Mark Häberlein / Michaela Schmölz-Häberlein (Hgg.): Handel, Händler und Märkte in Bamberg. Akteure, Strukturen und Entwicklungen in einer vormodernen Residenzstadt (1300-1800) (= Stadt und Region in der Vormoderne; Bd. 3), Würzburg: Ergon 2015, 380 S., ISBN 978-3-95650-081-7, EUR 55,00
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Die Wirtschafts- und Handelsgeschichte ist eines der vornehmsten Themen der älteren Stadtgeschichte. Als solches hat sie mit dem Entstehen der modernen, bürgerlichen Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert immer wieder Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Vornehmlich konzentrierte sich die Forschung dabei auf den Fernhandel und die großen Städte wie (um nur einige der deutschen zu nennen) Augsburg, Nürnberg, Köln oder Lübeck. Sowohl der Regional- und Nahhandel als auch die kleineren Städte traten hingegen in den Hintergrund, in Sonderheit, wenn es sich um Bischofs- oder Residenzstädte handelt, für die sich der Rezensent besonders interessiert. [1] Studien, gar vergleichende wie die von Frank Kreißler über die anhaltinischen Residenzstädten Zerbst, Bernburg und Dessau sind die Ausnahme. [2] Von daher wird die Forschung die in diesem Sammelband vereinigten zwölf Beiträge mit großem Interesse entgegennehmen.
Um das Gesamtergebnis gleich vorweg zu nehmen: Die Bedeutung des Handels wird für die bisher vornehmlich als Bischofsstadt, als geistliches Zentrum klassifizierte Stadt, die um 1600 circa 10.000, um 1800 immerhin ca. 20.000 Einwohner hatte, aufgewertet. Bereits Krünitz wies in seiner ökonomisch-technologischen Enzyklopädie gegen Ende des 18. Jahrhunderts darauf hin, dass Bamberg ein Zentrum des Handels mit Süßholz war (Einleitung, 12). Nicht zuletzt resultierte das daraus, dass die Stadt an der wichtigen Route zwischen Nürnberg und Frankfurt am Main an der Stelle lag, wo die Waren zwischen Land- und Flussverkehr umgeschlagen werden mussten. So verwundert es nicht, dass es nicht nur Beziehungen nach Italien gab, sondern auch in die Niederlande und nach Norddeutschland; letztere werden allerdings im vorliegenden Band nur gelegentlich angesprochen, so anlässlich des Heringsimports von der Nordsee, der über Köln abgewickelt wurde (105-109 im Beitrag Häberleins), während es über die Italiener in Bamberg eine eigene Darstellung von Gabi Schopf gibt.
Im Einzelnen versammelt der Band folgende Untersuchungen: Claudia Esch beschäftigt sich mit den bekannten Immunitäten Bambergs, den geistlichen Bezirken in der Stadt, um die es in der Mitte des 15. Jahrhunderts heftige Auseinandersetzungen gab, und zeigt, dass deren Bedeutung für die Handelsgeschichte in der Folgezeit relativiert werden muss (21-50). Die frühneuzeitliche Policeygesetzgebung kannte eine Fülle an Regelungen für den Handel, besonders, was die Preisgestaltung, die Qualitätssicherung und, immer wieder, das Verbot des Vor- bzw. Fürkaufs angeht. Die Bestimmungen der Bamberger Fürstbischöfe werden von Johannes Staudenmaier im Hinblick auf die Wahrung der Nahrung, der Wirtschafts- bzw. Existenzgrundlage der Haushalte detailliert befragt (51-83). Umfassend angelegt ist der Überblick Mark Häberleins über den Handel im 16. Jahrhundert, der, anders als die ältere Forschung wahrhaben wollte, durchaus florierte und nicht nur das nähere Umland und Franken betraf, sondern bis nach Sachsen und an den Niederrhein bzw. die Niederlande reichte (85-114). Den Auswirkungen des Dreißigjährigen Kriegs gilt die Aufmerksamkeit Johannes Hasselbecks: Der Konflikt bewirkte wie in vielen anderen Städten des Reiches einen massiven Einschnitt hinsichtlich des Handels in der Stadt. Nach dem Krieg gab es nach Ausweis einer 1652/53 angelegten Steuerliste nur noch 56 Handeltreibende, nur drei hatten mehr als 3.000 Gulden Vermögen zu versteuern und waren damit wohlhabend. Immer noch aber stellten sie die Mehrheit der Ratsherren. Nach dem Westfälischen Frieden setzte jedoch bald eine Wiederbelebung des Handels ein (115-150). Wieder einem rechtlichen Thema, nämlich dem Bürgerrecht, widmet sich Lina Hörl, die die sieben, von 1625 bis 1819 reichenden Bürgerbücher auswertet. In Bamberg gab es ein zweigeteiltes Bürgerrecht. Groß- und Fernhändler mussten das große Bürgerrecht erwerben, Kleinhändler und Verkäufer von Gartenprodukten brauchten nur das kleine Bürgerrecht zu haben; dennoch hatten ca. 18 % der als (Groß- / Fern-)Händler zu qualifizierenden Personen nur das kleine Bürgerrecht. Wie Hörl zeigen kann, kam etwa die Hälfte der das Bürgerrecht erwerbenden Personen von außerhalb des Hochstifts (151-170). Eine deutliche Präponderanz des Nahhandels wird aus den aus dem letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts überlieferten Rechnungen des direkt vor Bamberg gelegenen Klosters Michaelsberg erkennbar, die Andreas Schenker heranzieht; nur hochpreisige Güter rentierten einen Ferntransport, d.h. hier ab 50 km, also etwa zwei Tagreisen mit Pferd und Wagen, aufwärts (171-211).
Vornehmlich aus Norditalien (Venedig und Como) stammten die Italiener, die sich vom späten 17. bis zum späten 18. Jahrhundert in Bamberg niederließen, wie Gabi Schopf unter anderem anhand von Anzeigen in Intelligenzblättern nachweist. Zumindest in rechtlicher Hinsicht gestaltete sich ihre Integration nicht schwierig, und da sie mit Seide, Südfrüchten und Galanteriewaren Dinge einführten, für die es keine einheimische Konkurrenz gab, wurden ihnen so gut wie keine Steine in den Weg gelegt, wie Schopf an mehreren Beispielen zeigt (213-237). Bezeichnenderweise siedelten sich die Italiener auch in den kleineren Marktorten des Umlandes wie Staffelstein, Kronach u.a. an, wenn auch nur jeweils eine Familie pro Stadt. Gelegentlich konnten sie recht schnell, bereits in der ersten Generation, aufsteigen und städtische Ämter bekleiden, wie Christian Porzelt am Beispiel des Johann Baptist Rasca in Kronach zeigt (239-251).
Den Hof- und Heereslieferanten des 18. Jahrhunderts geht Andreas Flurschütz da Cruz nach. Er legt dar, dass einige Großhändler, auch jüdische Hoffaktoren, den Markt beherrschten, da sie in der Lage waren, Pferde, Waffen und anderes in großen Mengen zu beschaffen, andererseits eine privilegierte Stellung hatten, die nicht jedem eingeräumt wurde. Zudem belegt er, dass einige von ihnen sogar an mehreren Höfen aktiv waren (253-296).
Bemerkenswert ist, dass auch die auf lokalen Märkten aktiven Händler die Intelligenzblätter, eine von der Wirtschaftsgeschichte zu Unrecht vernachlässigte Quellengruppe, nutzten und Anzeigen schalteten, wie Markus Berger für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigen kann. Dennoch machten nur wenige Händler, vor allem für Textilien und Möbel, von diesem Medium intensiv Gebrauch. Die Meisten von ihnen ließen dabei nur etwas mehr als zehn Anzeigen inserieren (297-324). Ebenfalls legt eine Auswertung der Intelligenzblätter nahe, dass jüdische Händler erst ab den 1770er Jahren in Bamberg aktiv waren. Wenn man den Anzeigen glauben darf, spielten sie unter den Beschickern der im Mai und im Oktober stattfindenden Bamberger Messen zuvor so gut wie gar keine Rolle (3 von 577, 331), und dass, obwohl sie im Viehhandel stark vertreten waren, so Michaela Schmölz-Häberlein (325-344). Wieder auf Intelligenzblättern beruhend, jedoch biografisch ausgerichtet, nämlich auf Johann Stephan Leist, ist die Untersuchung von Mark Häberlein und Markus Berger. Der aus der Gegend von Mergentheim nach Bamberg eingewanderte und ab 1757 dort Karriere machende Leist erreichte vor allem im Handel mit Fischen, Salz, Dörrobst und Pottasche Reichtum. Angefangen hatte er (auch) mit dem Verkauf von Lotto-Karten; seine überlebende Frau galt als reich (345-364).
Alle Beiträge sind quellennahe, dichte und abwägende Studien, die zu einem Vergleich mit anderen Städten der 'zweiten und dritten Reihe' herausfordern. Beachtenswert sind zudem noch Lesefrüchte wie der Hinweis, dass Schulden, die auf einem Haushalt lasteten, bei der Berechnung der an die Stadt zu zahlenden Steuern angerechnet wurden (135), was ein Schlaglicht auf die Bedeutung der städtischen Schuldbücher wirft, und der Hinweis, dass Bamberger Apotheker mit aus Frankfurt eingeführten Drogen bzw. Medikamenten handelten, die gegen die Syphilis verwendet wurden (119 mit Anm. 31); es gibt zwar ein Orts- und Personenregister, aber kein Sachregister, was schade ist, da sich in manchen Beiträgen wichtige Bemerkungen zur frühneuzeitlichen Warenkunde finden.
Anmerkungen:
[1] Harm von Seggern: Zum Aussagewert des Schuldbuchs Johan Hungerhoves aus Oldenburg aus dem frühen 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission, N.F.: Stadt und Hof 3 (2014), 34-46.
[2] Frank Kreißler: Die Dominanz des Nahmarktes. Agrarwirtschaft, Handwerk und Gewerbe in den anhaltinischen Städten im 15. und 16. Jahrhundert (= Studien zur Landesgeschichte; Bd. 13), Halle a.d. Saale 2006.
Harm von Seggern