María Pilar García Ruiz / Alberto J. Quiroga Puertas (eds.): Praising the Otherness. Linguistic and Cultural Alterity in the Roman Empire: Historiography and Panegyrics (= TALANTA - Proceedings of the Dutch Archaeological and Historical Society; Vol. XLV), Amsterdam: Dutch Archaeological and Historical Society 2014, 175 S., ISBN 978-90-72067-17-3, EUR 10,00
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Bei dem hier zu rezensierenden Band handelt es sich um ein Themenheft der Zeitschrift Talanta, den "Proceedings of the Dutch Archaeological and Historical Society". Dieses enthält die Beiträge einer internationalen Konferenz, die im Oktober 2012 in Pamplona stattfand.
Zwei einleitende Beiträge sind vorangestellt: Die Herausgeber informieren über den Hintergrund des Bandes und ordnen die Inhalte in die Tendenzen der aktuellen Forschung ein (7-8). Isabella Gualandri informiert ebenfalls kurz über den Stand der Forschung und bietet (zusätzlich zu denen, die den Aufsätzen vorausgehen) eine Zusammenfassung der einzelnen Beiträge (9-12).
José B. Torres Guerra (The bilingual emperor: Eusebius of Caesarea, Vita Constantini, 13-24) behandelt die Zweisprachigkeit Konstantins bei Eusebios. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Konstantin seine Griechischkenntnisse durch alltäglichen Umgang mit seinen Untertanen erwarb, allerdings nur mäßige Fähigkeiten bei der Lektüre griechischer Texte besaß. Ein Vergleich mit der Darstellung der Zweisprachigkeit Julians bei Ammianus lege nahe, dass dieser die Vita Constantini gekannt haben könnte. Der Aufsatz bietet schlüssige Thesen, doch wäre manchmal mehr Sicherheit bei den Ergebnissen möglich gewesen: CTh 8,15,1 (das Protokoll einer Unterredung Konstantins mit einer griechischsprachigen Frau) bietet eine zusätzliche Stütze für die oben genannte These. Ammianus hat nachweislich christliche Quellen benutzt; ob er die Vita Constantini verwendet hat, hängt nicht von Fragen der Intertextualität, sondern von seinem (umstrittenen) Verhältnis zum Christentum ab. Der Anonymus Valesianus äußert sich in der Tat nicht zu den Sprachkenntnissen (14, Anm. 4), aber allgemein zur Bildung Konstantins (2,2 litteris minus instructus).
Diederik Burgersdijk (Praise through letters: Panegyrical strategies in Eusebius' Life of Constantine and the Historia Augusta, 25-40) gewinnt neue Hinweise für die Annahme, dass die Historia Augusta die Vita Constantini als (negativen) Referenztext heranzieht: Neben den abweichenden Urteilen zum Wert leiblicher Nachfolger handelt es sich um die Art und Weise der Einarbeitung von Originaldokumenten in den Text, die sich in deutlichen Ähnlichkeiten der Vorgehensweise und der gebotenen Begründungen äußert. Die Annahme, dass der von der Historia Augusta abgedeckte Zeitraum (Hadrian bis Carinus) gewählt wurde, um die Lücke zwischen Sueton / Plinius und Eusebios / Panegyrici Latini zu füllen (30), wirkt allerdings gesucht und überzeugt angesichts der Fokussierung nur auf erhaltenes Quellenmaterial nicht. [1]
Roger Rees (From alterity to unity in Pacatus Drepanius' panegyric to Theodosius, 41-53) zeigt, welcher rhetorischen Strategien sich der gallische Rhetor Pacatus bediente, um nach der Usurpation des Magnus Maximus Kaiser Theodosius I. von der Loyalität seiner Heimatprovinz zu überzeugen. Pacatus betont hierzu die Andersartigkeit Galliens ebenso wie die Romanitas.
Alberto J. Quiroga Puertas (The Others: Cultural monotheism and the rhetorical construction of 'cultural alterity' in Libanius' panegyrics, 55-66) betrachtet das Bild des Barbaren und des Hellenen bei Libanios. Er untersucht die Rolle der Barbaren im Rahmen der Darstellung der Kaiser und zeigt, dass es sich nicht nur um ein rhetorisches Element handelt, sondern die Barbarendarstellungen auch Teil der Agenda des Libanios sind. Er legt weiterhin dar, dass Libanios eine strikte Einstellung zum Kulturbegriff aufweist, die nur die klassische Kultur gelten lässt und mit der Bezeichnung "cultural monotheism" (65) beschrieben werden kann.
Gavin Kelly (Ammianus' Greek accent, 67-79) stellt die Frage, inwieweit der aus dem griechischen Osten stammende, aber lateinisch schreibende Ammianus in seinem Werk als Grieche auftritt. Die Analyse ist nicht wie viele Vorgängerforschungen auf inhaltlicher, sondern auf sprachlicher Basis aufgebaut: Kelly untersucht die Einflüsse der griechischen Sprache auf die Grammatik des Ammianus, seinen Prosarhythmus und seine Akzentverwendung. Das Ergebnis dieser mit gewohnter Kompetenz durchgeführten Studie lautet: Ammianus spricht bewusst ein mit griechischem Akzent versehenes Latein. [2]
María Pilar García Ruiz (The 'Marcellus case' and the loyalty of Julian: 'Latent arguments' and otherness in Ammianus' Res Gestae, 81-96) zeigt, wie Ammianus in seiner Darstellung der Auseinandersetzung zwischen dem Caesar Julian und dem Feldherrn Marcellus die Ereignisse umformt, um Julian in ein besseres Licht zu rücken und seine Fehler zu relativieren. Die Untersuchung, welchen Einfluss die Reden Julians auf die Entscheidung des Constantius hatten, fällt allerdings etwas dünn aus. Bedenklich ist die Voraussetzung, in der offiziellen Darstellung sei Julians Leistung reduziert worden (82, Anm. 4): Die parteiische Stellungnahme Gregors von Nazianz bietet kein solides Argument, während umgekehrt der einzige wirklich zeitgenössische, da zur Zeit des Caesarats Julians schreibende Autor (Hilarius, Liber ad Constantium 2,2) Julian positiv darstellt. Nicht überzeugend ist die Annahme, der 89-90 zitierte Satz aus dem Panegyricus auf Eusebia sei eine spätere Ergänzung. Erstens äußerte Julian die 90, Anm. 29 als Argument angeführten Vorwürfe gegenüber Constantius zu den Morden von 337 erst im Rahmen seiner Usurpation; hier dürften politische Motive die tragende Rolle gespielt haben. Zweitens erscheint der Satz (zu den Wohltaten des Constantius gegenüber Julian) unproblematisch, während umgekehrt unklar wäre, was Julian mit einer solchen Ergänzung bezweckt haben sollte; für seine politische Legitimation gab es deutlich wichtigere Maßnahmen als das Einfügen einzelner Sätze in seine (bereits bekannten) Werke.
Álvaro Sánchez-Ostiz (Lucretius, Cicero, Theodorus: Greek philosophy and Latin eloquence in Claudian's encomiastic imagination, 97-114) tritt für eine stärkere politische Bedeutung des Panegyricus auf Mallius Theodorus ein. Hierfür untersucht er die Quellenbenutzung Claudians: Die Nachahmung des Lukrez sei nicht in dessen Inhalt, sondern in dessen Sprache bedingt, um Theodorus in den philosophischen Kontext einzuordnen; zudem finde im gesamten Werk ein impliziter Vergleich zwischen Theodorus und Cicero, basierend auf den Ähnlichkeiten beider, statt. Sánchez-Ostiz sieht den Panegyricus als Werk im Kontext der Konflikte zwischen den Reichsteilen und die Darstellung des Theodorus als Gegenstück zum Eunuchen Eutropius und als Ergänzung zum Auftrag Stilichos an.
Isabella Gualandri (Claudian, from Easterner to Westerner, 115-129) untersucht die Verwendung griechischer Literatur durch Claudian und die Aussagen der praefationes seiner Werke, die seine Bemühung um die Identifikation mit der römischen Welt zeigen. Griechische Quellen seien benutzt (Pindar), aber in freier Weise umgeformt.
Die zusammenfassenden Bemerkungen von Alberto J. Quiroga Puertas (131-135) betonen nochmals die Bedeutung der Rhetorik und der Historiografie der Spätantike. Darauf folgen eine Gesamtliteraturliste für alle Aufsätze (137-140 Quellenausgaben, 141-158 Forschungsliteratur), ein doppeltes Quellenregister (159-160 namentliche Nennungen antiker Autoren, 161-167 Quellenstellen) sowie ein Namens- und Sachregister (168-172). Druckfehler und fehlerhafte Zitate sind selten. [3] Erfreulich ist auch, dass jedem Zitat aus einem antiken Text eine Übersetzung beigegeben ist und somit stets klar wird, wie die Autoren die benutzten Stellen verstehen.
Die Zeitschrift Talanta ist mittlerweile bis zum Vorgängerband online frei zugänglich (http://www.talanta.nl/), sodass in naher Zukunft ein Digitalisat auch dieses Bandes zu erwarten ist. Allerdings gibt es zwei Gründe, die für einen Erwerb sprechen. Erstens handelt es sich um eine Sammlung gehaltvoller Studien, die eine Bereicherung für jede Bibliothek zur Spätantike bedeutet. Zweitens ist der Preis dieses Werkes mit zehn Euro durchaus mehr als großzügig bemessen. Eine klare Lektüreempfehlung.
Anmerkungen:
[1] Diese These kürzlich auch bei Mark Thomson: Studies in the Historia Augusta, Brüssel 2012, 25-28.
[2] 74, Anm. 25 verweist Kelly darauf, dass der Klauselrhythmus bislang nur bei literarischen Texten untersucht und Gesetze sowie Kaiserbriefe bislang vernachlässigt wurden. Hierzu ist allerdings zu nennen: Ralph G. Hall / Steven M. Oberhelman: Rhythmical clausulae in the Codex Theodosianus and the Leges novellae ad Theodosianum pertinentes, in: Classical Quarterly 79/N.S. 35 (1985), 201-214; siehe auch bereits die Rezension der Theodosianus-Ausgabe Mommsens von Paul Maas: Göttingische Gelehrte Anzeigen 168 (1906), 641-662 = Paul Maas: Kleine Schriften, München 1973, 608-628 (hierzu 650-651 = 617-618).
[3] Druckfehler: 29, Anm. 17 "en" statt "and"; 32 "Percentagee" statt "Percentage"; 36, Anm. 38 "Liddel" statt "Liddell"; 39, Anm. 53 und 157 "Vittinghof" statt "Vittinghoff"; 70, Anm. 10, 71, 72, Anm. 15 und 72 "Den Boeft 1991" statt "Den Boeft 1992" (so richtig 144); 81, Anm. 1 (zu Seyfarth) "1990" statt "1978" (so richtig 137); 88, Anm. 24 und 157 "Van Borries" statt "Von Borries"; 92, Anm. 38 "Bouffatigue" statt "Bouffartigue"; 103, Anm. 20 und 160 "Lactancius" statt "Lactantius". Fehlerhafte oder zu präzisierende Zitate: 92, Anm. 45 "Zos(imos)" statt richtig "Zon(aras)"; der Verweis auf die Notitia Dignitatum 92, Anm. 40 trifft in diesem Fall auf die Occidentis und die Orientis zu. Nicht aufgelöst werden Chastagnol 1970 (29) und García Blanco 1979 (88, Anm. 24), dies sind: André Chastagnol: Le supplice inventé par Avidius Cassius, in: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1970, Bonn 1972, 95-107 und eine Ausgabe der Reden Julians (Juliano: Discursos I-V, Madrid 1979). Drake 1988 (92, Anm. 39) meint nicht den 145 zitierten Aufsatz, sondern es ist Drake 2012 zu lesen, da sein Aufsatz in dem in derselben Anmerkung zitierten Band Baker-Brian / Tougher 2012 gemeint ist. Da in der Spätantike die Begriffe Caesar und Augustus unterschiedliche Bedeutungen haben, sollte von dem irreführenden "Caesar Augustus" (93) abgesehen und nur von einem "Augustus" gesprochen werden.
Raphael Brendel