Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff / Georg Heinrich von Berenhorst: Un Grand Tour. Deux Journaux d'un même voyage en Italie, France et Angleterre (1765-1768). Transcrit à partir des deux documents originaux et présenté par François Colson (= Atelier des Voyages), Paris: Editions Honoré Champion 2014, 2 Bde., 864 S., ISBN 978-2-7453-2534-1, EUR 145,00
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Winfried Siebers / Joachim Rees: Erfahrungsraum Europa. Reisen politischer Funktionsträger des Alten Reichs 1750-1800, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2005
Lydia Klöppel (Hg.): Standfest. Bibelfest. Trinkfest. Johann Friedrich der Großmütige - Der letzte Ernestiner Kurfürst, Regensburg: Schnell & Steiner 2018
Hiltrud Friederich-Stegmann (Hg.): Amalie Prinzessin von Sachsen. Reise nach Spanien 1824 / 1825, Moritzburg: Edition Serena 2021
Gegenstand der vorliegenden Edition sind die zwei Berichte über die Reise des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und seines Bruders Johann Georg nach Italien, Frankreich und England. Neben der Einleitung umfassen die beiden Bände die im Original in Französisch abgefassten Reisejournale Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs und Georg Heinrich von Berenhorsts, die sich in der Landesbücherei Dessau befinden. Zumindest der Bericht Erdmannsdorffs lag bisher nicht als vollständige Edition vor. Jeder Band enthält ein Orts- und Personenregister. Der Einleitung folgt eine vergleichende biografische Übersicht zu beiden Verfassern. Der zweite Band wird zudem durch eine "Bibliografie" und eine Konkordanz der beiden Berichte ergänzt.
Die Einleitung (Bd. 1, 7-26) ist vergleichsweise knapp gehalten, was nicht unbedingt von Nachteil sein muss. Allerdings ist im vorliegenden Fall zu monieren, dass eine intensivere Beschäftigung mit dem historischen Kontext nicht erfolgte. Die Einführung bleibt insgesamt eher oberflächlich. Zudem können Verkürzungen in der Darstellung durchaus zu Missverständnissen führen. So wird etwa darauf verwiesen, dass eine der askanischen Linien im Hochmittelalter als Herzöge bzw. Kurfürsten in Sachsen regierte (8), nicht erwähnt wird aber deren Erlöschen und die Vergabe der Kurwürde an das Haus Wettin am Beginn des 15. Jahrhunderts. Wenn gleich im Anschluss der Verweis auf Wittenberg, Luther und dessen Protektion durch die sächsischen Kurfürsten folgt, ist das zumindest missverständlich. Die biografische Einordnung zu den Verfassern der beiden Reiseberichte erfolgt knapp, aber ausreichend, wenngleich auch hier anhand der relevanten Literatur kaum auf den aktuellen Forschungsstand verwiesen wird. Über die Form der Edition, die in sehr enger Anlehnung an die Vorlagen erfolgt, ließe sich streiten. Ob eine seitenidentische Publikation, einschließlich der zahlreichen Leerstellen sinnvoll ist, soll hier nicht entschieden werden.
Deutlich muss hingegen das Urteil hinsichtlich der Defizite in der Einleitung ausfallen. Zunächst ist hier die fehlende Einordnung der edierten Texte in die historische Reiseliteraturforschung zu beanstanden. Fußnoten bzw. die "Bibliografie" (Bd. 2, 835-836), enthalten fast keine einschlägigen Titel. Dies führt in der Folge auch zu falschen Interpretationen. So ist der Hinweis auf die Italienreise des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau in den Jahren 1693 und 1694 durchaus wichtig. Die Aussage, er wäre damit ein Vorreiter für die Italienreisen gewesen, "[...] avait été l'un des pionniers en 1693-1694 de la pratique du voyage en Italie, [...]" (13) ist hingegen schlicht falsch. Das trifft sowohl im Hinblick auf die Fürsten des Alten Reiches insgesamt zu, als auch auf die eigene und die anderen anhaltinischen Linien. Der sich in diesem Zusammenhang anschließende Hinweis auf die ablehnende Haltung des preußischen Königs Friedrich II. gegenüber den Reisen im Allgemeinen, ist irreführend (13). Zum einen handelt es sich hier um ein konkretes Beispiel, das sich ganz sicher nicht auf die Reisen fürstlicher Personen übertragen lässt. Zum anderen lässt sich die Haltung des Königs nur aus dem Kontext der in Brandenburg-Preußen seit den Zeiten des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. bestehenden Verordnungen über die Reisen und die unter den Berliner Hohenzollern eher spärlich ausgeprägte Reisebereitschaft erklären und verstehen.
Unklar bleibt zudem, warum die Edition erfolgte. Die bereits seit einigen Jahren vorliegende Übersetzung des Berichts Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs [1] ist hier wesentlich deutlicher. Die vorliegende Edition verweist auf diese Publikation nur in der "Bibliografie", eine Benutzung für die Einleitung ist nicht erkennbar. Das trifft auch auf die Edition und Übersetzung des zweiten Berichts zu. [2] In der Einleitung wird sie zwar erwähnt, allerdings wird nur knapp angemerkt, dass es sich um eine vollständige Übersetzung handele (Bd. 1, 21). Ohne Erwähnung bleibt hingegen, dass in der Edition von 2012 auch eine vollständige Edition des französischen Originals enthalten ist!
Der Umstand, dass es sich um eine Fürsten- bzw. Prinzenreise und die zugehörigen Berichte handelt, wird leider nicht thematisiert. Dieser Aspekt wäre aber für die Einordnung und Interpretation von zentraler Bedeutung. [3] Auch dass hier zwei Berichte über die gleiche Reise vorliegen, ist für die Forschung durchaus nicht unwichtig und wäre es daher wert gewesen, hervorgehoben zu werden. Leider findet auch dieses Detail keine entsprechende Berücksichtigung. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Verfasser hatte das bereits vor Jahrzehnten Arnold Esch anhand eines spätmittelalterlichen Beispiels thematisiert. [4]
Die Indizierung in den Registern erfolgte nach dem Wortlaut in den Texten. Allerdings weicht die tatsächliche Schreibung meist davon ab, etwa "Dohndorf" (Bd. 1, 3) statt richtig Donndorf. Zudem sind nicht alle Personen indiziert, der Markgraf von Brandenburg-Bayreuth (Bd. 1, 3) oder die ebendort erwähnte Herzogin von Württemberg etwa wurden nicht aufgenommen. Von einer zeitgemäßen Edition wäre eine entsprechende Erschließung zu erwarten. Kaum verständlich erscheint auch der generelle Verzicht auf eine Kommentierung (Bd. 1, 34). Die Benutzung der bereits vorliegenden Editionen bzw. Übersetzungen hätte dies mit wenig Arbeit durchaus ermöglicht.
Quelleneditionen sind in den historisch arbeitenden Wissenschaften Grundlagenforschung, der kaum genug Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Gerade die klassische Edition in Buchform droht angesichts der zunehmenden digitalen Präsentationen mehr und mehr an den Rand gedrängt zu werden. Dabei haben beide "Formate" natürlich durchaus Vorteile. Das vorliegende Beispiel über die Reise des Fürsten von Anhalt-Dessau verdeutlicht, was es bei künftigen Editionen, egal ob in Druckform oder digital, zu vermeiden gilt.
Anmerkungen:
[1] Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff: Kunsthistorisches Journal einer fürstlichen Bildungsreise nach Italien 1765/66. Aus der französischen Handschrift übersetzt, erläutert und herausgegeben von Ralf-Torsten Speler, Berlin 2001, bes. 21-77.
[2] Die Grand Tour des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau und des Prinzen Johann Georg durch Europa. Aufgezeichnet im Reisejournal des Georg Heinrich von Berenhorst 1765 bis 1768, herausgegeben und kommentiert von Antje und Christoph Losfeld, 2 Bde., Halle (Saale) 2012. Siehe dazu auch die Rezensionen von Michael Maurer unter: http://www.sehepunkte.de/2013/09/22516.html und Andreas Erb unter: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-19249.
[3] Vgl. dazu: Joachim Rees / Winfried Siebers: Erfahrungsraum Europa. Reisen politischer Funktionsträger des Alten Reiches 1750-1800. Ein kommentiertes Verzeichnis handschriftlicher Quellen (= Aufklärung und Europa. Schriftenreihe des Forschungszentrums Europäische Aufklärung; Bd. 18), Berlin 2005, 196-206.
[4] Arnold Esch: Gemeinsames Erlebnis - Individueller Bericht. Vier Parallelberichte aus einer Reisegruppe von Jerusalempilgern 1480, in: Zeitschrift für historische Forschung 11 (1984), 385-416.
Holger Kürbis