, das er zur Finanzierung seiner Kreuzzugsteilnahme benötigte, die Abtei konnte sich lukrative Einkünfte sichern und der Graf wiederum verbesserte sein angeschlagenes Verhältnis zu der geistlichen Institution und sicherte angesichts seiner eigenen bevorstehenden Teilnahme am Albigenserkreuzzug zugleich sein Seelenheil (218f.).
Hervorzuheben ist auch Berners Untersuchung der ungewöhnlich langen Zeugenliste in einer Urkunde Adolfs III., mit der dieser während der Belagerung von Damiette während des Fünften Kreuzzugs den Deutschen Orden beschenkte. Franz-Josef Schmale war noch davon ausgegangen, dass es sich bei diesen Zeugen um Ministeriale des Grafen handelte. Berner kann jedoch durch die detaillierte Betrachtung jeder einzelnen in der Urkunde aufgeführten Person nachweisen, dass die Zeugen nur teilweise zur Dienstmannschaft des Grafen gehörten und ansonsten freie Ritter, Ministeriale des Kölner Erzbischofs und Gefolgsleute des Grafen von Sayn waren. Diese verschiedenen Gruppen befanden sich während des Fünften Kreuzzugs alle im Gefolge Adolfs III., was die Akzeptanz seiner Führungsrolle sowohl vor Damiette als auch am Niederrhein eindrucksvoll veranschaulicht (290).
Ein geringfügiges Problem ergibt sich durch die Struktur des Buchs: die isolierte Darstellung der Geschichte der Grafen von Berg in der ersten Hälfte der Studie und die Zerstückelung der einzelnen Kreuzzugsteilnahmen in diverse Einzelfragen führt zur häufigen Wiederholung der Ereignisgeschichte. Eine umfassendere Bezugnahme auf bereits angeführte Sachverhalte hätte dazu beitragen können, die teils etwas zu stark in sich geschlossenen Kapitel miteinander zu verknüpfen. Absolut positiv muss dagegen die gute Lesbarkeit der Darstellung hervorgehoben werden. Die klare, präzise Sprache des Autors trägt sehr zum Verständnis der verworrenen politischen Verhältnisse in der hochmittelalterlichen Niederrheinregion bei. Das Potenzial seines Ansatzes kann Berner in jedem Fall unter Beweis stellen. Das Beispiel der älteren Grafen von Berg zeigt, wie die Methoden der Landesgeschichte viele Aspekte der Kreuzzugsteilnahme in einem Detailgrad beleuchten können, den man so nicht auf Anhieb erwarten würde.
Anmerkungen:
[1] Franz-Josef Schmale: Die Anfänge der Grafen von Berg, in: Geschichte in der Gesellschaft. Festschrift für Karl Bosl zum 65. Geburtstag, hgg. von Friedrich Prinz / Franz-Josef Schmale / Ferdinand Seibt, Stuttgart 1974, 370-392.
[2] Thomas R. Kraus: Die Entstehung der Landesherrschaft der Grafen von Berg bis zum Jahre 1225 (= Bergische Forschungen; Bd. 16), Neustadt an der Aisch 1981.
Fabian Fellersmann