Corina Bastian / Eva Kathrin Dade / Hillard von Thiessen u.a. (Hgg.): Das Geschlecht der Diplomatie. Geschlechterrollen in den Aussenbeziehungen vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert (= EXTERNA. Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven; Bd. 5), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014, 316 S., ISBN 978-3-412-22198-0, EUR 49,90
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Corina Bastian: Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013
Hillard von Thiessen: Die Kapuziner zwischen Konfessionalisierung und Alltagskultur. Vergleichende Fallstudie am Beispiel Freiburgs und Hildesheims 1599-1750, Freiburg/Brsg.: Rombach 2002
Der vorliegende Sammelband entstand aus Beiträgen einer Tagung, die im November 2011 an der Abteilung für Neuere Geschichte des Historischen Instituts der Universität Bern stattfand. Diese Tagung war Teil eines Forschungsprojekts der Universität Bern mit dem Titel "Weibliche Diplomatie? Frauen als außenpolitische Akteurinnen (18. Jahrhundert)" und sollte zugleich die Diskussion über die Epoche der Frühen Neuzeit sowie über die geschichtswissenschaftlichen Disziplinen hinaus öffnen. Der Sammelband enthält 14 chronologisch geordnete Beiträge, die vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert reichen, eine Einleitung der Herausgeber und Herausgeberinnen sowie ein Schlusswort des französischen Historikers Jean-Claude Waquet. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Bibliografie und ein Personenregister.
In der Einleitung wird die Zielrichtung des Buches skizziert. Im Gegensatz zu dem Berner Forschungsprojekt, das sich auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts beschränkte, sollten auf der Tagung und in dem daraus entstandenen Band Fallstudien aus acht Jahrhunderten zusammengeführt und damit die langfristigen Entwicklungen in den außenpolitischen Beziehungen sichtbar gemacht werden. Die Herausgeber und Herausgeberinnen gliedern in ihrer Einleitung die Beiträge des Bandes grob in zwei chronologisch unterteilte Abschnitte: einmal die Periode vom Spätmittelalter bis zum Ende des Ancien Régime und, darauf folgend, die Zeitspanne von der Französischen Revolution bis in die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts. Während im ersten Abschnitt vor allem nach den Spezifika weiblicher Beteiligung an spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Außenbeziehungen gefragt wird, geht es in den Beiträgen zum 19. und 20. Jahrhundert um den Prozess der funktionalen Ausdifferenzierung des Beamtenwesens im Bereich der politischen Außenbeziehungen. Zugleich angesprochen ist die Frage nach der damit einhergehenden Exkludierung von Frauen, nach der offiziellen Aufnahme derselben in das diplomatische Corps in der Zwischen- und Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts, sowie nach der bei professionellen Diplomaten eigentlich implizit vorausgesetzten Männlichkeit - und alternativen Interpretationen.
Die Eingangsthese, dass adelige Frauen der Frühen Neuzeit in die Diplomatie vom "type ancien" eingebunden waren, wird von Katrin Keller in ihrem Artikel "Frauen-Hof-Diplomatie" damit untermauert, dass sie vier Merkmale der höfischen Gesellschaft skizziert, aus denen solche Handlungsmöglichkeiten resultierten: die fehlende Trennung von "öffentlicher" und "privater" Dimension an den frühneuzeitlichen Höfen, das Agieren von Herrscher und Herrscherin als "Arbeitspaar", der große Stellenwert von Netzwerken, Patronage und Klientelbeziehungen und schließlich die "fürstliche Gnade", besonders ausgedrückt durch räumliche Nähe und Zutrittsmöglichkeiten zu Fürst und Fürstin.
Diese Merkmale von "weiblicher Diplomatie" lassen sich in allen Aufsätzen zu Spätmittelalter und Früher Neuzeit finden, beginnend mit hochadeligen Frauen in den Königreichen der Iberischen Halbinsel des Spätmittelalters im Beitrag von Raphaela Averkorn bis zu einer detaillierten Untersuchung des Übertritts und der Einführung von Marie Antoinette an den französischen Hof im Text von Joan Landes. In allen Beiträgen wird deutlich gemacht, dass Frauen weitreichende Handlungsspielräume und Interaktionsmöglichkeiten hatten, die sie für unterschiedlichste Aufgaben einsetzen konnten, und die ihnen zumindest eine informelle Machtteilhabe gestatteten.
Am Beginn des 19. Jahrhunderts, in der Folge der durch die Französische Revolution ausgelösten politischen Veränderungen, entstand eine neue Konzeption von Diplomatie, die Frauen stärker von der politischen Einflussnahme ausschloss, dafür aber genaue Rollenbilder für die Ehefrauen von professionellen Diplomaten definierte.
Basierend auf zeitgenössischen Korrespondenzen und Memoiren untersucht Ellinor Schweighöfer die Rolle von Diplomatengattinnen in Frankfurt am Main zur Zeit des Deutschen Bundes und zeigt auf, welche Erwartungshaltung gegenüber diesen Frauen (zum Beispiel Johanna von Bismarck und Leopoldine von Thun-Hohenstein) bestanden. In einer Zeit, in der Diplomatie rein männlich gedacht wurde, konnte aber genau dieses Konstrukt bei nicht gewünschten politischen Aktionen instrumentalisiert werden, wie Norman Dormeier anhand von Homosexualitätsvorwürfen in der Außenpolitik des wilhelminischen Deutschlands aufzeigt.
In den letzten drei Aufsätzen des Bandes wird deutlich, wie schwer es für Frauen im 20. Jahrhundert war, in der Welt der Berufsdiplomatie einen gleichberechtigten Platz neben ihren männlichen Amtskollegen einzunehmen. Exemplarisch aufgezeigt wird das im Beitrag von Susanne Schrattenberg über die russische Revolutionärin und Diplomatin Aleksandra Kollontaj, die 1922 als erste Frau überhaupt offiziell als Diplomatin entsandt wurde. Allerdings vertrat Kollontaj auch die noch sehr junge Sowjetregierung, die grundsätzlich Probleme mit dem Konzept der Diplomatie im "bürgerlichen Sinn" hatte. In den beiden anderen Beiträgen wird gezeigt, wie die europäischen Staaten und die USA mit der Aufnahme von Frauen in ihr diplomatisches Corps umgingen und dass es bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dauern sollte, bis Frauen auf diesem Posten akzeptiert wurden.
Der Band bietet einen zeitlich sehr weitgespannten Überblick zur Geschlechtergeschichte der Diplomatie, einem relativ jungen Forschungsgebiet, in dem noch viel Forschungsarbeit geleistet werden kann und wird. Die gerade für das 19. und 20. Jahrhundert sehr unterschiedlichen Forschungsansätze spiegeln sich in den Beiträgen wider, während für die Untersuchungen aus der Zeit des Ancien Régime gewisse methodische Prämissen deutlicher erkennbar werden. Das Buch führt die Forschungsdiskussion weiter, die in dem ebenfalls in der "Externa"-Reihe erschienenen Tagungsband "Akteure der Außenbeziehungen" begonnen wurde. [1] Beide Bände regen zu weiteren Forschungen auf dem Gebiet der frauen- und genderorientierten Diplomatiegeschichte an.
Anmerkung:
[1] Hillard von Thiessen / Christian Windler (Hgg.): Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel (= Externa; Bd. 1), Köln / Weimar / Wien 2010.
Pia Wallnig