Piers Baker-Bates / Miles Pattenden (eds.): The Spanish Presence in Sixteenth-Century Italy. Images of Iberia (= Transculturalisms, 1400-1700), Aldershot: Ashgate 2015, XIV + 278 S., ISBN 978-1-4724-4149-2, GBP 65,00
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José Luis Colomer / Amalia Descalzo (eds.): Spanish Fashion at the Courts of Early Modern Europe, Madrid: Centro de Estudios Europa Hispánica 2014, 2 Bde., 836 S., 405 Farbabb., ISBN 978-84-15245-44-5, EUR 57,70
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Die Kultur der Großmächte, von den Griechen über die Römer bis zu Engländern und US-Amerikanern, hat tiefe Spuren in den jeweils dominierten Gebieten hinterlassen. Einzig dem spanischen Weltreich, in dem im 16. und 17. Jahrhundert nach einer bekannten Redewendung die Sonne nicht unterging, wollte man diese Bedeutung nicht zugestehen und dies galt insbesondere für Italien. In dem meinungsbildenden Buch von Jacob Burckhardt "Die Kultur der Renaissance in Italien" (1860) kommt der spanische Machtbereich, damals Süditalien mit den Vizekönigreichen von Neapel und Sizilien (1556 noch Mailand), kaum vor. Und auch der Italiener Benedetto Croce, der anhand der sichtbaren Spuren Spaniens in Neapel noch ein komplexes Bild spanischer Herrschaft gezeichnet hatte, fällte doch ein so negatives Gesamturteil, dass seine Nachfolger in dieser Epoche meist den Niedergang des Südens begründet sahen.
Erst in jüngerer Zeit versucht man zu einer differenzierteren Perspektive zu gelangen und das Buch von Piers Baker-Bates und Miles Pattenden, entstanden aus einer Tagung in Oxford (St Edmund Hall, 12.-14. Januar 2012) und publiziert von dem renommierten Wissenschaftsverlag Ashgate, darf hier als ein weiterer Meilenstein angesehen werden. [1] Das Buch gliedert sich in drei große Teile, die lesefreundlich mit eigenen Einleitungen versehen sind und deren Ergebnisse in einem Resümee am Schluss noch einmal zusammengefasst werden.
Im ersten Teil "The Spanish Presence in Italian Politics, Society and Culture" stehen zwei Städte im Zentrum, zu denen es im fraglichen Zeitraum sehr unterschiedliche politische Kontexte gab. Obwohl Venedig offiziell als Bundesgenosse Madrids galt, befürchtete man in der Lagunenstadt doch die ganze Zeit über eine Invasion und war den in Mailand bereits herrschenden Spaniern gegenüber äußerst kritisch eingestellt. In Neapel dagegen, der Hauptstadt eines spanischen Vizekönigtums, gab es je nach sozialem Stand unterschiedliche Einschätzungen, und zumindest die italienische Oberschicht suchte die Kooperation mit der Krone, auch mit dem Ziel so die eigene Machtstellung zu sichern. Um das Bild der Spanier möglichst genau zu charakterisieren greifen die Autoren auf vielfältige Quellen zurück: u.a. detaillierte Berichte von venezianischen Botschaftern in Spanien vor dem "Sacco di Roma" (1527) (Catherine Fletscher), venezianische Texte unterschiedlicher Provenienz aus den Jahren 1530 bis 1630 (Nicholas Davidson) sowie literarische Beiträge von Neapolitanischen Schriftstellern über die Tavernen der Stadt (Stephen Cummins), einem damals besonders beliebten Thema.
Im zweiten Teil "Spanish Religiosity and Roman Religiosity" geht es um die unterschiedlichen kirchlichen Positionen in Madrid und Rom, einen Punkt, wo allzu oft Einigkeit unterstellt wurde. Als Streitfall bekannt ist meist nur das Beispiel des von der spanischen Inquisition angeklagten Erzbischofs von Toledo, Kardinal Carranza, der Unterstützung vom Papst erhielt, doch gibt es weit mehr Kontroversen wie Miles Pattenden und Paolo Broggio zeigen. Auch hinter der Heiligsprechung von gleich vier Spaniern im Jahr 1622 verbarg sich weniger ein spektakulärer Beweis spanischer Einflussnahme in Rom, als eine geschickte Lobbyarbeit unterschiedlicher Orden, wie neuere Forschungen zeigten. Entsprechend kann Clare Copeland auch zahlreiche Beispiele für gescheiterte Initiativen der spanischen Krone in Rom anführen. Darunter findet sich der für die Kunstgeschichte interessante Fall, die Heiligsprechung von Francisco Gerónimo Simón durch verbotene Bilder zu befördern.
Die vorliegende Rezension legt den Fokus auf den dritten Teil "Spanish Vision and the Visual Arts in Italy", der für die Kunstgeschichte am ergiebigsten ist und mit vier statt drei Beiträgen auch der deutlich Umfangreichste. Die Einleitung benennt den zeitlichen Rahmen für die Fallstudien mit der Endphase der Herrschaft Ferdinands von Aragón (bis 1504) bis zu Karl II. (1665-1700), eine Epoche, die nicht nur in Spanien auch als "Siglo de Oro" (Goldenes Jahrhundert der spanischen Kultur) bezeichnet wird, wobei die genauen Eckdaten differieren. Ziel der Texte ist es, den jeweiligen italienischen und spanischen Anteilen gerechter zu werden und vor allem Neapel als Ort des Austauschs und stark hispanisiertes Zentrum genauer zu analysieren.
Der erste Beitrag von Baker-Bates, einem der zwei Herausgeber des Bandes, liefert in seinem weitgefassten Überblick zum Verhältnis von spanischen Auftraggebern und italienischen Künstlern einige grundlegende Informationen, die auch bei der Lektüre der anderen Texte mitzudenken sind. Hierzu gehören diverse Begriffsklärungen (wie sprachen sich Italiener und Spanier untereinander an) und die daraus resultierende Feststellung, dass es zwischen 1474 und 1598 weit mehr als ein Spanien, aber auch mehr als ein Italien gab. Als Beispielkünstler dient vor allem Sebastiano del Piombo, der nach Meinung des Autors sich dem ästhetischen Geschmack seiner spanischen Auftraggeber angepasst hat, wie ein Vergleich mit dem Maler Luis de Morales deutlich macht. Gemeint ist der besondere spanische Realismus in religiösen Bildern, für den hier wie auch an anderer Stelle meist der Realismus des Nordens (der Niederlande) verantwortlich gemacht wird. Als einen anderen Aspekt für diese Sonderentwicklung brachte Xavier Bray jüngst in der viel beachteten Londoner Ausstellung "The Sacred Made Real" die große Nähe der spanischen Malerei zur Skulptur ins Spiel. [2]
Robert W. Gaston und Andrea M. Gáldy widmen sich mit den spanischen Grabmälern einem Thema, dem Baker-Bates als einziger schon größere Aufmerksamkeit zugestanden hatte. Im Fokus steht eine zwischen 1550 und 1570 von Giovanni Merliano da Nola für den Vizekönig Don Pedro de Toledo geschaffene und in San Giacomo degli Spagnoli (Neapel) gut erhaltene Skulpturengruppe. Dieser hatte Carlos José Hernando Sánchez, einer der profiliertesten Kenner der spanischen Einflussnahme, bereits 1994 eine erste Deutung gewidmet, die nun von den Autoren bezweifelt wird. Statt einem säkularisierten Werk, das nach italienischem Modell den Triumph des Ruhms zum Inhalt hat, sehen sie Don Pedro als Santiagoritter und Verteidiger des Christentums gegen die muslimischen Türken herausgestellt. In dem Beitrag von Elena Cavillo geht es am Beispiel der Maler Giulio Clovio und Francisco de Holanda um einen besonderen Porträtstil der Spanischen Habsburger, bei dem der Naturalismus der Niederländer mit der Theorie des italienischen Idealismus verbunden worden sei. Den gleichen Brückenschlag sieht die Autorin auch in der berühmten Porträtgalerie Philipps II. im Palast von El Pardo, die allerdings, wie auch die meisten Bildnisse von Holanda, verloren ging. Jorge Fernández-Santos Ortiz-Iribas beschäftigt sich mit dem Mäzenatentum des Marquis del Carpio, der nach einem spanischen Muster politischer Laufbahnen erst Botschafter in Rom und dann Vizekönig in Neapel war. Seinen Erfolg sieht der Autor nun in seiner "un-Spanish characterization" (217). Gerade indem er sich vom selbstherrlichen Stil des spanischen Adels absetzte, an Frankreich orientierte und mit der neapolitanischen Mittelklasse operierte, konnte er in Neapel wichtige Reformen einleiten. Doch künstlerisch beförderte er eine Romanisierung der lokalen Kunstszene, die mit der seit Ribera gewachsenen eigenständigen Entwicklung brach.
Der vorliegende Sammelband wird hoffentlich helfen, das Stereotyp der "Schwarzen Legende" weiter aufzubrechen. [3] Gemessen an der zu Recht betonten politischen und kulturellen Vielgliedrigkeit des damaligen Italien muss die Auswahl der Exempel dabei notwendigerweise ausschnitthaft bleiben. Und doch wünschte man sich eine stärkere Betonung der Epoche Philipps II., in dessen Regierungszeit zum ersten Mal eine eigene nationale Kunstsprache gefordert und im Escorial auch ansatzweise realisiert wurde. Der Escorial liefert ein paralleles Beispiel, wie spanische Kunst bis heute als italienisches Derivat missverstanden wird. Zudem böte die inzwischen umfangreiche kunsthistorische Literatur zu Philipp II. viele Anknüpfungspunkte für die Idee einer auch kulturell eigenständigen Präsenz Spaniens in Italien.
Wer will, kann hier ein generelles Problem der neueren kunsthistorischen Spanienforschung erkennen, die nach dem Tode Francos 1975 einen enormen Aufschwung erlebte. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe international agierender Wissenschaftler, die sich mit dem "Siglo de Oro" beschäftigen, doch existiert unter ihnen noch zu wenig Austausch. So wundert man sich, warum die seit mehreren Jahrzehnten von der "Carl Justi Vereinigung e.V." betriebenen Projekte in dem Sammelband unerwähnt bleiben, obwohl sie in vielerlei Hinsicht in dieselbe Richtung gehen. Beispielhaft erwähnt sei hier nur der (übrigens in deutscher und spanischer Sprache vorliegende) interdisziplinäre Sammelband "Grabkunst und Sepulkralkultur in Spanien und Portugal". [4] Ein zentrales Thema in diesem Buch ist der Grabmalstypus der "Ewigen Anbetung", der nicht nur für das erwähnte Grabmal von Don Pedro de Toledo von großer Bedeutung ist, sondern generell für die Entwicklung einer besonderen spanischen Grabmalskunst. Auch für die im selben Zusammenhang angesprochene Idee eines kämpferischen Christentums, das unter spanischer Herrschaft visuell gegen innere und äußere Feinde zu Felde zieht, gibt es deutsche Literatur. [5] Die lange bibliografische Liste und die zahlreichen Anmerkungen vermitteln Vollständigkeit, doch wäre ein ausführlicher Forschungsbericht sicher hilfreicher für weitere Studien gewesen. Die knappe Einleitung kann diese Lücke nicht schließen.
In seinem Beitrag für "The Spanish Presence" wünscht sich Baker-Bates noch mehr interdisziplinäre Forschungen zum Verhältnis zwischen spanischen Auftraggebern und italienischen Untertanen und erwähnt als ein weiteres mögliches Beispiel die Musik. Ein Feld auf dem die Spanier ebenfalls Geschichte geschrieben haben bildet die spanische Mode. Sie ist Thema eines zweibändigen Werkes "Spanish Fashion at the Courts of Early Modern Europe", das José Luis Colomer und Amalia Descalzo 2014 herausgegeben haben. Es erschien in der Reihe des "Centro de Estudios Europa Hispánica", das sich in den letzten Jahren aus spanischer Perspektive sehr erfolgreich um eine bessere Verankerung der spanischen Kultur im europäischen Kontext verdient gemacht hat und deshalb in unserem Kontext unbedingt noch Erwähnung verdient.
Der vorliegende Sammelband war ebenfalls das Ergebnis einer Tagung, die 2007 in Madrid stattfand und zu deren Kooperationspartnern auch das bedeutende Museo del Traje zählte. Der erste Band analysiert unter interdisziplinären Gesichtspunkten (Ikonografie, Technik, Aufbewahrungsorte etc.) die Kleidung am spanischen Hof der Habsburger; der zweite Band thematisiert ihre Rezeption in Europa. Beide Bände liegen in englischer und spanischer Sprache vor und sind hervorragend mit Bildmaterial ausgestattet. Die Kostümforschung hat mit Carmen Bernis (1928-2001) in Spanien eine lange Tradition und war bereits Thema einer hochkarätigen Ausstellung, die der Prado 1991 mit großem Erfolg veranstaltete. [6] Leider ist die Einleitung der Herausgeber zu "Spanish Fashion" mit drei Seiten sehr knapp ausgefallen und der erste Artikel von Amalia Descalzo, die sich selbst als Schülerin von Carmen Bernis sieht, liefert auch nicht den gewünschten Brückenschlag zu den anderen Beiträgen. Stattdessen liefert Descalzo einen chronologischen Abriss der spanischen Modeentwicklung, die für sie um 1530 beginnt (17). Der zweite Herausgeber José Luis Colomer thematisiert die Rolle der Farbe Schwarz für die Imagebildung der spanischen Dynastie und problematisiert dabei bis heute bestehende Klischees, wonach etwa Philipp II. hier bewusst ein Armutsideal gepflegt hätte (87).
Im Zusammenhang betrachtet fehlt "Spanish Fashion" genau das, was "The Spanish Presence" auszeichnet, das sichtbare Bemühen der Herausgeber, den Leser durch Einführungen, Zusammenfassungen und Querverweise für ein neues Forschungsgebiet zu gewinnen. Unter dem Strich leisten aber beide Publikationen, jeweils auf ihre spezifische Art, wichtige Beiträge, um endlich ein wissenschaftliches Publikum für die kulturellen Eigenleistungen der spanischen Vormacht im 16. und 17. Jahrhundert zu sensibilisieren. Vasaris "Viten", die auch in "The Spanish Presence" gern zitiert werden, sind gerade neu ediert worden, doch seine regionale Sicht gilt es zu überwinden. Es wäre schön, wenn dafür die entsprechenden spanischen Autoren, angefangen mit José de Sigüenza, dem Chronisten des Escorial, endlich in ähnlich anspruchsvollen mehrsprachigen Ausgaben vorlägen. Nach der erfolgreichen Wiederentdeckung El Grecos liefert hierfür vielleicht die im Sommer 2016 in der Gemäldegalerie Berlin geplante Ausstellung zum "Siglo de Oro" den entscheidenden Anstoß.
Anmerkungen:
[1] Als ein frühes Publikationsbeispiel von spanischer Seite: La huella de España en Nápoles, Sonderheft der Revista Geográfica Española, Madrid o.J. (wahrscheinlich Ende der 1940er-Jahre). Grundlegend ferner: Thomas James Dandelet: Spanish Rome 1500-1700, New Haven / London 2001; Carlos José Hernando Sánchez (Hg.): Roma y España. Un crisol de la cultura europea en la edad moderna, 2 Bde, Madrid 2007.
[2] Xavier Bray (Hg.): The Sacred Made Real. Spanish Painting and Sculpture 1600-1700, Ausst. Kat. National Gallery, London 2009.
[3] Michael Scholz-Hänsel / David Sánchez Cano (Hgg.): Arte Español del Greco hasta Dalí. Ambigüedades en lugar de estereotipos, Berlin 2015.
[4] Barbara Borngässer / Henrik Karge / Bruno Klein (Hgg.): Arte funerario y cultura sepulcral en España y Portugal (= Ars Iberica et Americana; Vol. 11), Frankfurt a. M. 2006. Bereits 1996 veranstaltete die "Carl Justi Vereinigung e.V." im Hamburger Warburg-Haus eine internationale Tagung zum Thema "Spanien und das Vizekönigreich Neapel".
[5] Michael Scholz-Hänsel: Inquisition und Kunst. "Convivencia" in Zeiten der Intoleranz, Berlin 2009.
[6] Juan Miguel Serrera (Hg.): Alonso Sánchez Coello y el retrato en la Corte de Felipe II, Ausst. Kat. Museo del Prado, Madrid 1991.
Michael Scholz-Hänsel