Rezension über:

Carolyn L. Connor: Saints and Spectacle. Byzantine Mosaics in their Cultural Setting, Oxford: Oxford University Press 2016, XVIII + 212 S., Zahlr. Farbabb., ISBN 978-0-19-045762-4, GBP 55,00
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Rezension von:
Christine Stephan-Kaissis
Institut für Byzantinische Archäologie und Kunstgeschichte, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Redaktionelle Betreuung:
Ute Verstegen
Empfohlene Zitierweise:
Christine Stephan-Kaissis: Rezension von: Carolyn L. Connor: Saints and Spectacle. Byzantine Mosaics in their Cultural Setting, Oxford: Oxford University Press 2016, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 12 [15.12.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/12/29289.html


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Carolyn L. Connor: Saints and Spectacle

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Die erhaltenen mittelbyzantinischen Mosaikdekorationen ziehen seit nahezu einem Jahrhundert das Interesse der byzantinischen Kunsthistoriker auf sich. Inzwischen gibt es eine umfangreiche Reihe grundlegender Arbeiten, die unser Wissen über die Entstehung und Funktionsweise monumentaler Bildprogramme in byzantinischen Kirchenräumen maßgeblich geformt und erweitert haben. [1] Trotz wissenschaftlicher Bemühungen der Vergangenheit liegen jedoch viele Aspekte der Genese und Rezeption solcher Bildzyklen nach wie vor im Dunkeln. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, mithilfe neuer methodologischer Verfahren Licht auf bisher unbeantwortete Fragen zu werfen.

Der handliche Band, der sich den Ursprüngen der mittelbyzantinischen Mosaikdekoration in ihrem kulturellen Kontext widmet, spricht mit seinem reizvollen Kurztitel und der attraktiven Umschlaggestaltung sicher nicht nur Fachleute, sondern auch ein breiteres Publikum an. Kenntnisreich und in leicht verständlicher Sprache führt Connor den Leser in komplexe Fachprobleme ein, die sie exemplarisch an den Mosaiken von drei Klosterkirchen des elften Jahrhunderts in Griechenland vorstellt.

Vorauszuschicken ist hier die Bemerkung, dass Connor ihre Untersuchung ausschließlich auf Mosaikdekorationen beschränkt und Fresken nur am Rande diskutiert. Die Autorin traut Mosaiken aufgrund ihrer typischen Materialeigenschaften besondere symbolische Aussage- und Kommunikationskraft zu: byzantinische Goldmosaiken seien nicht nur vorzüglich geeignet, das immaterielle Reich Gottes zu evozieren, sondern auch, und zwar aufgrund der Kostbarkeit und Exklusivität des Mediums, Gottes irdischen Stellvertreter, den byzantinischen Kaiser. Nach Ansicht Connors instrumentalisierte der byzantinische Kaiser die medialen Möglichkeiten monumentaler Mosaikzyklen, um seine politisch-ideologische Agenda durchzusetzen. Die Autorin untermauert diese These im Lauf der Arbeit in zahlreichen Exkursen zur byzantinischen Kunst- und Kulturgeschichte.

Die Arbeit ist in eine Einleitung und fünf Kapitel gegliedert. Die Einleitung (1-9) bietet einen straffen Abriss vor- und nachikonoklastischer Mosaikensembles. Aufgrund der Materialfülle muss sich die Autorin auf einen Überblick beschränken, welcher die ikonografischen Grundzüge der Monumentalzyklen beleuchtet. Vollkommen zu Recht unterstreicht Connor von Anfang an die Bedeutung des byzantinischen Bilderstreits als Epoche kulturhistorischen Wandels.

Gegenstand des ersten Kapitels (11-49) ist das bereits ausgereifte "klassische" mittelbyzantinische Bildsystem, wie es in den Kirchen von Hosios Loukas in Böotien, Nea Moni auf Chios und Daphni bei Athen vorliegt. Da die Anlagen verblüffende Ähnlichkeiten in Architektur und Innenraumdekoration aufweisen, liegt es nahe, die Bildprogramme auf ein gemeinsames, heute verlorenes Modell zurückzuführen. Connor vermutet eine hauptstädtische Vorlage, deren Spuren sie in Zwischengliedern Kappadokiens und des griechischen Festlands findet.

Kapitel 2 (51-72) befasst sich mit den erhaltenen Mosaiken von Konstantinopel und befragt diese nach ihrer Aussagekraft hinsichtlich des möglichen verlorenen Modells. Da die materiellen Artefakte wenig Aufschluss zu dieser Frage bieten, zieht die Autorin literarische Quellen hinzu. Das ist ein legitimes, aber hinsichtlich seines objektiven Erkenntnisgewinns durchaus heikles Verfahren. Die Beziehung zwischen literarischen Texten über Bilder und den Bildern selbst ist in jüngster Zeit zu Recht in die Diskussion gekommen. [2] Es wäre daher hier wünschenswert gewesen, die behandelten Texte kritisch auf ihre Absicht zu hinterfragen. Beispielsweise bietet die von Henry Maguire beobachtete "Kritik" des Patriarchen Photios an der Dekoration der Pharoskirche im Kontext von Connors Stifterthesen triftigen Anlass, diese Diskussion weiterzuspinnen. [3]

Das dritte Kapitel (73-97) widmet sich den gesellschaftspolitischen Grundlagen des mittelbyzantinischen Dekorationssystems seit dem neunten Jahrhundert. Connors Überlegungen gelten dem engen Personenkreis, der ihrer Ansicht nach als Stifter von Mosaikensembles in Frage kommt. Der gedrängte Abriss zur byzantinischen Geschichte des neunten Jahrhunderts kann den komplexen historischen Verhältnissen während und nach dem Bilderstreit, und spezieller den Konstellationen im Patriarchat und bei Hof zur Zeit der Machtübernahme Basileios I. nur bedingt gerecht werden. Connors Analyse mündet in dem Fazit, dass die Genese mittelbyzantinischer Mosaikprogramme letztlich auf den Patriarchen Photios und Kaiser Michael III., bzw. dessen Nachfolger, Kaiser Basileios I. zurückgehe. [4]

Die zwei letzten Kapitel 4 (99-124) und 5 (125-147) sind den im Titel des Buchs angekündigten Heiligen und ihrem Kult in Byzanz gewidmet. Die Autorin konzentriert sich auf die identitätsstiftende Funktion kollektiver Heiligenkulte am Beispiel ritueller Prozessionen. Die aufsehenerregende visuelle Qualität solcher Umzüge umschreibt die Autorin mit dem Begriff Spektakel, eine Eigenschaft, die sie zu spektakulären Kirchenausstattungen im Medium des Bildes transformiert sieht. Auf der Grundlage der Ritualforschung zeichnet sich hier eine überaus stimmige Lösung für die Frage der hohen Zahl von Heiligenporträts in mittelbyzantinischen Monumentalzyklen ab. Die Heiligenzone als wesentliches strukturelles Element der Bildprogramme war von der Forschung bisher recht stiefmütterlich behandelt worden.

Dem Hauptteil der Arbeit folgen ein Anhang aus fünf Listen, ein Anmerkungsteil, und eine auf den neuesten Stand gebrachte Bibliografie, die nahezu ausschließlich auf englisch- und französischsprachige Literatur verweist. Ein detaillierter Index sowie hervorragende Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen, Pläne und schematische Abrisse runden die Untersuchung ab. Leider bieten die Abbildungen wenig Neues, da ein Teil aus älteren Veröffentlichungen stammt. Zu bemängeln ist die Transkription der alphabetischen Heiligenlisten in App. I und II. Sie zeigt sich wenig kohärent. So erscheinen Namensformen wie Demetrius gleichzeitig mit Dorotheos. Andere Namen, wie etwa Andreas oder Iakovos sind ganz ins Englische (Andrew / James) übertragen. Auch muss auf einige wenige Fehler hingewiesen werden, die sich in den Text eingeschlichen haben. So hieß der letzte ikonoklastische Patriarch nicht Ignatios Diakonos, sondern Johannes VII. Grammatikos. Leo der Mathematiker war Vetter von Johannes VII. Grammatikos, nicht aber von Ignatios Diakonos (beides 81). Der Feiertag der hl. Thekla wird einmal am 14. September (120), vorher aber richtig am 24. September (105) verzeichnet. Auch ist die Zahl der Jünger, die bei Christi Verklärung anwesend waren, mit vier (5) nicht korrekt angegeben.

Insgesamt gelingt der Autorin eine schlüssige Darstellung der Genese mittelbyzantinischer Dekorationssysteme. Durchaus einleuchtend interpretiert Connor die Bildprogramme als Teil und Reflex eines gesamtgesellschaftlichen Ordnungskonzepts, dessen Ursprung im ausgehenden neunten Jahrhundert zu suchen ist. Dass die Visualisierung göttlicher und zugleich irdischer Ordnung unter konsequenter Beteiligung der Heiligen als Beschützer des Staates ein wichtiges Mittel der Reichskonsolidierung darstellte, überzeugt ebenso wie Connors These, dass Mosaikdekorationen als exklusivste Form der Monumentalausstattung dem byzantinischen Kaiser von Konstantinopel und seinem engsten Ambiente bei Hof und im Patriarchat zuzuordnen sind. Connor zeigt exemplarisch auf, wie Methoden der Ritualforschung für die Analyse kunst- und kulturhistorischer Prozesse fruchtbar angewendet werden können. Für die Erforschung der byzantinischen Kunst- und Kulturgeschichte erweist sich dies als ausgesprochen nützlich und wird daher zukünftig eine wichtige Rolle spielen.


Anmerkungen:

[1] An dieser Stelle kann nur auf die Pionierarbeiten von Ernst Diez und Otto Demus: Byzantine Mosaics in Greece, Cambridge Mass. 1931 und Otto Demus: Byzantine Mosaic Decoration - Aspects of Monumental Art in Byzantium, London 1948 hingewiesen werden.

[2] Vgl. Leslie Brubaker: Critical Approaches to Art History, in: Elizabeth Jeffreys (ed.): Oxford Handbook of Byzantine Studies, Oxford 2008, 59-66, insb. 63.

[3] Henry Maguire: The Medieval Floors of the Great Palace, in: Nevra Necipoğlu (ed.): Byzantine Constantinople. Monuments, Topography and Everyday Life, Leiden 2001, 153-174, repr. in: Henry Maguire: Image and Imagination in Byzantine Art, Aldershot u.a. 2007, chap. II, 1-19, insb. 9-10.

[4] Siehe auch ihre kurze Zusammenfassung der Ergebnisse am Ende von Kapitel 5: 146-147.

Christine Stephan-Kaissis